06. November 2024
Die internationale Presseschau

Zentrales Thema sind die Wahlen in den USA, bei denen der Republikaner und ehemalige Präsident Trump nach Prognosen führender US-Medien gewonnen hat. Einige Online-Kommentare berücksichtigen das bereits.

Donald Trump spricht in der Wahlnacht auf einer Wahlparty und steht breit lächelnd an einem Rednerpult, im Hintergrund ist die US-amerikanische Flagge zu sehen.
Donald Trump ist Prognosen zufolge der neue Präsident der Vereinigten Staaten - das ist auch Thema in vielen Zeitungskommentaren aus dem Ausland. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Alex Brandon)
Die norwegische Zeitung DAGBLADET fasst es so zusammen: "Es ist ein solider Wahlsieg für Trump, wenn auch kein Erdrutschsieg. Man hatte bereits damit gerechnet, dass er die Wahlen gewinnen könnte. Überraschend ist dagegen, dass er auch insgesamt die meisten Stimmen bekommen hat, denn das hat er weder 2016 noch 2020 geschafft. Kamala Harris hat zwar mehr Stimmen unter den Wahlmännern gewonnen als andere Verlierer vor ihr, aber Trumps Sieg steht fest", notiert DAGBLADET aus Oslo.
Die WASHINGTON POST überlegt, warum so viele Menschen republikanisch gewählt haben: "Als sich die Wahlergebnisse zu einem kohärenten Bild zusammenfügten, schien die Botschaft vieler Wähler diese zu sein: Wir sind in Not. Wir sehen keine gute Zukunft für unsere Kinder. Wir werden für denjenigen stimmen, der den Alarm noch verstärken kann, selbst wenn wir wissen, dass er nicht wirklich für das Amt geeignet ist. Das erklärt vielleicht auch die klaffende Lücke zwischen den Ansichten vieler Menschen zu wichtigen Themen und ihrem Wahlverhalten. Die Amerikaner befürworten nach wie vor das Recht auf Abtreibung, haben aber für Kandidaten gestimmt, die diese Rechte wahrscheinlich nicht schützen werden. Viele wollen vernünftige Waffenkontrollen, haben aber Leute gewählt, die der Waffenlobby hörig sind", hält die WASHINGTON POST aus den USA fest.
Die britische TIMES führt das Scheitern der Demokraten auf Selbstüberschätzung zurück: "Woher diese Zuversicht, je näher der Wahltag rückte? Zum einen hatten sie das Gefühl, dass sich vor allem Frauen gegen Gesetze zur Einschränkung der Abtreibung auflehnen würden und auch, dass sie Trumps Machogehabe nicht mögen würden. Dieser Glaube an die Unterstützung der Frauen für Harris scheint fehl am Platz gewesen zu sein. Zudem hatten die Demokraten wohl gehofft, dass sich ihr engagierter Wahlkampf vor Ort - mit Freiwilligen, die von Tür zu Tür zogen, um Wähler zu überzeugen - als entscheidend erweisen würde. Möglicherweise haben sie diese Art des Wahlkampfs für wichtiger gehalten als sie letztendlich war", konstatiert THE TIMES aus London.
"Trumps zweite Amtszeit könnte spektakulärer werden als die zwischen 2016 und 2020", heißt es in der niederländischen Zeitung NRC: "Innerhalb seiner Republikanischen Partei hat er kaum noch Kritiker. In Verbindung mit der weitreichenden Immunität, die der konservativ dominierte Oberste Gerichtshof Trump im Juli gewährte, hält ihn praktisch nichts mehr davon ab, eine Grenzmauer zu bauen, Millionen illegaler Einwanderer zu deportieren, Handelsschranken zu errichten und vielleicht auch die angedrohten Vergeltungsmaßnahmen gegen seine politischen Gegner zu ergreifen. Hardliner in seiner Partei werden zudem noch strengere Abtreibungsgesetze und drastische Änderungen im Bildungswesen anstreben", erwartet NRC aus Amsterdam.
Der SYDNEY MORNING HERALD aus Australien findet harte Worte: "Wenn George Washington der Vater der amerikanischen Demokratie war, dann hat Donald Trump sich als ihr Bestatter beworben - und ist nun in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen."
Die chinesische Zeitung MINGPAO mit Sitz in Hongkong stellt klar: "Zum ersten Mal zieht nun ein verurteilter Schwerverbrecher ins Weiße Haus ein. Der Leuchtturm der Demokratie, als den sich die Vereinigten Staaten bislang gesehen haben, ist endgültig verloschen. Gleichzeitig droht nun nicht nur China, sondern auch der EU ein erneuter Handelskrieg mit Washington."
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA fragt sich, wie die transatlantischen Beziehungen unter einem neuen Präsidenten Trump aussehen könnte: "Trumps einstiger Vizepräsident Pence hatte noch versichert, das Bündnis zwischen Europa und den USA sei untrennbar. Doch diese Haltung dürfte der Vergangenheit angehören, da Trump im Wahlkampf offen den Sinn der NATO in Frage gestellt hat. Trumps aktueller Vize J.D. Vance sagt im Grunde: Sicherheit ja, aber nur für diejenigen, die zahlen. Und darüber hinaus decken sich Vances Vorstellungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine im Wesentlichen mit den Forderungen Putins: Russland werden die besetzten ukrainischen Gebiete überlassen, Kiew wird zur Neutralität gezwungen und der Wiederaufbau des vom Krieg zerstörten Landes wird auf Europas Schultern gelegt. Es kommen unruhige Zeiten", warnt die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG glaubt, insbesondere Deutschland sei auf eine weitere Amtszeit Trumps nicht vorbereitet: "Die deutsche Regierung hatte alles auf einen Sieg von Harris gesetzt. Das war ein Fehler. Trumps Sieg offenbart nun schonungslos die Versäumnisse der deutschen Regierung. Die Amtszeit Joe Bidens hätte diese nutzen müssen, um sich unabhängiger von den USA zu machen. Stattdessen hat sie die vergangenen vier Jahre verschlafen. Das gilt insbesondere für die deutsche Verteidigungspolitik. Schließlich konnte man sich stets auf die Schutzmacht USA verlassen. Aber sollten die USA unter Trump ihre Hilfen für die Ukraine reduzieren und sich weniger in der Nato engagieren, wäre Bundeskanzler Scholz Europas wichtigster Mann in Sachen Verteidigung – und müsste diese Führungsrolle auch ausfüllen. Bisher verhält er sich jedoch nicht so", stellt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz fest.
Die dänische Zeitung POLITIKEN erinnert, dass der neue US-Präsident sich auch mit den Krisen im Nahen Osten auseinandersetzen muss: "Die größte Herausforderung für die USA ist aktuell das iranische Atomprogramm. Mittlerweile erklärt der Iran von sich aus, dass er kurz vor dem Bau einer Atombombe steht. Wenn die USA dies verhindern wollen, müssen sie das jetzt tun. Der neue Präsident wird sich auch mit dem Krieg im Gaza-Streifen auseinandersetzen müssen. Wird es einen Waffenstillstand und einen neuen palästinensischen Rat geben, der dann auch die Regierung in Gaza übernimmt? Dann wird auf dem Tisch im Oval Office zusätzlich ein gelber Zettel mit der Frage liegen, wer den Wiederaufbau in Gaza bezahlen soll. Der Nahe Osten hält noch mehr Fragen parat. Soll das Assad-Regime in Syrien weiter boykottiert werden? Sollen sich die USA damit abfinden, dass die Huthi Handelsschiffe im Roten Meer angreifen und damit den Welthandel gefährden?", fragt POLITIKEN aus Kopenhagen.
Zum Schluss noch nach Israel. Dort hat Ministerpräsident Netanjahu seinen Verteidigungsminister Gallant entlassen. Die israelische JERUSALEM POST erläutert: "Gallant galt als Stützpfeiler der israelisch-amerikanischen Beziehungen und ist in der Öffentlichkeit sehr beliebt, aber er und Netanjahu waren in wichtigen militärischen und politischen Fragen geteilter Meinung – etwa beim Geiselabkommen. Die Feindseligkeit zwischen den beiden Männern bestand aber bereits vor dem Krieg. Letztes Jahr hatte Netanjahu schon einmal versucht, Gallant zu entlassen, machte aber einen Rückzieher, nachdem öffentliche Proteste zur Unterstützung von Gallant das Land lahmgelegt hatten. Auch nach diesem zweiten Versuch drohen Proteste", beobachtet die JERUSALEM POST.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN analysiert die Gründe für die Personalentscheidung: "Gallant hatte sich auch dafür eingesetzt, die bisher nicht einberufenen ultra-orthodoxen Juden zum Militärdienst zu verpflichten. Netanjahu nimmt aber Rücksicht auf die ultraorthodoxen Parteien in seiner Regierungskoalition, ohne die er politisch nicht überleben könnte. Für die Entlassung Gallants spielte dieses politische Kalkül wohl eine große Rolle. Mit Gallants Nachfolger Katz, der ebenfalls enge Beziehungen zu den Ultrarechten pflegt, kann Netanjahu nun seinen autoritären Kurs leichter durchsetzen. Eine Waffenruhe dürfte damit noch schwieriger zu erreichen sein", befürchtet ASAHI SHIMBUN aus Tokio. Und damit endet die Internationale Presseschau.