Der Iran hat gestern Abend 180 Raketen auf Israel abgefeuert. Für die SALZBURGER NACHRICHTEN kommt der Angriff des Irans überraschend: "Experten hatten die Chancen auf eine solche direkte militärische Einmischung bis zuletzt als gering eingeschätzt. Entscheide der Iran vernünftig, so die Annahme, müsse er von einem Schlag gegen Israel absehen. Denn die Vergeltung dafür würde Teheran viel schwerer treffen. Aber die Vernunft regiert offensichtlich nicht in Teheran. Die Schmach, die der Verbündete im Libanon seit Wochen erleidet, musste getilgt werden", sind sich die SALZBURGER NACHRICHTEN aus Österreich sicher.
Für die israelische Zeitung HAARETZ "besteht kein Zweifel, dass Israel auf den massiven iranischen Angriff reagieren wird, und zwar mit aller Härte." Weiter heißt es: "Es sind erst wenige Tage vergangen, seit in Israel der Tod von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah gefeiert wurde, und schon hat sich die Lage völlig verändert. Wie so oft ist es unklug, sich mitten in einem langen Krieg gegen einen entschlossenen und unerfahrenen Feind in Siegesfeiern zu ergehen. Es wäre besser gewesen, mit dem Baklava zu warten", befürchtet HAARETZ aus Tel Aviv.
Die polnische GAZETA WYBORCZA ruft in Erinnerung: "Es ist nicht das erste Mal, dass die Iraner Israel angreifen. Im April diesen Jahres hatte der Iran bereits einen Angriff mit Hunderten Raketen und Drohnen gestartet. Damals war es – ebenfalls angekündigt – eine Reaktion auf die Ermordung dreier wichtiger iranischer Generäle durch die Israelis. Auch wenn zu dieser Zeit bereits ein großer Krieg in der Luft lag, behielten die Israelis einen kühlen Kopf. Sie reagierten mit kleinen, punktuellen Angriffen, die die Iraner glauben ließen, man sei quitt, daher kam es zu keiner weiteren Eskalation“, notiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Nun zur Analyse der britischen Zeitung DAILY TELEGRAPH: "Das Vorgehen Teherans hat den Anschein, dass der Iran eine Art Kompromisslösung anstrebt. Es greift Israel mit ausreichender Kraft an, um die schiitische Meinung im Inland und im Libanon zu beruhigen, ohne jedoch so viel Schaden anzurichten, der einen massiven israelischer Gegenschlag provozieren würde. Dennoch besteht die Gefahr, dass der Iran nichts von beiden erreicht hat: Nicht genug getan, um das Vertrauen der Schiiten in die Führung in Teheran wiederherzustellen, während er dem israelischen Premierminister Netanjahu einen Casus Belli gibt", warnt der DAILY TELEGRAPH aus London.
"Es wäre klüger gewesen, wenn Teheran nichts unternommen hätte, und zusieht, wie sich Israel erneut im Libanon festfährt", ist die italienische Zeitung LA STAMPA überzeugt: "Es ist einfach sinnlos, Gewalt gegen Gewalt auszuspielen, wenn der Gegner über überragende Fähigkeiten verfügt. Bisher konnte Teheran die Fehler der USA und Israels nur allzu gut ausnutzen - vom Krieg der USA im Irak 2003 bis zum Gaza-Krieg der Israelis. Aber vielleicht ist der Iran dieses Mal wirklich in die Falle getappt." Soweit LA STAMPA aus Turin.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN bemängelt: "Die internationale Gemeinschaft ist machtlos gegen die jüngste Entwicklung. Im 20. Jahrhundert waren die Kriege im Nahen Osten ein Spiegelbild der Konstellation des Kalten Kriegs zwischen den USA und der Sowjetunion. Heute sind die USA mit der eskalierten Lage überfordert. Mit einer vollen Beteiligung des Iran wird sich der Konflikt zwischen Israel und den Milizen zu einem zwischenstaatlichen Krieg entwickeln. Man muss nicht explizit erwähnen, dass das Chaos um den Persischen Golf dann auch der Weltwirtschaft einen heftigen Schlag versetzen würde. Der von Hass geprägte Schlagabtausch wird sich fortsetzen, solange die Palästinenserfrage nicht gelöst wird", meint NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
"Die Furcht vor einem Großkrieg in der Region ist dabei, Realität zu werden", schickt die norwegische Zeitung VERDENS GANG voraus, um dann wieder einzuschränken: "Aber das alles ist kein Automatismus. Als der Iran im April Israel mit Drohnen und Raketen angegriffen hat, fiel die Reaktion begrenzt aus. Vermutlich war das auch US-Präsident Biden zu verdanken, der Netanjahu um Zurückhaltung bat. Der Iran verzichtete danach auf einen Vergeltungsschlag. Auch diesmal bekam Israel Hilfe durch US-Truppen, und so konnten die meisten iranischen Raketen abgeschossen werden. Die USA wollen keine weitere Eskalation im Nahen Osten, aber wird Netanjahu auch dieses Mal auf Biden hören?", fragt VERDENS GANG aus Oslo.
Die in London erscheinende panarabische Zeitung AL QUDS AL ARABY geht auf die Bodenoffensive Israels im Libanon ein: "Aus Israel heißt es, bei dem Bodeneinsatz im südlichen Libanon handele es sich um eine Operation von begrenztem Charakter. Auch der israelische Einmarsch in den Südlibanon im Jahr 1982 sollte 'begrenzt' sein, dauerte dann aber 18 Jahre. Israel sollte bedenken, dass die Hisbollah-Kämpfer nun im direkten Kampf ihre Stärke beweisen könnten. Denn die jetzige Situation unterscheidet sich grundlegend von einer Auseinandersetzung auf der Basis von Kampfflugzeugen, Cyber-Krieg und künstlicher Intelligenz", betont AL QUDS AL ARABY.
Themenwechsel. Der TAGES-ANZEIGER aus Zürich hat das TV-Duell zwischen den US-Vizepräsidentschaftskandidaten, dem Demokraten Walz und dem Republikaner Vance, verfolgt: "90 Minuten lang beharkten sich beide alles in allem höflich, geradezu nett. Ohne persönliche Attacken, ohne Geschrei, nur unterbrochen von Werbepausen. Es ging um Fragen zweier Moderatorinnen zu den amerikanischen Klassikern wie Abtreibung und Immigration, aber auch zu aktuellen Krisen wie dem Krieg in Nahost und den Folgen des Hurrikans Helene. Am Ende lässt sich festhalten: Walz war nicht so gut wie Harris, der rhetorisch geübte Vance deutlich besser als Trump und schneidiger als der kumpelhafte Rivale", lautet die Einschätzung des Schweizer TAGES-ANZEIGER.
Die taiwanesische Zeitung LIANHE RIBAO bemerkt: "Der Demokrat Walz war deutlich nervöser als sein Gesprächspartner. Gleich die erste Frage über die US-Außenpolitik – ein Thema, mit dem er sich bislang wenig beschäftigt hat – hat ihn auf dem falschen Fuß erwischt. Danach fing er sich aber und kam in seinen eigenen Rhythmus. Vance hingegen schoss sich nur auf Kamala Harris ein und ignorierte dabei, dass bislang Joe Biden immer noch der US-Präsident ist", unterstreicht LIANHE RIBAO aus Taipeh.
Die australische Zeitung SYDNEY MORNING HERALD macht folgende Beobachtung: "Tatsächlich waren die Kandidaten so höflich und umgänglich, dass es sich manchmal wie eine Art Club gegenseitiger Wertschätzung anfühlte. Die Nettigkeiten kamen etwas überraschend: Immerhin haben sich Vance und Walz seit Wochen aus der Ferne gegenseitig beschimpft."
Die WASHINGTON POST bilanziert: "Dieser Ton lässt ein wenig Hoffnung für die politische Zukunft des Landes aufkeimen. Er gab den Amerikanern auch die Möglichkeit, die beiden großen Parteiprogramme nach ihren Inhalten zu bewerten. Hier hat Vance dem Populismus im Stile Trumps einen attraktiveren Anstrich verliehen. Walz hat dem nur gelegentlich energische Kritik entgegengesetzt."
Nach der WASHINGTON POST werfen wir zum Abschluss noch einen Blick in die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN: "In diesem Wahlkampf ist nichts wie früher. Er ist kurz und intensiv, und die Hauptkandidaten haben sich erst ein einziges Mal zu einer richtigen Debatte getroffen. Das verleiht dem Duell zwischen Walz und Vance ein größeres Gewicht. Es sieht so aus, als würde das die letzte direkte Debatte vor den Wahlen, und sie illustrierte die beiden Kampagnen, die beiden politischen Richtungen und die beiden Wege, die die USA nach den Wahlen einschlagen kann. Dass Harris und Walz gewinnen, ist längst nicht sicher, nach dieser Debatte aber auch auf keinen Fall ausgeschlossen", urteilt SYDSVENSKAN aus Malmö. Mit dieser Stimme endet die internationale Presseschau.