09. August 2024
Die internationale Presseschau

Themen sind die ukrainischen Angriffe in der russischen Grenzregion Kursk, der geplante Terroranschlag auf Taylor-Swift-Konzerte in Wien sowie die Rückkehr des katalanischen Separatisten Carles Puigedemont nach Spanien.

Ein Panzer fährt auf einer Autobahn in der russischen Region Kursk.
Die ukrainische Offensive in der russischen Region Kursk ein Thema der internationalen Meinungsseiten. (picture alliance / Sipa USA / Kommersant Photo Agency / Anatoliy Zhdanov)
„Russland kann die Offensive in der Region Kursk nicht stoppen“, titelt die polnische GAZETA WYBORCZA und schreibt: „Offenbar haben die ukrainischen Truppen nicht die Absicht, das von ihnen besetzte Gebiet zu verlassen, denn sie graben sich ein und errichten Befestigungsanlagen – sie bereiten sich offenbar darauf vor, einen Stellungskrieg in Russland zu führen. Angesichts der Erfolge Russlands im Donbass zielt die ukrainische Operation möglicherweise nicht so sehr darauf ab, den Kreml zu zwingen, einen Teil seiner Truppen aus dieser Region zu verlegen - sondern vielmehr russisches Territorium zu erobern, um es bei künftigen Friedensverhandlungen austauschen zu können“, notiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN nennt mögliche Gründe für die ukrainische Offensive: "Russland hat die Fähigkeiten der Ukraine sicher unterschätzt und nicht damit gerechnet, dass die USA und Europa solch einen groß angelegten Angriff über die Grenzen hinaus erlauben würden. Die russischen Truppen hatten sich eher auf die Ostukraine konzentriert und die Region Kursk vernachlässigt. Kiew will die eigene Position bei den künftigen Verhandlungen verbessern. Dabei spielen auch die US-Präsidentschaftswahlen eine Rolle: Es ist zu befürchten, dass Donald Trump im Falle einer Wiederwahl der Ukraine schwierige Bedingungen stellt. Daher brauchte die Ukraine bis zum Herbst gewissen militärischen Erfolg, um ab dem Winter mit breiter Brust an den Verhandlungstisch zu gehen", erläutert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio,
"Die ganze Welt rätselt, was Kiew wohl bewegt", heißt es in der chinesischen Zeitung JIEFANG RIBAO. "Die russischen Truppen abzulenken und somit die Ostfront in der Region Donezk zu entlasten, kann eine Strategie sein. Möglicherweise werden die ukrainischen Truppen mit allen Mitteln versuchen, die Grenzregionen in Russland besetzt zu halten, um diese als Verhandlungsmasse zu nutzen. Die Vermutung liegt ebenfalls nahe, dass das Kernkraftwerk Kursk im Visier der Ukraine ist. Es ist aber zweifelhaft, ob die ukrainische Operation mit der vorhandenen Truppenstärke überhaupt gelingen kann", wirft JIEFANG RIBAO aus Shanghai ein.
Im ukrainischen KYIV INDEPENDENT vermerkt ein Gastkommentator: "Es reicht nicht aus, sich nur zu verteidigen. Es gilt, Russland mit Nachdruck zu signalisieren, dass die Ukraine nicht gezwungen werden kann, aus einer Verliererposition heraus zu verhandeln. Die einzige Realität, die zählt, ist die Realität auf dem Schlachtfeld. Das ist der Ort, wo Russland glaubt, den Krieg gewinnen zu können. Und es ist der Ort, an dem Russland davon überzeugt werden muss, dass es nicht gewinnen kann."
Die PRAWDA aus Moskau konstatiert: "Der Angriff wurde vom Feind lange und ausführlich vorbereitet. Die Gefahr wurde unterschätzt. Das Ziel der Operation besteht laut Militärexperten darin, weiter in das Gebiet einzudringen und das Atomkraftwerk Kursk zu erobern. Damit soll Moskau erpresst und gezwungen werden, sich an den Verhandlungstisch zu setzen."
"Putins Medien berichten erstaunlich breit darüber", schreibt die BASLER ZEITUNG aus der Schweiz: "Sie schenken dem Angriff auf Kursk viel Aufmerksamkeit, obwohl die russische Armee denkbar schlecht aussieht. Womöglich war die Sache zu groß, als dass man sie hätte totschweigen können. Womöglich möchte Putin sie auch für weitere Veränderungen im Verteidigungsministerium nutzen. Oder aber als Rechtfertigung für einen Vergeltungsschlag."
"So haben wir Putin noch nie gesehen - müde und enttäuscht", beobachtet die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT: "Die wahre Situation in Kursk stand Putin ins Gesicht geschrieben. Die Tatsache, dass ukrainische Truppen die Grenze überqueren konnten, zeigt, dass es ernsthafte Probleme in der russischen Struktur gibt. Der ukrainische Vorstoß in Kursk trifft Putin an einer schwachen Stelle. Wenn die Armee eines anderen Landes auf russischem Territorium steht, ist das für einen Oberbefehlshaber wie ihn ein schwerer Schlag und eine schmerzhafte Prüfung. Die Frage ist jetzt nicht, was die Ukraine tun wird, sondern was Putin antworten wird. Putin wartet. Vielleicht steht er noch unter dem Schock des Angriffs", meint MÜSAVAT aus Baku.
Nun zur Absage von drei Taylor-Swift-Konzerten in Wien wegen geplanter Terroranschläge. Zunächst ein Kommentar aus der norwegischen Zeitung DAGBLADET: „Konzerte gelten als ausgewiesene Terrorziele - nicht nur, weil viele Menschen auf einmal auf einem begrenzten Gelände zusammenkommen, sondern auch, weil Konzerte für Lebensfreude und Freiheit stehen. Der Popstar Ariana Grande musste 2017 erleben, wie ihr Konzert in Manchester Ziel eines Selbstmordanschlags mit 22 Toten wurde. Auch damals standen die Täter in Verbindung zum IS. Dasselbe war im März in Moskau der Fall, wo tadschikische Terroristen mindestens 137 Menschen töteten. Mit anderen Worten: Der IS ist noch nicht mausetot, und er greift dort an, wo wir besonders verletztlich sind - nicht nur physisch, sondern auch symbolisch. Solche Terrorpläne richten sich nicht gegen Künstler wie Taylor Swift als Person, sondern gegen das, wofür sie stehen", erklärt DAGBLADET aus Oslo.
DIE PRESSE aus Wien notiert: "Bunte, glitzernde, glückliche junge Menschen können islamistischen Extremismus ideell bekämpfen. Denn warum nur fällt die schreckliche Wahl der Terroristen derart oft auf Freizeitevents, auffällig oft Popkonzerte? Weil westliche liberale Gesellschaften hier offensichtlicht wie nirgends sonst den Sinn ihres Lebens zelebrieren. Nicht umsonst bezeichnet man Kunst und Kultur seit der Moderne als Religionsersatz".
Der österreichische STANDARD lobt die internationale Zusammenarbeit der Ermittler: "Offenbar ist das Vertrauen der ausländischen Dienste in die österreichischen Sicherheitsbehörden wiederhergestellt. Das Vertrauen war durch die Razzia in der Vorläuferorganisation des Verfassungsschutzes 2018 unter dem damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) schwer gestört worden. Kickl hatte - mit Beihilfe von Leuten die heute unter dem Verdacht der Spionage für Russland stehen - das Amt 'ausräuchern' lassen. Danach wollten etliche ausländische Dienste mit extrem rechten Putin-Freunden nichts mehr zu tun haben." So weit DER STANDARD aus Wien.
Der katalanische Separatist Carles Puigdemont ist nach seiner Rückkehr nach Spanien untergetaucht - trotz einer Großfahndung der Polizei. Die spanische Zeitung EL MUNDO findet die Ereignisse in Barcelona "inakzeptabel für eine gefestigte Demokratie": "Puigdemont hat den Staat, seine Vertreter, seine Institutionen und seine Bürger gedemütigt. Das ist ein überaus ernster Vorfall, und dahinter stehen ausgerechnet auch noch Kräfte, auf die sich die Regierung von Pedro Sánchez in Madrid stützt. Das zeigt, wie unverantwortlich es von den Sozialisten ist, den Staat gemeinsam mit einer Partei zu führen, die sich in Wahrheit gegen die Demokratie richtet. Es ist Staatsversagen, dass Puigdemont nicht gleich beim Grenzübertritt festgenommen wurde. Dieser Mann war sieben Jahre auf der Flucht, und nun ist der gegen ihn verhängte Haftbefehl nicht umgesetzt worden - das ist einfach nur unglaublich", moniert EL MUNDO aus Madrid.
Die polnische RZECZPOSPOLITA ist anderer Ansicht: "In Wirklichkeit war dies nur ein verzweifelter Versuch von Puigdemont, im Spiel zu bleiben. Am selben Tag ernannte das Parlament in Barcelona zum ersten Mal seit 20 Jahren einen Abspaltungsgegner, den Sozialisten Salvador Illa, zum Ministerpräsidenten Kataloniens. Die Separatistenbewegung hat sich gespalten, weil Teile von ihr nicht mehr glauben, dass eine offene Konfrontation mit Madrid zu einem unabhängigen Staat führen wird."