09. Oktober 2024
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren zum Krieg im Nahen Osten, zur Wirtschaftslage Chinas und zum neuen Generalsekretär der SPD. Aber zunächst nach Nahost.

Israelische Soldaten in und auf ihren Panzern.
Der Nahost-Krieg wird von vielen Zeitungen weltweit kommentiert. (AP / Baz Ratner)
"Der israelische Ministerpräsident Netanjahu trägt eine Verantwortung, der er sich bislang nicht stellen wollte", hebt die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER hervor. "Für die Militäraktion in Gaza mag es eine Rechtfertigung gegeben haben, aber nach zehntausenden Toten, unzureichender humanitärer Hilfe und der Zerstörung einer ganzen Region gibt es einige Fragen an die letztlich Verantwortlichen. Dass er Extremisten in sein Kabinett aufgenommen und ihnen auch noch die Verantwortung für das besetzte Westjordanland übertragen hat, sollte zudem ganz oben auf der Sündenliste des Premiers stehen."
Die NEW YORK TIMES hält dagegen. "Die Welt sollte hoffen, dass Israel seine Kriege gegen die Hamas, die Hisbollah und die Huthis gewinnt. Mit 'gewinnen' ist gemeint, dass Israel die Fähigkeit der Kriegsführung seiner Feinde so stark einschränkt, dass sie akzeptieren, dass ihren Interessen nicht mehr mit Kämpfen gedient ist. Diejenigen, die auf einen unabhängigen, freien und friedlichen palästinensischen Staat hoffen, sollten auch auf einen Sieg Israels hoffen. Ein Israel, das zulässt, dass die Hamas im Gazastreifen an der Macht bleibt, wird niemals das Westjordanland um der palästinensischen Souveränität willen aufgeben. Denn dort würde die Hamas auch die Macht übernehmen und ihre Strategie der Raketen und Tunnel in größerem Maßstab wiederholen." So weit der Kommentar in der NEW YORK TIMES aus den USA.
"Netanjahu hat die Anschläge vom 7. Oktober genutzt, um ein Ziel zu erreichen, das viel ehrgeiziger ist als die Vernichtung der Hamas", schreibt der Gastkommentator in der saudischen Zeitung ARAB NEWS. "Seine Pläne für den Gazastreifen und die dortige Bevölkerung sind wesentlich tiefgreifender als der Sieg über die Hamas. Was macht seine Besatzungsarmee sonst im Westjordanland? Das Ausmaß der Verwüstung, das die israelische Armee im Gazastreifen und in den Flüchtlingslagern im Westjordanland anrichtet, offenbart diese Absicht. Der neue Nahe Osten, den Netanjahu zu schaffen versucht, ist einer, in dem Israel die einzige Regionalmacht ist. In einer solchen dystopischen Welt kann Netanjahu das Westjordanland und den Gazastreifen annektieren und den Libanon und Syrien erobern", lesen wir in der saudischen Zeitung ARAB NEWS aus Dschidda.
Der Gastkommentator in der israelischen Zeitung HAARETZ meint dazu: "Die Katastrophe ist, dass jetzt in unserem Land eine Gewöhnung stattfindet. Nicht hinsichtlich der Angst vor einem Krieg mit dem Iran oder der Einsicht, dass der dritte Libanonkrieg keine kurze Operation mehr ist. Es geht um die Erkenntnis, dass Israel weiterhin eine Regierung hat, die es geschafft hat, die schlimmste Katastrophe in der Geschichte des Landes in eine lebensrettende Droge für sich selbst zu verwandeln." Sie hörten einen Gastkommentar in der Zeitung HAARETZ aus Tel Aviv.
Mit Blick auf die Hisbollah kommentiert die libanesische Zeitung AN NAHAR: "Wenn die Hisbollah bereits jetzt in militärischer Hinsicht so stark ist - wie stark wird sie dann erst in einigen Jahren sein? Auf Grundlage dieser Frage betrachtet Israel den Krieg mit der Miliz als existentiell. Und dies zu verkennen, war der große Fehler der Hisbollah wie auch der iranischen Führung. Beide nahmen an, der Krieg in Gaza würde nicht lange dauern, denn Israel sei nicht in der Lage, lange Kriege zu führen. Das war eine glatte Fehleinschätzung. Doch die Hisbollah kann aus dem Krieg nun nicht einfach aussteigen. Sie ist gezwungen, bis zum Ende zu kämpfen. Denn so will es ihre Führung in Teheran. Die fürchtet inzwischen um ihren Einfluss im Libanon und der Region", so die Einschätzung in der Zeitung AN NAHAR aus Beirut.
Eine Warnung vor Angriffen Israels auf Erdölanlagen im Iran lesen wir in der britischen Zeitung THE GUARDIAN. "Ein umfassender Krieg zwischen dem Iran und Israel könnte zur Schließung der Straße von Hormus führen. Ein Viertel aller per Tanker exportierten Rohöle wird auf dieser Route transportiert. Das wäre ein massiver Schlag für die Weltwirtschaft."
Und in der spanischen Zeitung ABC aus Madrid heißt es in einem Gastkommentar: "Experten weisen darauf hin, dass sich junge Israelis zunehmend nach friedlicheren Orten außerhalb Israels umsehen, während die jungen Palästinenser außen vor bleiben. Was sind das für Aussichten für junge Menschen? Es könnte daher sehr wohl passieren, dass Israel unter Netanjahu trotz Erfolgen im Krieg mit seinem Projekt einer Zukunft in Sicherheit scheitert – und das wäre wahrlich ein Pyrrhus-Sieg."
Angesichts schlechter Wirtschaftsdaten hat die chinesische Regierung ein umfangreiches Konjunkturpaket angekündigt. Die Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio blickt darauf mit Skepsis. "Bereits seit zwölf Jahren ist Staatspräsident Xi Chef der Kommunistischen Partei. Ein wirtschaftlicher Erfolg ist bislang ausgeblieben. Die Probleme in der chinesischen Immobilienwirtschaft sind kurzfristig nicht zu bewältigen und für Xi eine große Herausforderung. Mit den jüngsten Maßnahmen soll lediglich das gefährdete Ziel des diesjährigen Wirtschaftswachstums von fünf Prozent erreicht werden."
"Es bleibt unklar, ob fiskalische Anreize das Vertrauen der Anleger wiederherstellen können", fasst die britische FINANCIAL TIMES zusammen. "Die Pandemie, der Zusammenbruch des Immobiliensektors und die erneute Kontrolle der Geschäftswelt durch die Partei haben Schaden angerichtet. Aaditya Mattoo, Chefvolkswirt der Weltbank für Ostasien und den Pazifik, verweist auf seit langem bestehende strukturelle Probleme wie eine schnell alternde Bevölkerung und einen begrenzten sozialen Schutz. Es ist unwahrscheinlich, dass solche Probleme durch fiskalische Anreize angegangen werden können", mutmaßt die FINANCIAL TIMES, die in London erscheint.
Zum nächsten Thema. Auf den neuen SPD-Generalsekretär Matthias Miersch blickt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz: "Er bringt die notwendige Erfahrung für das Amt mit, gilt aber ebenso als unabhängiger Geist. Damit eröffnen sich für die gebeutelten Sozialdemokraten neue Möglichkeiten. Ein starker Generalsekretär, der nicht hauptsächlich über Talkshows kommuniziert, sondern auch nach innen wirkt, hat der SPD schon in der Vergangenheit gutgetan."
"Durch die Wahl von Miersch entstand größere Klarheit über die wahre Position von Bundeskanzler Scholz", heißt es in der russischen Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA. "Die SPD-Spitze glaubt, dass es Miersch gelingen wird, den Osten Deutschlands für die Partei zu gewinnen. Schließlich unterstützen die Spitzen der sozialdemokratischen Fraktion im Bundestag die Idee von Friedensverhandlungen mit Russland in der Ukraine-Frage. Mierschs Ernennung bedeutet, dass Scholz fest mit Ostdeutschland rechnet und versuchen wird, nach der Wahl 2025 erneut Kanzler zu werden“, lesen wir in der NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Abschließend ein Kommentar in der chinesischen Zeitung XINJINGBAO zur Verleihung des diesjährigen Physik-Nobelpreises an John Hopfield und Geoffrey Hinton: "Damit wurde nicht nur der Tatsache Rechnung getragen, dass die Künstliche Intelligenz in der Wissenschaft heute eine maßgebliche Rolle einnimmt, sondern auch, dass sie inzwischen in unseren Alltag Einzug gehalten hat. Beide Forscher ließen sich bei der Entwicklung künstlicher neuronaler Netze vom menschlichen Gehirn inspirieren. So brachten sie Computern bei, Daten auf die gleiche Weise zu verarbeiten, wie es unsere grauen Zellen tun. Dadurch können sich die Rechner ständig verbessern. Künstliche neuronale Netze können inzwischen selbstständig Schlüsse ziehen, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Mithilfe dieser bahnbrechenden Grundlagenforschung wird sich unsere Zivilisation zum Wohle aller immer weiter entwickeln", lautet die Einschätzung der in Peking erscheinenden Zeitung XINJINGBAO.