30. Juli 2024
Die internationale Presseschau

Neben der Lage in Nahost ist der Ausgang der Präsidentschaftswahl in Venezuela ein großes Thema in den Kommentarspalten vieler ausländischer Zeitungen.

Venezuelas Präsident Nicolas Maduro hat beide Hände gehoben und lächelt.
Venezuelas Präsident Maduro ist von der nationalen Wahlbehörde zum Sieger der Präsidentschaftswahlen erklärt worden - das ist ein Thema in den Kommentaren. (AP / Fernando Vergara)
Die kolumbianische Zeitung EL TIEMPO führt aus: "Entgegen den Meinungsumfragen, die einen großen Vorsprung für die venezolanische Opposition voraussagten, ist laut der Wahlbehörde jetzt doch wieder Nicolás Maduro zum Präsidenten gewählt worden. Allerdings erfüllte der Wahlvorgang bei Weitem nicht die Standards in puncto Transparenz, Freiheit und Fairness. Oppositionsführerin María Corina Machado wurde nicht als Kandidatin zugelassen. Sie setzte sich stattdessen für den Ex-Diplomaten Edmundo González ein, wurde aber an der freien Bewegung in ihrem eigenen Land gehindert. Auch wurde internationalen Beobachtern die Einreise untersagt. Solche und andere Unregelmäßigkeiten entkräften jede Behauptung, die Wahlen seien gerecht oder transparent gewesen", urteilt EL TIEMPO aus Bogotá.
Die venezolanische Zeitung EL NACIONAL aus Caracas zeigt sich überrascht, dass die Wahlbehörde nur wenige Stunden gebraucht habe, um "ein Ergebnis bekanntzugeben und dieses auch noch als 'unumkehrbar' zu bezeichnen. Umfragen ergaben freilich ein ganz anderes Bild. María Corina Machado, Vorkämpferin für einen politischen Wandel, bestätigte den Sieg von Edmundo González und erklärte, die ganze Welt wisse, wer in Wahrheit gewonnen habe. Das Ergebnis der Behörde steht im klaren Widerspruch zu allen Nachwahlbefragungen, die von 70 Prozent für die Opposition berichteten."
Der offensichtliche Wahlbetrug in Venezuela habe die Hoffnungen auf einen Wandel zunichte gemacht, meint die chilenische Zeitung LA TERCERA: "Das bedeutet, dass die internationale Gemeinschaft jetzt ihre Anstrengungen verdoppeln muss, um zu verhindern, dass die Diktatur wieder einmal damit durchkommt. Selten stand die Opposition so kurz davor, nach 25 Jahren endlich den Chavismus zu überwinden und sich dabei gleichzeitig an die vom Regime vorgegebenen Regeln zu halten. Trotzdem ist das Regime nicht bereit, die Macht abzutreten, sondern nutzt jedes Mittel, um an ihr festzuhalten. Die Bevölkerung hat inzwischen begonnen, gegen den Betrug zu demonstrieren. Es ist zu befürchten, dass es eine neue Flüchtlingswelle gibt und dass das Regime seine Repressionen verstärkt", vermutet LA TERCERA aus Santiago de Chile.
Die US-amerikanische Zeitung THE WASHINGTON POST mahnt: "Dringendes Handeln der USA und Demokratien auf der ganzen Welt ist jetzt gefordert. Dieser offensichtliche Versuch des Wahldiebstahls darf nicht geduldet werden. Jetzt ist die goldene Stunde des demokratischen Wandels. Die USA und jede Nation, die den Wahlkampf, die Rechtsstaatlichkeit und demokratische Machtwechsel wertschätzen, ist verpflichtet, die Opposition als die wirklichen Sieger anzuerkennen, und von Amtsinhaber Nicolás Maduro zu verlangen, dass er sich dem Willen des Volkes beugt."  
Die regierungsnahe russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA beleuchtet das Verhältnis Maduros zum Kreml. Es sei wichtig, die "verbale, typisch lateinamerikanische Rhetorik mit geopolitischem 'Moskau-Flirt' und die realen wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen der beiden Länder klar zu trennen. Theoretisch wird Venezuela in der politischen Führung Russlands als befreundeter Staat aufgeführt - genauso wie Kuba und Nicaragua, denen sich wahrscheinlich Bolivien noch anschließen wird. Maduro hat Russland im Konflikt mit der Ukraine stets seine volle Unterstützung zugesichert und wirft dem 'amerikanischen Imperialismus' von Zeit zu Zeit alle Todsünden vor. In der Praxis baut Venezuela die Beziehungen zu Russland auf reinen Pragmatismus auf und stützt seine Position in keiner Weise auf brüderliche Kontakte zwischen Moskau und Caracas", befindet NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die chinesische Staatszeitung WENHUIBAO erwartet, nach seiner Wiederwahl werde die größe Herausforderung für Maduro in seiner "dritten Amtszeit darin bestehen, die Wirtschaft so schnell wie möglich wieder flottzukriegen und den Lebensstandard der Bevölkerung zu verbessern. Eine weitere wichtige Aufgabe wird es sein, das ideologisch tief gespaltene Land wieder zu stabilisieren. Bei der diesmaligen Präsidentschaftswahl war es der bis dahin völlig zersplitterten Opposition zum ersten Mal gelungen, sich zusammenzuraufen und den Amtsinhaber ernsthaft herauszufordern. Sie könnte ihm nun auch nach der Wahl weitere Steine in den Weg legen. Nichtsdestotrotz hat Maduro den Staatsapparat nach wie vor fest im Griff." Das war WENHUIBAO aus Schanghai.
Themenwechsel. Die türkische Online-Zeitung T24 äußert sich zu Präsident Erdoğan, der während einer Parteiveranstaltung seiner AKP Israel gedroht hat, die Hamas mit Waffen zu beliefern, sollten die Palästinenser weiter "drangsaliert" werden: "Diese vagen Worte wurden allgemein als 'wir werden in Gaza intervenieren, wir werden Israel mit Drohnen angreifen' verstanden. Doch die Interpretationen gehen auseinander. Erdoğan hielt seine Rede frei. Es wäre daher nicht abwegig zu glauben, dass diese Worte in einem Moment der Erregung aus seinem Mund kamen. Wenn es um Gaza geht, ist es nur natürlich, dass der Präsident aufgebracht ist. Netanjahu durfte vor dem US-Kongress sprechen, und wenn Trump wiedergewählt wird, wird die Unterstützung der USA für ihn zunehmen. Die Äußerungen des Präsidenten waren sehr bedauerlich, denn es war die erste Angriffsdrohung gegen Israel aus den Reihen der westlichen Allianz", lesen wir bei T24 aus Istanbul.
Die israelische Zeitung THE JERUSALEM POST zeigt sich empört: "Erdogans hetzerische Rhetorik und offene Drohungen gegenüber Israel sind nicht nur zutiefst unverantwortlich, sondern auch gefährlich. Eine solche Feindseligkeit hat im Bereich der internationalen Diplomatie nichts zu suchen. Vielleicht ist es an der Zeit, dass jemand den türkischen Präsidenten in seine Schranken weist. Die internationale Gemeinschaft muss Erdogans Provokationen weiterhin unmissverständlich verurteilen und allen Versuchen, Gewalt zu schüren oder die Region weiter zu destabilisieren, entschieden entgegentreten."
Die panarabische Zeitung AL ARABY AL-JADEED bemerkt: "Immer noch stellt sich die Frage, wie Israel auf die Tragödie von Madschdal Schams reagieren wird. Offen ist, wie Israel an der Hisbollah Vergeltung üben kann, ohne sich auf einen umfassenden Krieg mit ihr einzulassen. Denn es liegt auf der Hand, dass sich auch Irans Verbündete im Irak, in Syrien, im Jemen oder im Iran selbst einschalten könnten. Das ist das gewaltige Dilemma, vor dem Israel heute steht. Darauf geht auch der Umstand zurück, dass die öffentliche Meinung in Israel hinsichtlich der nächsten Schritte so gespalten ist. Zugleich wird sich auch die Hisbollah erklären müssen. Denn sie hat dazu beigetragen, dass der gesamte Libanon derzeit vor einer möglichen Invasion steht, die in einen verheerenden, umfassenden Krieg übergehen könnte", argumentiert AL ARABY AL-JADEED, die in London erscheint.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER aus Zürich stellt fest: "Aus den mindestens 18 Kriegen und kriegerischen Konflikten in seiner Geschichte hat Israel zwei Lehren gezogen, aber nur eine erfolgreich befolgt. Lehre Nummer eins war, niemals überrascht zu werden, also die kriegerische Dynamik stets selbst zu bestimmen. Diese Doktrin wurde zweimal verletzt, mit verheerenden Folgen. Sowohl im Jom-Kippur-Krieg als auch im vergangenen Oktober beim Überfall der Hamas hatte Israel seine Verteidigung vernachlässigt und war nicht wachsam. Lehre Nummer zwei hingegen wurde bis heute strikt befolgt: Sei militärisch überlegen. Niemals hatten Israels arabische Nachbarn die Chance, dem Land im Krieg massiv zu schaden oder es gar zu zerstören. Militärisch war Israel stets stärker. Diese zweite Doktrin steht nun ebenfalls infrage."