15. August 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren zum Verzicht des japanischen Premierministers Kishida auf eine erneute Kandidatur sowie zum russischen Krieg gegen die Ukraine. Zunächst geht es aber um die Lage im Nahen Osten.

Japan, Tokio: Fumio Kishida, Ministerpräsident von Japan, hält seine politische Rede während einer außerordentlichen Sitzung des Parlaments.
Japans Premierminister Kishida wird nicht mehr zur Wahl antreten. (Kyodo News/AP/dpa)
In Katar soll heute eine weitere Gesprächsrunde zur Entschärfung der angespannten Situation stattfinden. Dazu schreibt die russische Zeitung KOMMERSANT: "Israel hat nicht viel Vertrauen in den Erfolg der Diplomatie und bereitet sich auf einen Militärschlag des Iran vor. Vorgestern berichtete der Sender Press TV, die Islamische Republik könnte das Regierungsviertel Kiriya in Tel Aviv angreifen, wo sich das Hauptquartier des Mossad und der Generalstab des jüdischen Staates befinden. Es ist jedoch durchaus möglich, dass solche kriegerischen Botschaften ein Versuch Teherans sind, beim heimischen Publikum und regionalen Verbündeten im Irak, im Libanon und im Jemen das Gesicht zu wahren." notiert der KOMMERSANT aus Moskau.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM ergänzt: "Entscheidend für den Erfolg der Verhandlungen in Doha dürften die Positionen Israels und der Vereinigten Staaten sein. Die USA sind der Ansicht, ein Waffenstillstandsabkommen könnte einen ausgeweiteten regionalen Krieg verhindern. Vor allem wollen sie in diesen trotz ihrer engen Beziehungen zu Israel nicht hineingezogen werden. Doch ohne ernsthaften amerikanischen Druck auf Israels Ministerpräsident Netanjahu und seine Regierung, ein Waffenstillstandsabkommen abzuschließen, scheint es unmöglich, die Region aus dem Zustand eskalierender Spannungen zu befreien", meint AL AYYAM aus Ramallah im Westjordanland.
Die norwegische Zeitung ADRESSEAVISEN betont: "Die Friedensverhandlungen in Doha bieten die Chance, dass Waffen der Diplomatie weichen. Allerdings ist der Weg dorthin mit Hindernissen gepflastert. Das größte davon ist Netanjahu. Er hat sowohl vor als auch während des Kriegs systematisch eine Zwei-Staaten-Lösung unterminiert. Zudem erschwert er die Verhandlungen durch ständig neue Forderungen. Aber natürlich ist auch die Hamas ein Bremsklotz. Jedenfalls deutet nichts darauf hin, dass die Hamas und Israel von sich aus eine Einigung erzielen. Sie brauchen Hilfe, besser gesagt Druck seitens der internationalen Gemeinschaft. Hier kommt den USA eine Schlüsselrolle zu, denn sie versorgen Israel mit Waffen. Nur Diplomatie und mutige Führungsstärke können den Krieg beenden und eine weitere Eskalation verhindern", unterstreicht ADRESSEAVISEN aus Trondheim.
Die türkische Tageszeitung AKSAM sieht in einer Radikalisierung der israelischen Gesellschaft eine Bedrohung für den Friedensprozess: "Die Zunahme des Rassismus gegen Palästinenser im Besonderen und Araber und Muslime im Allgemeinen ist bemerkenswert. Insbesondere die Serie von Skandalen, die in den letzten Wochen in Israel aufgedeckt wurden, zeigt das Ausmaß dieser Radikalisierung. Von Misshandlungen ist die Rede, Gefangene sollen von einer Gruppe israelischer Soldaten gefoltert und vergewaltigt worden sein. In einer Umfrage des israelischen Fernsehens befürwortet die Mehrheit der Befragten diese Misshandlungen. Das ist das Ende der Menschlichkeit. Die Radikalisierung Israels, nicht nur durch Netanjahu oder seine Koalitionspartner, sondern durch die Mehrheit seiner Gesellschaft, ist ein ernstes gesellschaftliches Problem. Diese Radikalisierung bedroht eindeutig den Frieden und die Stabilität in der Region und in der Welt." bemerkt die AKSAM aus Istanbul.
Auch die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA blickt auf die Stimmung in Israel: "Es ist besorgniserregend und empörend, was Ende Juli in Israel geschah, als rechtsextreme Demonstranten die Freilassung von Soldaten forderten, die unter dem Vorwurf der sexuellen Misshandlung eines gefangenen Hamas-Terroristen festgenommen worden waren. Die Hamas hat grausame Verbrechen begangen. Sie quält immer noch zahlreiche israelische Geiseln im Gazastreifen, deren Gefangenschaft allein schon barbarisch ist. Israel hat also die unbestrittene Pflicht, sich zu verteidigen. Aber auch gegen diejenigen, die aus dem Inneren kommen und die kostbare Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Israels gefährden", gibt CORRIERE DELLA SERA aus Mailand zu bedenken.
Nun in die Ukraine. Die britische Zeitung THE TIMES merkt an: "Unabhängig davon, welche Entscheidungen die ukrainische Führung in den kommenden Tagen treffen wird, stehen die westlichen Mächte vor einer eigenen Herausforderung. Sie müssen entscheiden, ob sie sich wirklich für die Verteidigung der Freiheit der Ukraine einsetzen, komme was wolle, oder ob sie aufgeben und eine Demokratie an eine Tyrannei ausliefern wollen. Die Antwort kann nur Ersteres sein. Das bedeutet ein Ende des Zauderns und immer größere Unterstützung für die Kriegsanstrengungen der Ukraine", fordert THE TIMES aus London.
In der spanischen Zeitung EL PAIS aus Madrid ist zu lesen: "Der Krieg in der Ukraine ist in eine neue Phase getreten, die gleichermaßen unsicher wie hoffnungsvoll ist. Mit der Gegenoffensive in Russland ist die Ukraine ein großes Risiko eingegangen, und die Zielsetzung der Operation wirkt diffus. Aber es ist Kiew zumindest schon jetzt gelungen, die Dynamik der Kampfhandlungen zu verändern."
Die portugiesische Zeitung DIARIO DE NOTICIAS aus Lissabon wirft ein: "Russland hat in seiner Geschichte zwei besonders bekannte Invasionen erlebt: Anfang des 19. Jahrhunderts durch Napoleon und in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch Nazi-Deutschland. Gewiss erscheint es absurd, den Einmarsch ukrainischer Truppen in das russische Grenzgebiet Kursk oder auch die eroberten 800 Quadratkilometer mit der Größe der ukrainischen Gebiete zu vergleichen, die Russland eingenommen hat. Aber Kiew hat Moskau und seine Verbündeten vollständig überrumpelt."
Der japanische Premier Kishida verzichtet auf eine erneute Kandidatur für das Amt. Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO erklärt: "Kishida hat alles versucht, um seine Zustimmungswerte, die recht lange bei lediglich 20 Prozent lagen, zu verbessern. Doch er hat Wichtiges versäumt: Er hat nicht gewagt, die strukturellen Probleme der japanischen Wirtschaft anzugehen. Und er hat vernachlässigt, die guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu den asiatischen Staaten zu pflegen. Zu einseitig, zu amerikanisch orientiert war seine Außenpolitik ausgerichtet", urteilt JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
In der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio heißt es: "Bei jeder Wahl des Vorsitzenden der Regierungspartei LDP wird klar, dass Japan richtige politische Anführer fehlen. Das ist einer der Gründe für die Schwäche der japanischen Politik. Am Ende wird durch Machtkämpfe innerhalb der Partei ein nächster Premier gekürt. Voraussetzung für Anführer sind aber nicht nur Persönlichkeit, sondern auch Wertschätzung, Offenheit und Zielstrebigkeit."
Zum Abschluss der Presseschau noch eine Stimme zur Situation in Afghanistan drei Jahre nach dem Rückzug der USA und der westlichen Partner. Die dänische Zeitung INFORMATION bemerkt: "Heute ist Afghanistan im Großen und Ganzen zurück in dem prähistorischen Stadium, aus dem die Taliban 2001 verdrängt wurden, als die USA nach dem 11. September dort einmarschierten. Die Idee war, Afghanistan als Brutstätte des internationalen Terrorismus zu eliminieren, indem man einen westlichen demokratischen Staat aufbaut mit zentraler Verwaltung und gemeinsamen Institutionen. Dieses Modell hatte natürlich keinen Erfolg. Afghanistan war - und ist - ein Land, in dem sozusagen jede Talregion eine selbstständige Republik ist, meist regiert von einem örtlichen Emir oder einem Dorfrat. Heute sind die Taliban unangetastet an der Macht. Die Ruhe ist wiederhergestellt und das kritische Interesse des Westens ist verschwunden - es gibt ja genug zu tun in der Ukraine und im Gazastreifen." Das war INFORMATION aus Kopenhagen.