Der Kommentator in der Zeitung THE GUARDIAN aus London findet den Wahlerfolg der AfD nicht überraschend: "Seit Jahren propagiert die AfD ein Narrativ der Intoleranz gegenüber Ausländern und Migranten als angebliche Bedrohung für die Sicherheit. Dieses Narrativ hat sich in einer breiteren Öffentlichkeit durchgesetzt, nicht zuletzt, weil es von liberalen, konservativen und einigen linken Politikern und Journalisten immer wieder aufgegriffen wurde. Die Wahlerfolge der AfD spiegeln die Strategie der liberalen Mitte, rechte Argumente aufzugreifen. Anstatt der extremen Rechten entgegenzukommen, wären Politiker und Medien in Deutschland gut beraten, sie wirklich zu isolieren. Gegenwärtig sind die politischen Forderungen fast aller etablierten Parteien zum Thema Einwanderung beunruhigend ähnlich, teilweise ununterscheidbar zu denen der AfD geworden", lautet die Feststellung des Kommentators im britischen GUARDIAN.
"Formelle und informelle Ausgrenzungsmechanismen tragen weder zur Mäßigung noch zur Schwächung der AfD bei", meint hingegen der Gastkommentator in der österreichischen Zeitung DIE PRESSE: "Wäre es nicht ein Zeichen der Souveränität, der AfD als der stärksten Partei parlamentarischen Gepflogenheiten gemäß das Amt der Landtagspräsidenten zu überlassen? Dies könnte zum Abbau des Freund-Feind-Denkens beitragen."
"Das Ergebnis der Wahlen ist brutal", heißt es in der polnischen Zeitung RZECZPOSPOLITA: "Die Parteien, die in Berlin die Ampelkoalition bilden, sind aus den Landtagen Thüringens und Sachsens nahezu verschwunden. Dies ist teilweise der Preis für die von der Regierung durchgeführten Reformen. Der russische Einmarsch in die Ukraine stellte das deutsche Wirtschaftsmodell auf den Kopf. Es basierte auf dem Import von billigem russischem Gas, auf dem 'Trittbrettfahren' in der NATO und dem Massenexport einheimischer Produkte in das autoritäre China. Und plötzlich funktionierten alle diese Motoren nicht mehr. Scholz stand daher vor der Notwendigkeit, eine epochale Veränderung einzuleiten. Dieser Umbau konnte nicht ohne Widerstand durchgeführt werden", analysiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz glaubt, die - Zitat - "triumphalen Erfolge der AfD sind nicht vom Himmel gefallen. Gewiss, es ist eine radikal rechte und illiberale Partei. Aber ihre Erfolge sind das Resultat eines Linksrucks des ganzen Landes, an dem die bürgerliche CDU mindestens so viel Anteil hatte wie die in Berlin regierenden Parteien. Es wäre natürlich anders gegangen. Die AfD hätte durch Einbindung gebändigt oder entzaubert werden können. Der Umgang der Schweiz mit der SVP ist ein schönes Beispiel. Die rechte Partei regiert das Land mit. Aber der politische Diskurs in Deutschland ist für diese Art des Pragmatismus zu festgefahren", lesen wir in der NZZ.
"Die Wähler in Thüringen und Sachsen haben nicht für Extremismus gestimmt", glaubt der Kommentator in der tschechischen Zeitung LIDOVE NOVINY aus Prag: "Ihre Entscheidung, die Regierungsparteien abzustrafen, wurde von konkreten Problemen beeinflusst. Zu nennen sind die zerfallende Infrastruktur in den Bereichen Verkehr, Gesundheitswesen und Schulen, die Probleme bei der Integration von Flüchtlingen und die - aus Sicht dieser Wähler - übertriebene Hilfe für die Ukraine. Daran ist nichts spezifisch Deutsches, Thüringisches oder Sächsisches."
"Was bedeutet das für Deutschland, wo kommendes Jahr eine neue Regierung gewählt wird?", lautet die Frage in der niederländischen Zeitung DE VOLKSKRANT: "Die CDU liegt zwar in den Umfragen mit einem Drittel der Stimmen vorn. Aber die extreme Rechte ist auf dem Vormarsch. Und Sahra Wagenknecht rüttelt mit ihrem Widerstand gegen die Ukraine-Hilfe an den Toren des Bundestages. Die strukturellen Verschiebungen in der deutschen Politik machen künftige Koalitionen bunter und zugleich instabiler. Deutschland kommt in der neuen politischen Realität an, die viele kleinere europäische Länder bereits erleben."
"Deutschland muss ein ernstes Gespräch mit sich selbst darüber führen, wie es seine Probleme lösen will", empfiehlt die Zeitung JYLLANDS-POSTEN aus dem dänischen Århus: "Denn momentan ist es leider auf dem Weg, in einer Situation zu enden, die an Großbritannien und Schweden erinnert, wo der Deckel vom Schnellkochtopf abgeflogen ist, weil er zu lange zu fest zugeschraubt war."
"Ein Grund für die Unzufriedenheit von großen Teilen der Bevölkerung sind die gestiegenen Lebenshaltungskosten", merkt die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai an: "So sind die Strompreise in Deutschland die höchsten weltweit. Und der desolate Eindruck der zerstrittenen Parteien der Regierungskoalition haben ihr Übriges dazu getan. Dennoch haben SPD, Grüne und FDP auch jetzt nichts Besseres zu tun, als sich gegenseitig die Schuld für das Wahldebakel zuzuschieben."
Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA aus Rom führt aus: "Die Koalition im freien Fall hilft weder Deutschland noch Europa. Ein verlängerter Todeskampf würde noch schwerere Folgen haben, nicht nur für die Bundesregierung, sondern für die Stabilität des ganzen Landes."
Die französische Zeitung LE MONDE aus Paris bilanziert: "Deutschland kann es sich nicht leisten, eine Partei weiter gedeihen zu lassen, deren rassistische Weltanschauung die Grundlagen der demokratischen Ordnung untergräbt, auf der das Land nach der Katastrophe des Dritten Reiches wieder aufgebaut wurde."
Die türkische Zeitung SABAH aus Istanbul blickt über Deutschland hinaus: "In den letzten Jahren sind die Rassisten in den europäischen Ländern, insbesondere auch in Frankreich und den Niederlanden, besonders stark geworden, und die Politiker der etablierten Parteien kopieren sie, um keine Stimmen an sie zu verlieren. Heute ist der Rassismus in Europa so dominant wie vor dem Zweiten Weltkrieg. Diesmal sind die Muslime und insbesondere die Türken die Feindbilder."
Und die lettische Zeitung NEATKARĪGĀ RĪTA AVĪZE aus Riga kommentiert: "Diese Wahlen sind auch für uns wichtig, denn sie zeigen eine bedrohliche Tendenz im größten EU-Staat. Die beiden Sieger AfD und BSW sind explizit pro Kreml und Putin. Wagenknechts Logik scheint zu sein: Wenn der Westen Putin erlaubt, die Ukraine zu schlucken, herrschen in Europa und auf der Welt Frieden. Und die AfD glaubt, Russland werde Deutschland sowieso nicht angreifen. Es sieht ganz so aus, als sei die Zeit des politischen Primitivismus angebrochen."
Hören Sie nun noch einige Kommentare zum Krieg im Gazastreifen. Die panarabische Zeitung AL ARABY AL-JADEED mit Sitz in London schreibt: "Der israelische Premier Netanjahu findet ständig neue Ausreden, um einen Friedensschluss zu verhindern - auch deshalb, weil er sich des amerikanischen Schutzes bewusst ist. Die USA üben keinen ausreichenden Druck auf Netanjahu aus. So dürfte der Krieg zu Israels Konditionen weitergehen."
Die Zeitung POSTA aus Istanbul hingegen misst den Protesten in Israel gegen die Regierung großes Gewicht bei: "Der Generalstreik weitet sich aus. Die Zahl der Demonstranten steigt von Tag zu Tag. Massenproteste im ganzen Land könnten es Netanjahu schwerer machen, seine Politik der Gewalt fortzusetzen."
Und die spanische Zeitung EL MUNDO wägt ab: "Die Gräben quer durch die israelische Gesellschaft sind groß. Die einen fordern Verhandlungen mit der Hamas, um eine Freilassung der Geiseln zu erreichen. Die anderen lehnen ihren Austausch gegen palästinensische Häftlinge ab und fordern eine Verdopplung der Anstrengungen zur Vernichtung der Terroristen. Trotz aller Differenzen muss auf eine Versöhnung des Landes hingearbeitet und die diplomatischen Anstrengungen müssen verstärkt werden, um ein Ende des Konflikts zu erreichen."