20. August 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen sowie die bevorstehenden Landtagswahlen in Deutschland. Zunächst geht es aber um den Parteitag der US-Demokraten in Chicago.

US-Präsident Biden winkt, während er von der Bühne geht. Hinter ihm Schilder an der Wand mit Herzen und den Worten "Thank you".
US-Präsident Joe Biden auf dem Democratic National Convention in Chicago, dem Parteitag der Demokraten. (AP / Jacquelyn Martin)
Zur Rede von US-Präsident Biden schreibt die NEW YORK TIMES: "Als die Zuschauer zum ersten Mal 'Thank you, Joe! Danke, Joe!' riefen, blickte Biden zu Boden und kämpfte mit den Tränen. Er wollte es vielleicht nicht zugeben, aber er wusste es: Sie dankten ihm, ja, für das, was er in seinem Leben als Politiker erreicht hat. Aber sie dankten ihm vor allem, seien wir ehrlich, dafür, dass er nicht wieder kandidiert."
"Biden wirkte erleichtert, als sei eine Last von ihm genommen worden", beobachtet die norwegische Zeitung VERDENS GANG: "Die Rede selbst folgte bekannten Mustern. Biden zählte seine Erfolge auf, sprach aber auch davon, wie oft Menschen an ihm gezweifelt hätten; wie er immer wieder abgeschrieben wurde und trotzdem zurückkehrte. Es gab auch Angriffe gegen Trump, aber sie bekamen deutlich weniger Beifall als das Lob für Harris. Das sagt eigentlich das Meiste über die Stimmung in der Demokratischen Partei aus: Sie kämpft lieber für als gegen etwas - und das ist der große Unterschied zu den Wahlen vor vier Jahren“, meint VERDENS GANG aus Oslo.
Biden hinterlasse im Hinblick auf die Wirtschaft ein positives Erbe, findet die brasilianische Zeitung O GLOBO aus Rio de Janeiro: "Die Arbeitslosigkeit ist niedriger als vor der Pandemie und auch andere Werte sind gut, allerdings decken sie sich nicht immer mit der Wahrnehmung der Wähler. Für Kamala Harris kommt es jetzt darauf an, ein Programm zu präsentieren, ohne in linken Populismus zu verfallen, denn damit würde sie Trump eine offene Flanke bieten, der sie als linksradikal bezeichnet.“
Die polnische RZECZPOSPOLITA vermerkt: "In den vier Wochen, die seit Bidens Rückzug vergangen sind, hat Kamala Harris etwas Außergewöhnliches geleistet. Der Wahlkampf ist wieder spannend. Der Effekt des Neuen lässt allerdings nach. Die Vizepräsidentin hat sich noch nicht an ein echtes Interview getraut, und die Debatte mit Trump steht noch in ihrem Terminkalender. Darin wird sie sich zu unbequemen Themen wie der Migrationspolitik oder dem flächendeckenden Preisanstieg verteidigen müssen", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
LA VANGUARDIA aus Barcelona hält fest: "Das Ziel des Parteitags der Demokraten in Chicago ist vor allem, Einheit in den eigenen Reihen zu demonstrieren. Bedroht wird diese von einem Thema: Dem Gaza-Krieg und der Haltung der USA dazu. Biden wird von vielen für die militärische Unterstützung der israelischen Regierung von Benjamin Netanjahu kritisiert. Die 40.000 Menschenleben, die die ständige Bombardierung des Gazastreifens durch Israel bereits gefordert hat, machen die Auswüchse klar. Die Opfer sind vor allem Kinder, Frauen und ältere Menschen", mahnt die spanische Zeitung LA VANGUARDIA.
"Für die Demokraten wäre es von Vorteil, wenn der Krieg auf die eine oder andere Weise vor der Wahl im November enden würde", glaubt die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau: "Andernfalls könnte Donald Trumo die Schwäche des Weißen Hauses ausnutzen. Er hat in den letzten Tagen wiederholt signalisiert, dass er das Blutvergießen definitiv stoppen würde – mehr noch: er behauptet, dass es unter seiner Präsidentschaft niemals zu einem Angriff der Hamas auf Israel gekommen wäre.“
Die israelische Zeitung HAARETZ bemerkt zum Stand der Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen: "Die Zeit für die Geiseln läuft ab. Das israelische Verteidigungsministerium schätzt, dass mehr als die Hälfte der Gefangenen nicht mehr am Leben ist. Während den Geiseln der Tod droht, streut Netanjahu der Öffentlichkeit Sand in die Augen. Der Versuch, das Abkommen so darzustellen, als sei Israel allein damit, Zugeständnisse zu machen, ist irreführend. Es ist an der Zeit, Ja zu einem Abkommen zu sagen - und es auch zu meinen", fordert HAARETZ aus Tel Aviv.
Anders sieht es ein Gast-Kommentator der JERUSALEM POST: "Eine starke militärische Reaktion ist der sicherste Weg, um die Befreiung der Geiseln zu erreichen. Wir wissen, dass es in diesem Konflikt letztlich um den Iran geht, der einer Herstellung von Atomwaffen beängstigend nahe ist. Leider ist die Biden-Regierung bei diesem Thema naiv. Sie ist nicht bereit, uns mächtige Offensivwaffen zu liefern. Die vielleicht erschütterndste nationale Lektion aus dem 7. Oktober ist daher, dass wir bei der Versorgung mit Waffen künftig so autark wie möglich sein müssen", argumentiert der Gast-Kommentar in der israelischen JERUSALEM POST.
Die in Hongkong erscheinende SOUTH CHINA MORNING POST sieht es so: "Wenn man westlichen Politikern von Brüssel bis Washington glaubt, entsteht eine neue 'Achse des Bösen'. Gemeint sind Russland, China, Iran und Nordkorea. Dabei ist es schwer, eine Gruppe von Ländern zu finden, die so wenig gemeinsam haben. Was wir tatsächlich sehen, ist, dass die einzige wirkliche Supermacht der Welt, die Vereinigten Staaten, dazu beitragen, den Nahen Osten in die Luft zu jagen. Während die Zahl der palästinensischen Todesopfer im Gazastreifen 40.000 übersteigt, verkaufen die USA Israel Waffen im Wert von mehr als 20 Milliarden US-Dollar", kritisiert die SOUTH CHINA MORNING POST.
Die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN aus Tokio blickt indes kritisch auf die Rolle Chinas: "China inszeniert sich erfolgreich als Versöhner und Vermittler in diesem Konflikt. Wenn China allerdings ernsthaft einen Frieden im Nahen Osten erreichen will, sollte das Land nicht nur seinen Druck auf die Palästinenser, sondern auch auf den Iran erhöhen."
Die arabischsprachige Zeitung AL ARABY AL-JADEED erläutert mit Blick auf eine drohende Eskalation zwischen Israel und dem Iran: "Von Anfang an war der Iran überzeugt, dass ihm der Gaza-Krieg eine strategische Gelegenheit bietet, als bedeutendster Partner der Palästinenser seine Verhandlungsmacht gegenüber Washington zu vergrößern und seine Position innerhalb der arabischen Gesellschaften zu stärken. Dafür, so nahm man in Teheran an, bräuchte man keinen großen Preis zu zahlen. Nun sieht man, dass dies ein Irrtum ist. Denn längst befinden sich der Iran und seine Bündnispartner in einem strategischen Dilemma: Eine Attacke auf Israel wäre mit einer erheblichen Reaktion des Angegriffenen verbunden. Bleibt ein Angriff aber aus, wäre dies für den Iran ein erheblicher Gesichtsverlust", befindet die Zeitung AL ARABY AL-JADEED, die in London erscheint.
Themenwechsel. Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo befasst sich mit den bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg und betont: "Vor diesen Wahlen gruseln sich viele. Die AfD ist so extrem, dass sogar andere europäische Parteien aus dem ultrarechten Lager auf Abstand gegangen sind. Und dann gibt es neben der Linken noch das BSW der Politikerin Sahra Wagenknecht. Alle drei haben als Zielgruppe Wähler, die mit dem ‚System‘ unzufrieden sind, und dabei geht es stets auch um das Erbe der DDR."
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG gibt zu bedenken: "Wer demokratische Landtagswahlen zu einem Belastungstest für die Demokratie erklärt, hat das Prinzip der Volksherrschaft nicht verstanden. Die AfD stellt, solange sie nicht verboten ist, ein legitimes Angebot in einer gefestigten Parteiendemokratie dar. Niemand muss, jeder darf sie wählen. Dass sie sich eines wachsenden Zuspruchs erfreut, liegt an der kümmerlichen Leistungsbilanz der Bundesregierung und an landesspezifischen Problemen etwa in Thüringen, wo die CDU seit fünf Jahren eine linke Minderheitsregierung stützt. Wahlen sind die klarste Botschaft des einzigen Souveräns in einer Demokratie, des Volkes. Wenn frei, gleich und geheim gewählt wird und die Gewaltenteilung funktioniert, gibt es keinen Anlass zu vorauseilender Panik."