12. September 2024
Die internationale Presseschau

Themen sind: Die Generaldebatte im Bundestag, die zu einem Schlagabtausch zwischen Bundeskanzler Scholz und CDU-Chef Merz über die Migrationspolitik wurde und das Fernsehduell zwischen den Präsidentschaftskandidaten Trump und Harris in den USA.

Berlin: Friedrich Merz (CDU), CDU-Bundesvorsitzender und Unionsfraktionsvorsitzender, spricht neben Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) im Bundestag.
Kanzler Scholz und CDU-Chef Merz im Bundestag (Kay Nietfeld/dpa)
Zunächst ins Inland. "Die Nerven bei Scholz liegen blank, was kein Wunder ist", konstatiert die Wiener Zeitung DER STANDARD. "Egal was die Ampel vorschlägt, es reicht CDU und CSU niemals. Die Union fordert immer schärfere Lösungen, will nun alle Geflüchteten an der deutschen Grenze zurückweisen. Es ist nicht falsch, dass Merz Druck macht. Ohne diesen wäre die ohnehin strauchelnde Ampel weniger ambitioniert. Das ist die übliche und auch wichtige Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition. Aber der Grat zwischen Ambition und Aktivismus ist ein schmaler. Wenn Merz Deutschland abschotten will und nur noch die Bedrohung durch islamistische Attentäter vor Augen hat, dann vergisst er Werte, die CDU und CSU hochhalten: den freien Verkehr in Europa und ein christliches Weltbild", unterstreicht die österreichische Zeitung DER STANDARD.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG schreibt: "Friedrich Merz ist nicht Angela Merkel, im Gegenteil. Er bleibt stehen, wo sie umfiel. Allerdings ist Deutschland inzwischen auch ein anderes Land. Der migrationspolitische Sündenfall fand 2015 statt, als Bundeskanzlerin Merkel aus Angst vor hässlichen Bildern die bereits beschlossene Grenzschließung, die auch die Zurückweisung von Asylbegehrenden umfasste, im letzten Moment abblies."
Die geplanten Grenzkontrollen in Deutschland seien ein Zeichen politischer Ohnmacht, findet die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA: "Deutschland wird seit Jahren nicht mit der Migration fertig. Die Regierung von Olaf Scholz wackelt. Die rechtsextreme AfD hat dank ihrer einwanderungsfeindlichen Rhetorik die Landtagswahlen in Thüringen gewonnen und im benachbarten Sachsen den zweiten Platz belegt. Scholz rechnet mit einem psychologischen Effekt. Die Deutschen sollen sich durch die Einführung von Kontrollen umsorgt und sicher fühlen", unterstreicht die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT schreibt zu den geplanten Grenzkontrollen: "Der Schock war groß, als Deutschland die Kontrollen ankündigte, aber bei der Präsentation der konkreten Pläne stellte sich heraus, dass die Suppe doch nicht so heiß gegessen wird. Die meisten Autofahrer werden kaum betroffen sein. Die Kontrollen sind also in Wirkungsweise und Umfang begrenzt und bedeuten nicht das Ende von Schengen. Dennoch bewegt sich Deutschland auf gefährlichem Terrain. Auch die Nachbarländer könnten sich gezwungen sehen, Grenzkontrollen einzuführen", warnt DE VOLKSRANT aus Amsterdam.
Nun in die USA und zum Fernsehduell zwischen dem ehemaligen US-Präsidenten Trump und seiner demokratischen Herausforderin Harris. Die türkische Zeitung CUMHURIYET notiert: "Selbst unter den konservativen Kommentatoren herrscht allgemeiner Konsens, dass Kamala Harris die klare Siegerin dieser Debatte ist. Obwohl sie anfangs etwas steif war, übernahm sie schnell die Kontrolle und konnte ihr Wahlprogramm weitgehend erklären. Sie hat Trump in die Enge getrieben, insbesondere in den Bereichen Frauenrechte, Abtreibung und Außenpolitik. Trump hingegen tappte in alle Fallen, die ihm Harris gestellt hatte. Ob die Debatte den Wahlausgang beeinflussen wird, ist schwer zu sagen", analysiert CUMHURIYET aus Istanbul.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO lobt den Auftritt der demokratischen Kandidatin: "Harris Leistung in der Fernseh-Debatte war überzeugender als erwartet. Souverän hat sie ihre politischen Pläne vorgestellt und Trumps Angriffe gekontert. Der republikanische Kandidat schien inhaltlich nicht so gut vorbereitet zu sein. Er wiederholte die bekannten Behauptungen. Entscheidend für den Wahlausgang könnten die Krisen in Gaza und Ukraine sein", glaubt JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Ähnlich sieht es die NEW YORK TIMES: "Diese Debatte wird das Rennen wahrscheinlich nicht drastisch verändern; es wird wahrscheinlich seinen derzeitigen Schwung und Verlauf beibehalten. Dies spricht an und für sich für Harris. Das Rennen ist zu knapp, als dass es jetzt schon entschieden wäre. Aber am Dienstag war Harris die klare Siegerin. Trump hingegen hat keinen Zweifel an seinen Grenzen gelassen. Er hat vielleicht nicht sein Waterloo erlebt, aber er wurde mehrfach mit seiner Gegnerin konfrontiert."
Harris habe Trump immer wieder in die Defensive getrieben, meint die Zeitung LA PRENSA aus Panama-Stadt: "Man sah Trump regelrecht an, dass er sich unwohl fühlte, und er ließ sich zu einigen besondern missglückten Äußerungen hinreißen, beispielsweise zu Einwanderern, die Haustiere äßen. Niemand weiß mit Sicherheit, welche Auswirkungen das Fernsehduell auf den Präsidentschaftswahlkampf haben wird. Aber klar ist jetzt schon, dass Harris keine einfache Gegnerin für Trump sein wird. Und eine weitere Schlussfolgerung ist, dass es Trump bislang noch nicht gelungen ist, eine klare Position gegenüber Harris zu finden."
Nach Ansicht der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN hat die demokratische Anwärterin für das US-Präsidentenamt, Harris, viele Schwächen gezeigt: "Auf die Frage, ob sie glaubt, dass sich das Leben der US-Amerikaner im Vergleich zu vor vier Jahren verbessert hat, hat Harris nicht richtig geantwortet. Auch zum Hintergrund des Wechsels ihrer politischen Positionen konnte sie keine überzeugende Erklärung liefern. Es ist leicht, Gegner zu schlagen und Freunden Lächeln zu zeigen. Wenn Harris allerdings in den verbleibenden gut fünfzig Tagen ihren Sieg sichern will, braucht sie nicht nur den Vergleich mit ihrem Kontrahenten - sondern vielmehr ihre eigenen Worte, um ihre Politik und Ideen direkt und offen darzulegen", betont NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Das Fernseh-Duell habe viele Fragen offen gelassen, betont die US-amerikanische Zeitung STAR TRIBUNE: "Haben wir viel darüber erfahren, was jeder Kandidat tun würde, um das Leben der US-Amerikaner in wichtigen Brot-und-Butter-Themen zu verbessern? Nein. Haben wir viel darüber gelernt, wo Harris' sich entwickelnde Positionen zur Steuer-, Gesundheits- und Energiepolitik landen würden? Oder wie Trump seine Fixierung auf Diktatoren abschwächen, den Zugang zur Gesundheitsversorgung verbessern und Einwanderungsfragen Vorrang einräumen würde ? Nein. Der Präsident ist auch der Oberbefehlshaber. Daher war es gut, dass der Schwerpunkt mehr auf der Außenpolitik lag. Die Antworten auf die Krisen - wie etwa der Krieg im Nahen Osten - waren jedoch nicht aufschlussreich", kritisiert die Zeitung STAR TRIBUNE aus Minnesota.
Nach Einschätzung der Zeitung PRENSA LIBRE aus Guatemala-Stadt sollte man der Fernseh-Debatte nicht zu viel Bedeutung beimessen: "Beide Kandidaten wollten nicht nur ihre jeweilige Politik verteidigen, sondern auch um unentschlossene Wähler buhlen. Um sie zu überzeugen, braucht es Daten, Fakten, rationale Begründungen – und einen Schuss Emotion. Eine solche Fernsehdebatte ist aber nur Teil einer ganzen Abfolge von Ereignissen. Letztlich ist es jedoch irrelevant, ob jemand bei diesem Duell tatsächlich 'gewonnen' hat, denn viele Wähler entscheiden sich erst in letzter Minute – und zwar auf Grundlage der aktuellen wirtschaftlichen Situation."
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE widmet sich den Äußerungen des ehemaligen US-Präsidenten in dem Fernsehduell: "Trumps Schauergeschichte von Tötungen Neugeborener in demokratischen Bundesstaaten lässt einen die Müdigkeit dann vergessen. Running mate J. D. Vance bestätigte nach dem Duell zwar indirekt, dass die Haustiere-essenden Einwanderer ein weiteres Trump-Märchen seien, aber immerhin gelinge es so, die Sorge vor übermäßiger Zuwanderung zum Thema zu machen. Als Blick in eine mögliche Zukunft auch für Österreich war die Nacht gut investierte Zeit. Auch wenn an Schlaf danach nicht mehr zu denken war", ist in der Wiener PRESSE zu lesen, die angesichts der bevorstehenden Nationalratswahl in Österreich Ende September nichts Gutes erwartet.