07. August 2024
Die internationale Presseschau

Neben der Lage in Bangladesch geht es vor allem um die Entscheidung von Kamala Harris, den Gouverneur von Minnesota, Walz, als ihren Vizekandidaten im US-Präsidentschaftswahlkampf zu nominieren:

Kamala Harris und Tim Walz stehen während einer Wahlkampf-Veranstaltung auf einer Bühne und lachen.
Kamala Harris hat den Demokraten Tim Walz als ihren Vize-Kandidaten nominiert - die Entscheidung ist auch Kommentarthema vieler ausländischer Zeitungen. (IMAGO / ZUMA Press Wire / IMAGO / Lev Radin)
DER STANDARD aus Österreich freut sich über den – so wörtlich – "politisch frischen Wind": "Walz entstammt nicht der Klasse der an Eliteuniversitäten ausgebildeten Karrierepolitiker, die oft Schwierigkeiten haben, mit den Menschen zu kommunizieren. Tim Walz kann das. Er ist ein fröhlicher Krieger, der die Wählerschaft anspricht, die Kamala Harris erreichen muss. Als Kandidat für die US-Vizepräsidentschaft empfohlen hat sich der Chef der demokratischen Gouverneursorganisation mit seiner Idee, Donald Trump und J. D. Vance zu Sonderlingen zu machen. Statt sich auf akademische Diskussionen einzulassen, gibt Walz die 'America First'-Kandidaten dem Gespött preis. Und das in einer Weise, die nicht gemein, sondern humorvoll herüberkommt. Das von Walz eingeführte Wort 'weird', was auf Deutsch so viel wie schräg oder wirr bedeuten kann, lässt dem Politclown Trump das Lachen im Halse stecken. Ein genialer Streich, der Walz' politische Instinkte unterstreicht", bemerkt DER STANDARD aus Wien.
Der britische GUARDIAN listet weitere Aspekte auf, die für Walz' Eignung als Vizepräsidentschafts-Kandidat gesprochen haben dürften: "Er ist ehemaliger Lehrer und Highschool-Footballtrainer, der 24 Jahre lang in der Nationalgarde der Armee diente. Als Gouverneur hat er fortschrittliche Gesetze wie kostenloses Schulessen, Abtreibungsschutz, arbeitnehmerfreundliche Maßnahmen und Waffenbeschränkungen durchgesetzt. Bei der Bewältigung der Klimakrise hat er eine bessere Bilanz vorzuweisen als seine Konkurrenten um das Vizepräsidentenamt. Während einige meinen, andere Kandidaten - insbesondere Josh Shapiro, der Gouverneur von Pennsylvania, - hätten helfen können, die Wahl in einem Swing State zu gewinnen, halten Politikwissenschaftler dies für einen Mythos. Andererseits kann die Auswahl von Vizepräsidenten-Kandidaten dazu beitragen, eine Partei zu begeistern und ihr das Gefühl eines gemeinsamen Ziels zu vermitteln", hält THE GUARDIAN aus London fest.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio ergänzt: "Walz wurde vor allem für seine Unterschrift unter ein Gesetz bekannt, das alle Schüler im Bundesstaat Minnesota unabhängig von Einkommen der Eltern mit kostenlosem Frühstück und Mittagessen versorgt. Zwar hat ihn der linke Flügel der Demokraten vorgeschlagen, aber seine Nominierung als Vize könnte dennoch die Gemäßigte und die Linke der Demokraten zum Schulterschluss bringen. Damit kann die Partei auch ihren eigenen Zusammenhalt stärken."
"Kamala Harris beweist mit ihrer Entscheidung politischen Spürsinn", findet die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA: "Der Gouverneur von Minnesota ist weit entfernt vom klassischen Bild eines amerikanischen Liberalen, wodurch er das ultralinke Image der demokratischen Präsidentschaftskandidatin abmildert. Ein Beispiel ist Walz' Position zum freien Zugang zu Schusswaffen. Als Kongressabgeordneter lehnte er alle Versuche ab, den Zugang der Bürger zu Schusswaffen zu begrenzen. Erst nach der Schießerei an der Parkland High School im Jahr 2018 änderte er seine harte Haltung. Auch im wirtschaftspolitischen Bereich ist Walz weit entfernt vom Protektionismus, den Kamala Harris propagiert. Die Nominierung von Tim Walz als US-Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten richtet sich vor allem an die gemäßigt liberalen und gemäßigt konservativen Wähler der zentralen US-Bundesstaaten, die traditionell für republikanische Kandidaten stimmen. Das ist ein kluger Schachzug", vermerkt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die WASHINGTON POST aus den USA meint: "Die Entscheidung für Walz zeigt vor allem, dass es für Kamala Harris schwierig werden dürfte, die Mitte des Landes vom Stil und Inhalt ihrer Kampagne zu überzeugen. Walz ist ein ehemaliger Lehrer, der im Fernsehen wie ein Durchschnittsbürger aus dem Mittleren Westen wirkt. Er ist auch der liberalste der sechs Kandidaten, die Harris als Vizepräsidenten in Betracht gezogen hat. Sicherlich hat Harris mit ihrer Entscheidung nicht bewiesen, dass sie im Weißen Haus dem parteiinternen Druck von links widerstehen würde. Diese Botschaft hätte sie mit einem anderen Vize durchaus senden können. In taktischer Hinsicht liefert die Wahl ihren Gegnern nun eine klar definierte Zielscheibe: ein Duo, das zu einem abgehobenen Liberalismus neigt", befürchtet die WASHINGTON POST.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA bezweifelt, dass Walz eine kluge Wahl ist: "Es ist nicht sicher, dass ein Vizepräsidentschaftskandidat mit solch tendenziell linken Ansichten Harris eine große Zahl von Stimmen bringt. Vielmehr droht der Wahlkampf noch erbitterter zu werden. Schließlich steht Walz für all das, was Trump ablehnt."
Und das WALL STREET JOURNAL aus den USA wirft ein: "Die wahre Prüfung kommt erst noch. Insbesondere wird Walz' Reaktion auf die Unruhen von 2020 nach der Ermordung von George Floyd unter die Lupe genommen werden. Damals brannten arme Gegenden in Minneapolis und viele Geschäftsinhaber verloren alles. Zögerte Walz als Gouverneur, die Nationalgarde zu entsenden?"
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER zieht einen Vergleich zum Vizepräsidentschafts-Kandidaten der Republikaner, J.D. Vance: "Trump hätte mit Nikki Haley oder Marco Rubio konservativen Frauen oder sicherheitspolitischen Falken zeigen können, dass ein Erwachsener im Raum ist, der verstanden hat, dass Putin ein Gegner und kein Freund ist. Stattdessen entschied er sich für eine blassere Variante seiner selbst. Vance klingt wie Trump, wenn er alle Probleme der USA kinderlosen Katzenhalterinnen zuschiebt. Aber er hat kein Charisma und kein Teflon-Talent. Walz, der fähige Gouverneur aus Minnesota trägt also vielleicht wirklich dazu bei, dass Harris und er als normale Alternative erscheinen - und ein bisschen Langeweile ist womöglich das, wonach sich die USA-Wähler sehnen", gibt DAGENS NYHETER aus Stockholm zu bedenken, und soviel zu diesem Thema.
Die chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO blickt auf die Lage in Bangladesch nach der Flucht von Premierministerin Hasina: "Die vom Militär gebildete Übergangsregierung hat inzwischen die ehemalige Premierministerin Zia auf freien Fuß gesetzt, was als eine an die Opposition gerichtete Geste der Beschwichtigung zu werten ist. Ob sich die Lage nun wieder stabilisieren wird, hängt davon ab, wie die Oppositionsparteien darauf reagieren werden. Es bleibt abzuwarten, ob sie kompromissbereit sein und Nachsicht mit ihren politischen Gegnern üben werden. Ursachen für die allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung sind die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise infolge des Krieges in der Ukraine. Im Grunde genommen ist die Politik in Bangladesch seit 30 Jahren durch die Rivalität zweier mächtiger Familien mit jeweils einer Frau an der Spitze geprägt". Das war JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die lettische Zeitung DIENA aus Riga vermutet andere Ursachen der Unzufriedenheit, die am Ende zu den Massenprotesten geführt haben: "Die weit verbreitete Armut sowie zahlreiche Umweltprobleme sorgen dafür, dass die jungen Leute wenig Zukunftsperspektiven für sich sehen. Bangladesch ist es bislang nicht gelungen, seine traditionelle Rolle als Billiglohnland mit wenig ökologischer Produktion hinter sich zu lassen. Ein weiteres Problem ist, dass Bangladesch zwischen den Interessen vieler ausländischer Akteure wie Indien, China und den USA zerrieben wird, die alle ihre Position in der Region stärken und dort keinen weiteren geopolitischen Player sehen wollen. All diese Probleme kommen auf den nächsten Regierungschef zu, und es besteht wenig Hoffnung, dass sie sich so schnell werden lösen lassen. Damit sind weitere Proteste vorprogrammiert - und so ist auch kein Ende dieses Teufelskreises zu erkennen", stellt DIENA aus Riga fest, und damit endet die Internationale Presseschau. Redaktion: Inga Gebauer Sprecher/in: