
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz nennt das Treffen außergewöhnlich: "Dass einzelne Staaten jetzt mit Rückführungsabkommen und der Auslagerung der Verfahren experimentieren, ist zu begrüßen. Niemand hat das Patentrezept. Es braucht den Mut, Neues zu probieren – und auch wieder zu kassieren, wenn es nicht hilft", bemerkt die NZZ.
"Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union leben in einer Traumwelt", urteilt das LUXEMBURGER WORT. "Schlimmer noch: Sie gaukeln ihren Wählern eine Traumwelt vor. Eine Welt, in der es magische Lösungen gibt, um das Migrationsphänomen an den Grenzen der EU per Knopfdruck zu stoppen. 'Rückführungszentren' “und Albanien-Modell lauten die letzten Variationen dieser kollektiven Illusion. Das Migrationsphänomen ist zu komplex, um es einfach outsourcen zu können", findet das LUXEMBURGER WORT.
In Italien hat ein Gericht die Prüfung der Asylanträge einer Gruppe von Migranten außerhalb der EU, nämlich in Albanien, für unzulässig erklärt. Die Zeitung LA REPUBBLICA konstatiert: "Es hätte genügt, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Oktober zu lesen. Die Aktion in Albanien wird allein von blindem Wahnsinn diktiert. Eine juristische, wirtschaftliche, humanitäre Selbstzerstörung. Das sollten die rechten Parteien, die in Rom an der Regierung sind, zur Kenntnis nehmen, anstatt gegen die Richter zu wettern", empfiehlt LA REPUBBLICA aus Rom.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT räumt Probleme bei der Abschiebung von Migranten ein: "Auch weil viele Länder ihre Bürger nicht zurücknehmen wollen. Hier muss Europa eine härtere Gangart einlegen, indem es unter anderem die Erteilung von Visa und Handelsvorteilen von einer entsprechenden Kooperation abhängig macht. Dafür sollten Möglichkeiten der legalen Migration erweitert werden. Dies ist auch notwendig, um einem alternden Europa zu helfen, Arbeitskräfte zu bekommen." Das war DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Themenwechsel. Bundeskanzler Scholz führt in der Türkei Gespräche mit Präsident Erdogan. Themen sind nach Einschätzung der türkischen Zeitung POSTA der Nahost-Konflikt, der Ukrainekrieg und die Migration. Dazu schreibt das Blatt: "Bisher hat sich die Führung in Ankara in der Migrationsfrage stets konstruktiv verhalten. Die Türkei hat bisher die schwere Last von Millionen Migranten weitgehend allein getragen. So kann es nicht weitergehen. Deshalb muss Europa eine führende Rolle bei der Suche nach einer Lösung der Kriege und Krisen im Nahen Osten und bei der Lastenteilung spielen. Es gibt Hoffnung auf einen Neuanfang mit Deutschland." Das war die Zeitung POSTA aus Istanbul.
Nach Einschätzung der türkischen Online-Zeitung T24 könnten Scholz und Erdogan auch über die militärische Zusammenarbeit der beiden Länder sprechen: "In Deutschland soll der Bundessicherheitsrat einige militärische Projekte mit der Türkei genehmigt haben. Jetzt geht es um den Verkauf von 40 'Eurofighter'-Kampfflugzeugen. Obwohl der US-Kongress dem Kauf von amerikanischen F-16-Kampfflugzeugen durch die Türkei zugestimmt hat, scheinen neue Probleme aufgetaucht zu sein. Es scheint, dass Deutschland in dieser Frage die Türkei nicht einfach fallen lassen kann", notiert T24 aus Istanbul.
Nun in den Nahen Osten. Die dänische Zeitung POLITIKEN bezeichnet die Tötung von Hamas-Chef Sinwar als "ultimative Rache" Israels. Letztlich sei dies aber nur Symptombekämpfung, meint die Zeitung aus Kopenhagen: "Das Blutbad in Gaza hat einen Hass befördert, der sich nicht wegbomben lässt - im Gegenteil, Bomben nähren ihn nur weiter. Netanjahu kann nach dieser Rache nicht länger der Frage ausweichen, was jetzt passieren soll. Israel muss entscheiden, wie es den Rahmen für eine friedliche Koexistenz mit einem überlebensfähigen Palästinenserstaat schaffen will. Aber auch die Palästinenser müssen neue Antworten für die Zeit nach der Hamas finden. Zuerst müssen die noch bis zu 100 Geiseln freigelassen werden, und danach müssen der Gazastreifen und das Westjordanland eine glaubwürdige politische Vertretung finden, die für die Palästinenser den Weg zu einem Frieden absteckt. Dafür wird internationale Hilfe nötig sein", zeigt sich POLITIKEN überzeugt.
Die in London erscheinende panarabische Zeitung AL ARABY AL-JADEED schreibt: "Zu hoffen wäre nun, dass Israel den Tod Sinwars als Anlass nimmt, seinen Militäreinsatz zurückzufahren. Zu befürchten ist aber, dass die rechten Kräften in der israelischen Regierung die Kämpfe zuvor noch einmal intensivieren werden, um das Bild des Sieges zu vervollständigen."
Auch der französische FIGARO macht sich Gedanken, was nun mit den Palästinensergebieten passiert: "Israels Premierminister muss entscheiden, wie es mit den Militäroperationen im weitgehend zerstörten Gazastreifen weitergehen soll. Netanjahu hat den 'Anfang vom Ende' des Krieges in Aussicht gestellt. Alle Verbündeten des jüdischen Staates ermutigen Netanjahu, die 'Gelegenheit' zu nutzen, um einen Waffenstillstand zu akzeptieren. Dies könnte den Austausch von Gefangenen begünstigen. Auch wäre das ein Anfang, eine politische Lösung für die Zukunft der palästinensischen Enklave in Betracht zu ziehen. Es ist jedoch bekannt, dass Netanjahu internationalen Druck nicht ernst nimmt - selbst wenn er von seinem unverzichtbaren Verbündeten den USA ausgeht", analysiert LE FIGARO aus Paris.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO bezweifelt, dass es zu einer Annährung der Konfliktparteien kommt: "Mit Sinwars Tod ist die Hamas nicht ausgelöscht. Gewalt gegen einzelne Kader löst nicht den Konflikt. Die Hamas kann immer noch auf neue Art und Weise Handeln und zugleich die Freilassung der israelischen Geiseln erschweren. Auf politischer Ebene ist die Aussicht auf Frieden in der Region noch düsterer geworden." Wir zitierten JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Auch für die japanische ASAHI SHIMBUN ändert der Tod Sinwars am Zustand der Hamas und damit am Konflikt wenig. In einem Gastkommentar heißt es: "Zwar ist die Tötung von Sinwar für die Hamas ein herber Schlag, allerdings nur was die Verwaltung von Gaza oder ihre militärische Führung betrifft. Dass Sinwar irgendwann durch Israel getötet wird, war für die Hamas mit ziemlicher Sicherheit im Bereich des Möglichen. Als Organisation ist sie aber mittlerweile gut aufgestellt. Die Hamas hat viele Erfahrungen im Konflikt mit Israel gesammelt. Sie wird den Verlust eines ihrer Anführer schnell verkraften. Deshalb dürfte Israels Premierminister Netanjahu eines seiner Ziele, die Vernichtung der Hamas, so nicht erreichen. Der Tod Sinwars wird auch auf die Verhandlungen für eine Waffenruhe kaum Folgen haben. Eine Feuerpause ist bislang vor allem wegen der Blockade (des Gazastreifens) durch Israel nicht zustande gekommen", erläutert ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Der britische ECONOMIST sieht das anders. Mit dem Tod Sinwars sei ein Ende des Konflikts nun möglich: "Sinwar ist es gelungen, dem jüdischen Staat den schwersten Schlag in seiner Geschichte zu versetzen. Israel hat mittlerweile große Schritte unternommen, um seine militärische Abschreckung wiederherzustellen - dafür aber hohe politische Kosten und Opfer in Kauf genommen. Der langjährige Krieg zwischen Israel und dem Iran ist noch nicht vorbei, und auch die Tragödie der staatenlosen Palästinenser ist es nicht. Dennoch gibt es einen Ausweg: ein gezielter israelischer Vergeltungsschlag gegen den Iran, Verhandlungen für einen Waffenstillstand im Gazastreifen und eine Deeskalation im Libanon. Der frühere Hamas-Chef Sinwar würde dies nicht gerne hören, aber sein Tod bietet Israel die Möglichkeit, einen Ausweg zu finden, der vielleicht zu einem Ende des Krieges führen könnte", hofft der ECONOMIST aus London.