29. Oktober 2024
Die internationale Presseschau

Im Fokus stehen mehrere Wahlen und ihre Folgen - in Georgien, Litauen und den USA.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán trifft in Georgien ein
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán trifft in Georgien ein (picture alliance / Anadolu / Mirian Meladze)
Die britische Zeitung THE GUARDIAN ruft die EU mit Blick auf die Parlamentswahl in Georgien zu einem überlegten Handeln auf: "EU-Ratspräsident Michel und US-Außenminister Blinken haben eine Untersuchung der angeblichen Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen gefordert, und mögliche Sanktionen werden wahrscheinlich beim nächsten Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs im November erörtert. Diese müssten jedoch sehr überlegt eingesetzt werden. Sonst könnte der Ost-West-Gegensatz größer werden, den die Partei 'Georgischer Traum' des Milliardärs Iwanischwili erreichen will. Während die Demonstranten am Montag in Tiflis auf die Straße gingen, traf Ungarns Regierungschef Orbán in der Hauptstadt ein, um Iwanischwili zu gratulieren. Es war ein düsteres Zeichen der Zeit", meint der GUARDIAN aus London.
"Orbans Verhalten stellt Brüssel und die anderen EU-Mitgliedstaaten vor ein ernsthaftes Problem", findet die französische Zeitung LE MONDE: "Eine Woche nach den für die EU-freundliche Führung in Moldau unsicheren Wahlen dürfen die Europäer nicht zulassen, dass die georgische Falle für sie zuschnappt. Wenn Europa das Land verliert, wird dies mit dem Segen von Viktor Orban geschehen."
"Orban weiß genau, dass er so eine Reise nicht machen darf als Regierungschef des Landes, das turnusmäßig den EU-Vorsitz innehat", stellt die ungarische Zeitung NEPSZAVA klar: "Warum tut er es dennoch? Was gewinnt er damit, dass er eilfertig eine fragwürdige Wahl zu legitimieren versucht? Zwei Tage lang handeln die Schlagzeilen von ihm. So viel ist sicher - aber genügt ihm das, um erneut den 'nützlichen Idioten' für den russischen Präsidenten Putin zu spielen? Bei dem kann er sich dafür bestenfalls einen Pluspunkt abholen, mehr wird nämlich die Hilfe Ungarns dem Kreml nicht wert sein", betont NEPSZAVA aus Budapest.
Die Schweizer Zeitung LE TEMPS aus Genf kritisiert eine ... "Destabilisierung und hybride Kriegsführung, die der Kreml seit dem Beginn der Invasion in der Ukraine betreibt. Wie hat die EU reagiert? Schwach. Sie fordert eine 'Untersuchung', um die Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten 'schnell, transparent und unabhängig' zu klären. Es braucht ein viel stärkeres Signal aus Brüssel."
Die türkische Zeitung SABAH erinnert: "Vergessen wir nicht, dass Georgien zerfallen ist, weil es 2008 im Interesse der USA in den Krieg mit Russland gezogen ist. Die USA und Europa haben damals Tiflis, das Südossetien und Abchasien verlor, nicht unterstützt. Seinem Schicksal überlassen, konnte sich Georgien erholen, als es sich aus der westlichen Einflusssphäre entfernt hat. Bei der Parlamentswahl am Wochenende errang die Partei Georgischer Traum einen historischen Sieg. Und das trotz aller westlichen Gegenpropaganda, politischen und wirtschaftlichen Interventionen. Georgien hat es geschafft, sich aus der Falle zu befreien, in die es durch den Westen geraten war", urteilt SABAH aus Istanbul.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA vertritt diese Ansicht: "Es gibt eine pragmatische Zurückhaltung, sich auf eine groß angelegte Konfrontation mit Russland einzulassen, insbesondere auf einen selbstmörderischen militärischen Zusammenstoß. Sprich: Niemand will das Schicksal der Ukraine wiederholen. Das bedeutet nicht, dass man mit Russland befreundet sein und auf Moskaus Seite stehen muss – aber es ist vorzuziehen, normale nachbarschaftliche Beziehungen zu Russland zu pflegen. Für Bewohner kleiner, wenn auch stolzer Länder ist die Logik durchaus verständlich", ist in der NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau zu lesen.
Ebenfalls am Wochenende gewählt wurde in Litauen. Dort haben die oppositionellen Sozialdemokraten auch die zweite Runde der Parlamentswahl gewonnen. Die Zeitung VERSLO ŽINIOS aus Vilnius kommentiert: "Das Ergebnis lässt sich so deuten, dass die litauischen Wähler eine Veränderung wollten, es aber auch keine allzu radikale Verschiebung von rechts nach links geben soll. Auch ist der Wunsch nach einer gewissen Harmonie zu erkennen, denn von Auseinandersetzungen wie in der Vergangenheit haben die Litauer die Nase voll. Sie wünschen sich nicht nur ein ruhigeres Leben, sondern vor allem mehr Berechenbarkeit", notiert die litauische Zeitung VERSLO ŽINIOS.
Die lettische Zeitung NEATKARĪGĀ RĪTA AVĪZE aus Riga fragt sich, was das Wahlergebnis für die Außenpolitik Litauens bedeutet: "In dieser Hinsicht können wir beruhigt sein, denn in Litauen gibt es keine nennenswerte politische Kraft, die eine Annäherung an Russland anstrebt. Auch gibt es in Litauen seit Jahrzehnten einen Wechsel zwischen konservativen und sozialdemokratischen Regierungen, die aber alle immer die Interessen ihres Landes über alles gestellt haben. Nach außen hin dürfte sich also auch dieses Mal nicht allzu viel ändern."
In den USA findet in einer Woche die Präsidentschaftswahl statt. Die norwegische Zeitung DAGBLADET befasst sich damit, warum mehrere amerikanische Zeitungen wie die WASHINGTON POST dieses Mal keine Wahlempfehlung aussprechen: "Das Besondere ist, dass die 'Enthaltung' so kurz vor den Wahlen kommt - und dass es sich um eine Anweisung der reichen Eigentümer handelt. Amazon-Gründer und 'Washington Post'-Besitzer Jeff Bezos hat keinen redaktionellen Hintergrund, aber wenn man berücksichtigt, wie sehr Robert Murdoch seine Macht nutzte, um Überschriften in Großbritannien und in den USA zu diktieren, erkennt man in englischsprachigen Ländern eine gewisse Tradition für eine solche Einmischung. Bezos hatte durchaus seine Auseinandersetzungen mit Trump, und deshalb wird auch darüber spekuliert, ob er Angst davor hat, dass Trump im Falle eines Wahlsiegs seine Macht gegen Bezos‘ Geschäftstätigkeiten nutzt. Die 'Washington Post' war einst die Zeitung, die den Watergate-Skandal aufdeckte - und jetzt wagt sie es nicht einmal mehr, einen möglichen künftigen Präsidenten zu verärgern", bemängelt das DAGBLADET aus Oslo.
Wegen der vielfach kritisierten Entscheidung hat der Eigentümer der WASHINGTON POST, Bezos, in einem Meinungsbeitrag Stellung genommen: "Eine Wahlempfehlung für einen Kandidaten hat keinen Einfluss auf den Ausgang einer Wahl. Kein unentschlossener Wähler in Pennsylvania wird sagen: 'Ich wähle jemanden wegen der Meinung von Zeitung xy'. Was die Wahlempfehlung tatsächlich bewirkt, ist der Eindruck der Voreingenommenheit. Der Eindruck der Nicht-Unabhängigkeit. Die Abschaffung dieses Formats ist eine grundsätzliche Entscheidung, und sie ist richtig", heißt es in einem Beitrag des Eigentümers der WASHINGTON POST, Bezos.
Zum Abschluss geht es noch um die nordkoreanischen Soldaten, die Berichten zufolge für Russland im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden sollen. Die Zeitung LIANHE ZAOBAO aus Singapur vermutet: "Durch diese Entscheidung hat sich das Risiko einer Eskalation und Ausweitung des Krieges massiv erhöht. Nach Geheimdienstinformationen von Kiew und Washington werden derzeit bis zu 12.000 nordkoreanische Soldaten und Offiziere in Russland für den Einsatz ausgebildet. Als Reaktion darauf könnte nun Washington den ukrainischen Streitkräften erlauben, Langstreckenwaffen gegen Ziele in Russland einzusetzen, oder in letzter Konsequenz gar NATO-Truppen zur Unterstützung der Ukraine dorthin entsenden", prognostiziert LIANHE ZAOBAO aus Singapur.
Die italienische Zeitung LA REPUBBLICA rechnet nicht nur mit einer Reaktion der USA, sondern auch vom nordkoreanischen Nachbarland Südkorea: "Seoul könnte neben der Entsendung von Spezialisten, die die nordkoreanischen Soldaten zum Überlaufen bewegen könnten, der ukrainischen Armee einen Teil seines riesigen Waffen- und Munitionsarsenals zur Verfügung stellen. Werden die Nordkoreaner in der Lage sein, die Ukrainer in die Knie zu zwingen? Unklar. Sie könnten aber die Verteidigung Kiews in Bedrängnis bringen."