20. September 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die von der EU angekündigten Finanzhilfen für die vom Hochwasser betroffenen Länder in Mittel- und Osteuropa. Zudem beschäftigen sich die Zeitungen weiterhin mit den Explosionen von Pagern und Funkgeräten im Libanon, die die militant-islamistische Hisbollah treffen sollten.

Teile eines Funkgerätes liegen auf einem Sessel im Libanon.
Viele ausländische Zeitungen kommentieren weiterhin die Serie von Explosionen im Libanon (Archivbild). (picture alliance / Anadolu / Suleiman Amhaz)
Die lettische Zeitung DIENA stellt fest, die Detonationen wurden offensichtlich "durch israelische Geheimdienste herbeigeführt, indem die Geräte vermutlich auf dem Weg von ihrer Produktionsstätte in den Libanon mit Sprengstoff versehen wurden. Die Idee ist freilich nicht neu, Lithium-Akkus zu ersetzen oder zu manipulieren. Mehrmals wurde diese Methode zu politischen oder auch kriminellen Zwecken eingesetzt. Aber dabei handelte es sich um Angriffe mit einem individuellen Ziel. Im Libanon kam es dagegen zu einem massenhaften Einsatz, der außerdem überaus effektiv durchgeführt wurde", notiert DIENA aus Riga.
Aus Angst vor einem Hackerangriff auf Mobiltelefone habe Milizenchef Hassan Nasrallah tausende Pager bestellt, betont die norwegische Zeitung DAGBLADET: "Die Marke stammt von einem Technologieunternehmen in Taiwan, das die Geräte aber angeblich nicht selbst produziert, sondern die Rechte an eine ungarische Firma abgetreten hat. Viele der explodierten Geräte gehörten führenden Hisbollah-Mitgliedern, und es wurden so viele von ihnen getötet oder verletzt, dass die Miliz militärisch geschwächt sein dürfte - und das gilt auch für ihre Kommunikation", glaubt DAGBLADET aus Oslo.
Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA widmet sich dem israelischen Geheimdienst Mossad, der hinter der Serie von Explosionen im Libanon vermutet wird. Dieser habe bereits "eine Reihe von Anschlägen im Iran durchgeführt, die alle darauf abzielen, das von den Ajatollahs gewünschte Atomprogramm zu bremsen. Das Schachmatt der Hisbollah könnte nun das Vertrauen der Israelis in die Sicherheitskräfte teilweise wiederherstellen, das nach dem Massaker vom 7. Oktober im Süden verloren gegangen war - auch wenn der Mossad zu den Institutionen gehört, die am wenigsten in diese Katastrophe verwickelt sind, weil der Gazastreifen nicht zu seinen zu überwachenden Gebieten gehört", hält CORRIERE DELLA SERA aus Mailand fest.
Die chinesischen Staatszeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai beobachtet: "Der israelische Verteidigungsminister soll den eigenen Geheimdienst sehr gelobt haben, er habe 'großartige Erfolge' erzielt, ohne die Explosionen im Libanon bei Namen zu nennen. Ist es ein Erfolg, wenn über 30 Menschen getötet und Tausende verletzt worden sind? Der Krieg im Nahen Osten tritt in eine neue Phase ein. Die Hisbollah scheint das Hauptziel von Israel geworden zu sein. Dieser Gegner ist militärisch jedoch nicht zu unterschätzen", mahnt JIEFANG RIBAO.
Die israelische Zeitung THE JERUSALEM POST geht ein auf die Rede des Chefs der libanesischen Hisbollah-Miliz: "Indem er ständig mit dem Finger auf Israel zeigt, lenkt Nasrallah die Aufmerksamkeit von jeder Selbstreflexion über sein eigenes Handeln ab. Dieses moralische Getue ist besonders ironisch, wenn man bedenkt, dass die Hisbollah in jüngster Zeit in Schmuggeloperationen und Drogenhandel verwickelt war, was in Untersuchungsberichten libanesischer Journalisten ausführlich dargelegt wurde. Während Nasrallah auf die 'Verbrechen' Israels hinweist, werden die eigenen dubiosen Geschäfte seiner Organisation stillschweigend unter den Teppich gekehrt. Es ist der alte Zaubertrick: Das Publikum soll nach drüben schauen, damit es nicht sieht, was hier passiert", analysiert THE JERUSALEM POST.
Die arabischsprachige Zeitung SHARQ AL-AWSAT spekuliert: "Man kann davon ausgehen, dass die israelische Führung die Aktion im Rahmen ihrer Vorbereitungen für einen Militärschlag gegen die Hisbollah durchführte, und zwar unter dem Vorwand, die nördlichen Grenzen des Landes zu schützen. Die Schlacht im Norden kann jeden Moment beginnen, daher provoziert Tel Aviv die Hisbollah mit allen Mitteln, um sie zu einer Reaktion zu drängen." So weit SHARQ AL-AWSAT, die in London erscheint.
Die schwedische Zeitung EXPRESSEN aus Stockholm gibt zu bedenken: "Der Angriff könnte sich nicht nur für die Hisbollah als verheerend erweisen, sondern auch für die Weltwirtschaft. Nicht nur die iranischen Marionetten haben jetzt jeden Grund, ihre Ausrüstung zu überprüfen. Regierungen sowohl in westlichen Ländern als auch in den Pulverfässern der Welt hat die Operation des Mossad gezeigt, wie verwundbar man ist, wenn man keine vollständige Kontrolle über seine Technologie hat - und das gilt für die gesamte Kette von der Produktion des kleinsten Mikrochip bis zur Auslieferung des fertigen Produkts", hebt EXPRESSEN hervor.
Nach Einschätzung der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN sind im Nahost-Konflikt nun zwei Szenarien möglich: "Erstens: Israel lässt alle Operationen zunächst ruhen. Dies könnte für die internationale Gemeinschaft eine Chance bedeuten, Israel und die Hamas wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Oder aber zweitens, für Israel waren die Detonationen eine Vorbereitung für künftige noch größeren Angriffe auf den Libanon. Möglicherweise will Premier Netanjahu die politische Situation in den USA für sich ausnutzen, in der Präsident Biden kurz vor den Wahlen nicht schnell auf die Nahost-Lage reagieren kann", folgert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Themenwechsel. Die polnische RZECZPOSPOLITA widmet sich dem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in Breslau, bei dem sie Finanzhilfen für die vom Hochwasser betroffenen Länder im Umfang von 10 Milliarden Euro angekündigt hat. "Drei Stunden: So viel hatte die Deutsche für ihr Treffen in der niederschlesischen Hauptstadt mit den Ministerpräsidenten Polens, Tschechiens und der Slowakei sowie dem österreichischen Bundeskanzler eingeplant. Die Zusammenkunft war vor allem dem polnischen Regierungschef wichtig, der die Verbesserung der Beziehungen zu Brüssel nach jahrelangen Dauerkonflikten mit der EU unter der PiS zu einem der Hauptziele seiner Rückkehr in die nationale Politik machte. Die Idee bestand darin zu zeigen, dass die europäische Zentrale in einer Situation, in der schnelle Entscheidungen gebraucht werden, nicht enttäuscht. Allerdings kann es riskant sein, übertriebene Erwartungen zu wecken. Belgien erholt sich immer noch von den Überschwemmungen vom Juli 2021", argumentiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die österreichische Zeitung DER STANDARD kritisiert, die noch amtierende Bundesregierung wolle das Hochwasserproblem "nach dem Modell Corona lösen: durch Zuschießen von viel Geld und Hilfen für Unternehmen. In flutbetroffenen Firmen soll Kurzarbeit möglich sein, sie sollen Steuererleichterungen und bessere Kreditbedingungen erhalten. Die Dotierung des Katastrophenfonds wird von 300 Millionen auf eine Milliarde Euro erhöht, ein Teil als Soforthilfe ausgeschüttet. Die Mittel für Hochwasserschutz werden aufgestockt. Doch die Politikerriege, die das beschließt, ist wahlbedingt nur noch kurz im Amt. Ob die, die ihr nachfolgt, all das umsetzt, ist nicht garantiert. Das birgt politischen Sprengstoff", mahnt DER STANDARD aus Wien.
Abschließend noch ein Kommentar zur Abschiedsrede von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der Anfang Oktober aus dem Amt scheidet. Die kremlnahe russische Zeitung KOMMERSANT schreibt, der Norweger "zog ein Fazit seiner Arbeit, erzählte über fünf gelernte Lektionen und gab den Verbündeten ein paar Geleitworte für die Zukunft. Nach Ansicht von Herrn Stoltenberg übergibt er die Allianz in die Hände seines Nachfolgers, des niederländischen Ex-Regierungschefs Mark Rutte, in einem besseren Zustand als je zuvor. In Moskau werden die Ergebnisse der Arbeit von Jens Stoltenberg völlig anders bewertet. Wie Dmitri Peskow, der Pressesprecher des russischen Präsidenten, sagte, hat Stoltenberg 'kurzsichtige und unprofessionelle' Schritte unternommen, indem er eine 'äußerst provokative und gefährliche Position' eingenommen habe", heißt es in der KOMMERSANT aus Moskau zum Ende der internationalen Presseschau.