Die NEW YORK TIMES sieht darin ein... "...Geschenk von unschätzbarem Wert für Donald Trump und alle zukünftigen Präsidenten, die beabsichtigen, gegen das Gesetz und ihren Eid auf die Verfassung zu verstoßen. Seit Montag ist der Grundsatz, dass niemand über dem Gesetz steht, aufgehoben. Präsidenten könnten zwar immer noch wegen Verbrechen im Amt desselben enthoben werden, aber es ist schwer vorstellbar, wie sie jemals strafrechtlich verfolgt werden sollten. Sie können also einst unvorstellbare Maßnahmen ergreifen: zum Beispiel zum Aufstand vor dem US-Kapitol aufrufen, ohne befürchten zu müssen, dafür später ins Gefängnis zu kommen oder juristisch zur Verantwortung gezogen zu werden", führt die NEW YORK TIMES aus den Vereinigten Staaten aus.
"Das Urteil des Obersten Gerichtshofs gewährt Trump keine absolute Immunität", stellt die polnische RZECZPOSPOLITA klar, die in Warschau erscheint: "Diese gilt nur mit Blick auf Handlungen, die ein US-Präsident im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Befugnisse ergreift. Das Urteil ist dennoch historisch – denn es ist das erste Mal seit der Gründung der Vereinigten Staaten, dass der Oberste Gerichtshof feststellt, dass ein ehemaliger Präsident teil-immun gegen Strafanzeigen ist."
"Kann der Präsident nun einen Putsch anordnen oder die Ermordung eines Gegners?", zitiert DER STANDARD aus Österreich die Frage der liberalen Supreme-Court-Richterin Sonia Sotomayor, die gegen die Mehrheit ihrer Kollegen am Obersten Gericht gestimmt hat: "Ja, lautet offenbar die Antwort, solange er dies nicht ganz offensichtlich als Privatmann tut. Jahrelang haben Konservative in den USA vor sogenannten Activist-Judges gewarnt, also angeblich liberalen Juristinnen und Juristen, die das Recht so auslegen würden, dass es ihren Gesellschaftsvorstellungen entspricht. Nun zeigt sich am Urteil der sechs vom republikanischen Präsidenten eingesetzten Richterinnen und Richter: Der Vorwurf sollte verschleiern, was man selbst zu tun plante", bemerkt DER STANDARD aus Wien.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG verweist darauf, dass der Supreme Court die Frage, ob Trump wegen versuchten Wahlbetruges der Prozess gemacht werden kann, noch nicht entschieden hat: "Die unteren Gerichte sollen nun auseinanderdividieren, was eine offizielle Amtshandlung eines Präsidenten ist, für die laut Supreme Court absolute Immunität gilt, und was eine inoffizielle ist, die strafrechtlich verfolgbar ist, da 'der Präsident nicht über dem Recht steht'. Diese neue Unterscheidung zieht der Supreme Court, aber überlässt dem Bundesbezirksgericht des District of Columbia die nicht unwesentliche Detailabklärung, zu welcher Kategorie Trumps Verhalten nach den Wahlen 2020 gehört. Die Frage wird also auf eine längere Reise durch die Instanzen geschickt, bis sie dann höchstwahrscheinlich erneut vor dem Supreme Court landen wird. Warum, fragt man sich, hat der Supreme Court dieses Urteil nicht schon jetzt getroffen?", heißt es in der NZZ aus der Schweiz.
Die LOS ANGELES TIMES findet es... "... frustrierend, dass das Oberste Gericht so lange gebraucht hat, um sein Urteil zu fällen, obwohl Sonderermittler Jack Smith die Richter schon vor mehr als sechs Monaten bat, die Überprüfung zu beschleunigen. Die Entscheidung fiel mehr als zwei Monate nach den mündlichen Verhandlungen. Trump bekommt durch das Urteil nicht alles, was er wollte, und es verhindert auch nicht die weitere Strafverfolgung seines empörenden Versuchs, die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl von 2020 zu kippen. Aber sie wird dadurch deutlich erschwert. Es ist nun so gut wie sicher, dass Trump nicht mehr vor der Wahl im November vor Gericht gestellt wird", erwartet die LOS ANGELES TIMES aus den USA.
"Wenn die Amerikaner Donald Trump nicht wieder im Weißen Haus haben wollen, müssen sie sich am 5. November an der Wahlurne dagegen entscheiden", notiert die italienische Zeitung LA REPUBBLICA: "Und sie sollten es sich genau überlegen. Denn nach der Logik des Obersten Gerichts könnte Trump, sobald er wieder an der Macht ist, die Armee anweisen, Washington zu besetzen, und das Justizministerium, politische Gegner zu verfolgen. Das Urteil ist ein bedeutender Wendepunkt, und es lässt das von Joe Biden bisher erfolglos vorgebrachte Argument wieder aufleben, dass bei dieser Präsidentschaftswahl das Überleben der amerikanischen Demokratie auf dem Spiel steht", unterstreicht LA REPUBBLICA aus Rom.
Damit nach Frankreich, wo die Rechtspopulisten die erste Runde der Parlamentswahl klar gewonnen haben. Dazu schreibt der britische GUARDIAN: "Sollte Emmanuel Macron noch die Hoffnung gehabt haben, dass sich seine Entscheidung, Marine Le Pen vorgezogene Parlamentswahlen zu schenken, auszahlen würde, so hat sich diese offensichtlich zerschlagen. Nach der Demütigung bei der Europawahl setzte Macron leichtsinnigerweise darauf, dass die Unterstützung für Le Pens Rassemblement National dahinschmelzen würde, sobald die Protestwähler mit der Aussicht auf eine radikale Regierung konfrontiert würden", analysiert THE GUARDIAN aus London und ergänzt: "Vor der zweiten Wahlrunde am 7. Juli steht nun sehr viel auf dem Spiel."
Die belgische Zeitung DE STANDAARD befindet: "Die Möglichkeit, dass die Rechtsextremen in der zweiten Runde am Sonntag die absolute Mehrheit erringen, ist real. Dann wird Frankreich das bekommen, was bereits als 'cohabitation de la folie' bezeichnet wird: Macron als Präsident müsste sich mit einer äußerst weit rechts stehenden Regierung arrangieren. Das würde zu unaufhörlichen Feindseligkeiten und einem unregierbaren Land führen", meint DE STANDAARD aus Brüssel.
"Vor der Stichwahl ruft das Macron-Lager zu einer Allianz gegen die Rechten auf" , erläutert die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio: "In der Vergangenheit hat diese Strategie einen Sieg der Rechten verhindert. Aber wie lange kann das noch funktionieren? Dadurch wird ein erheblicher Teil der Wählerstimmen ignoriert."
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT wagt einen Ausblick auf die politische Lage nach der Stichwahl: "Statt mit dem RN zu arbeiten, könnte sich Macron für eine Regierung aus Technokraten entscheiden. In diesem Fall bestünde allerdings ständig das Risiko eines Misstrauensantrags der Opposition. Macrons Amt als Präsident ist zwar durch das Wahlergebnis vom Sonntag nicht gefährdet. Aber sein Versuch, durch die Neuwahlen 'Klarheit' zu schaffen, hat sein Image schwer beschädigt", betont DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Für die taiwanesische Zeitung ZHONGGUO SHIBAO sind sowohl die Europawahl als auch die Parlamentswahl in Frankreich "Vorboten einer politischen Zeitenwende in Europa": "Das extreme Lager am rechten und linken Rand, das in seiner kompromisslosen Ablehnung der bestehenden Verhältnisse vereint ist, wird immer stärker. Wenn der Block der etablierten Parteien, der von den Konservativen über die Liberalen und Sozialdemokraten bis hin zu den Grünen reicht, nicht schleunigst aus seinen Fehler lernt und verlorene Wähler zurückgewinnt, könnten sich die Machtverhältnisse im nächsten Jahrzehnt tatsächlich in eine Richtung verschieben, wie sie bereits in Frankreich droht", warnt die Zeitung ZHONGGUO SHIBAO aus Taipeh.
Und die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER betrachet die Neuwahl in Frankreich als größten Fehler seit dem Brexit: "Großbritanniens damaliger Premierminister David Cameron versprach 2013 ein Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft. Wir wissen alle, wie dieses Wagnis endete: Europa wurde gespalten und Großbritannien geschwächt. Die Fehleinschätzung von Emmanuel Macron könnte noch größere Folgen haben", befürchtet DAGENS NYHETER aus Stockholm.