05. Dezember 2024
Die internationale Presseschau

Die Zeitungen beschäftigt weiterhin die Lage in Südkorea und in Syrien. Ein beherrschendes Thema aber ist der gestrige Regierungssturz in Frankreich.

Michel Barnier in der Nationalversammlung
Die Regierung des französischen Premierministers Michel Barnier ist durch ein Misstrauensvotum in der Nationalversammlung gestürzt worden. (picture alliance / dpa / MAXPPP / Le Parisien / Arnaud Journois)
Die Zeitung LE FIGARO aus Paris kommentiert: "Es gab keinen Zwang, das Parlament am Tag nach den Europawahlen aufzulösen; jetzt muss man auch bereit sein, alle Konsequenzen zu ziehen. Der Aufruf zur Klärung hat nichts anderes bewirkt, als den Blick zu schärfen: für ein gespaltenes Land und für politische Gruppierungen mit ihren egoistischen Reflexen. Der Ruf nach demokratischem Ausdruck führte letztlich nur zu einer beispiellosen institutionellen Blockade. Für unser Volk stellt sich die Frage, welche Spielregeln noch Lust machen würden, gemeinsam zu spielen. Denn in Wahrheit ist das zerrüttete, unversöhnliche politische Leben in Frankreich nur ein Abbild der besorgniserregenden Entwicklung unserer gesamten Gesellschaft." Sie hörten einen Kommentar in der französischen Zeitung LE FIGARO.
Der STANDARD aus Österreich warnt: "Nach den verpatzten Neuwahlen im Juni und dem Regierungssturz dieser Nacht läuft alles auf einen baldigen Machtantritt politischer Extremisten in Paris hinaus: Marine Le Pen auf der Rechten oder Jean-Luc Mélenchon auf der Linken. Der französische Präsident erkennt nicht, wie unpopulär und politisch isoliert er ist. Er müsste einen verantwortungsvollen Nachfolger oder eine Nachfolgerin aufbauen, er müsste die moderateren Parteien in eine Allianz führen. Nichts von dem geschieht."
"Während Emmanuel Macron zwei Monate brauchte, um Michel Barnier zu nominieren, muss er dieses Mal schneller einen Ersatz finden", lautet die Einschätzung in der britischen FINANCIAL TIMES. "Jede Verzögerung birgt das Risiko, ihn schwach aussehen zu lassen und die Finanzmärkte weiter zu verunsichern. Ein längerer Stillstand könnte auch die Forderungen nach einem Rücktritt Macrons und vorzeitigen Präsidentschaftswahlen lauter werden lassen."
"Barniers Regierung ist nur oberflächlich am Sparhaushalt gescheitert - die Krise in Frankreich ist viel tiefgründiger", lesen wir in der chinesischen Zeitung XINJING BAO. "Die alte stabile politische Struktur aus zwei großen Parteien ist zusammengebrochen. Entstanden sind der rechtsextreme Rassemblement National, die linke Neue Volksfront und eine politische Mitte, die immer unbedeutender zu werden droht. Das sinnlose Gegeneinander zwischen den Parteien und die Radikalisierung der politischen Kräfte blockieren das Land und schaden den Franzosen."
Der Gastkommentator in der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN erwartet eine lange politische Krise. "Bei der Bildung des Kabinetts Barnier vor drei Monaten soll der Rassemblement National zugesichert haben, nicht für ein Misstrauensvotum zu stimmen. Dieses Versprechen wurde nun gebrochen. Präsident Macron ist selbst schuld - er hat mit der Parlamentsauflösung Wind gesät und erntet jetzt Sturm. Theoretisch ist zwar eine erneute Ernennung Barniers möglich, aber dadurch würde das Parlament ignoriert. Es ist zu befürchten, dass die Krise in Frankreich monatelang dauern wird."
Nach dem Sturz der Regierung könnte Macron ein Kabinett aus Technokraten ernennen, meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz. "Was in Italien schon mehrmals vorkam, wäre für Frankreich ein Experiment. Aber es scheint die beste Lösung zu sein. Denn die letzten Monate haben gezeigt, dass die dominanten Parteien nicht bereit sind, sich im Interesse des Landes zusammenzuraufen und Kompromisse einzugehen. Frankreich muss sparen und funktionieren, nicht nur für seine Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für Europa."
Zu möglichen Folgen für die EU schreibt die portugiesische Zeitung PÚBLICO: "Die beiden extremen Kräfte vereinten sich mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen. In der Parlamentsdebatte, die der Abstimmung über das Misstrauensvotum vorausging, griffen sie sich gegenseitig heftig an, nur um am Ende gemeinsam abzustimmen. Dies ist das besorgniserregendste Zeichen für die zweite Krise der Demokratie, die durch den Radikalismus auf der linken und rechten Seite gefangen ist, ohne dass die politische Mitte eine Mehrheit bilden konnte. In Deutschland ist die Krise nicht weniger ernst. Kann die Europäische Union funktionieren, wenn ihr politisches Zentrum in der Krise steckt?", fragt PÚBLICO aus Lissabon.
Nun zur Krise in Südkorea. Die brasilianische Zeitung FOLHA DE SÃO PAULO fasst zusammen: "Südkorea verbindet man heute mit technologischer Innovation, starker Industrie oder einem hohen Ausbildungsniveau und weniger mit Staatsstreichen, Kriegsrecht oder Militär auf den Straßen. Die Institutionen des Landes haben sich als stark genug erwiesen, um den bizarren Putschversuch von Präsident Yoon abzuwenden. Die rasche Wiederherstellung der Institutionalität zeigt, wie widerstandsfähig die junge südkoreanische Demokratie ist: Der Rechtsstaat hat seine Probe bestanden", betont FOLHA DE SAO PAULO.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER aus Stockholm erinnert: "Die südkoreanische Demokratie ist erst ein paar Jahrzehnte alt, denn bis 1988 wurde das Land von einer Militärjunta regiert. Vielleicht fielen die Reaktionen auf Yoons Vorgehensweise deshalb so heftig aus, selbst innerhalb der eigenen Partei. Die Menschen erinnern sich noch, wie es ohne demokratische Freiheiten und Rechte war, und in diese Zeit will man nicht zurück!"
"Die Folgen sind verheerend ", meint die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO aus Shanghai. "Die Bürger sind verunsichert. Die Landeswährung ist auf einem Zwei-Jahres-Tief gegenüber dem US-Dollar gefallen. Kann der Präsident nach diesem Manöver noch im Amt bleiben? Seine Zustimmung beim Volk liegt seit langer Zeit ohnehin unter 20 Prozent. Seine Regierung hat im Parlament keine Mehrheit. Dieser Streich könnte Yoons Präsidentschaft frühzeitig beenden."
Abschließend zum Kampf islamistischer Rebellen gegen die Armee von Machthaber Assad in Syrien. "Die Gewalt zeigt, wie sehr sich das internationale Kräfteverhältnis in dem Land verändert hat", analysiert die panarabische Zeitung AL ARABY AL-JADEED. "Am bedeutsamsten ist wohl der Umstand, dass Russland einen großen Teil seiner militärischen Mittel abgezogen hat. Allerdings hat es dies durch den Einsatz der verbliebenen Flugzeuge geschickt kaschieren können. Zugleich scheint es, als hätten sich die Türkei und einige Golfstaaten zusammengetan, um den russischen Präsidenten Putin dazu zu bewegen, langfristig den Rückzug des Iran aus Syrien hinzunehmen. Denn klar ist, dass Syrien so lange in einer unlösbaren Pattsituation steckt, bis der Iran abzieht. So zeigt der Krieg auch, wie machtlos Assad längst ist."
"Wieder einmal ist deutlich geworden, wie zersplittert Syrien ist", lesen wir in der finnischen Zeitung HELSINGIN SANOMAT. "Für Diktator Assad bedeutet der Fall von Aleppo einen Prestigeverlust. Für ihn ist die Hilfe aus Russland eine Lebensversicherung, obwohl es auch ein Prestigeverlust für Putin wäre, wenn das syrische Regime stürzen und Russland seinen Marinestützpunkt am Mittelmeer verlieren würde. Eigentlich hofft Europa auf einen Sturz Assads, aber im Nahen Osten hat man lernen müssen, dass auf das Schlimmste immer etwas noch Schlimmeres folgen kann. Dazu würde ein erneuter Vormarsch des Islamismus gehören - aber es droht auch eine neue Flüchtlingswelle", lautet die Befürchtung in HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki.
Und die tschechische Zeitung PRAVO fasst zusammen: "Man sagt zwar, dass der Feind unseres Feindes unser Freund ist, aber in diesem Fall gilt das nicht. Wir sollten uns daran erinnern, was uns die westliche Unterstützung für die Mudschahedin in Afghanistan eingebrockt hat. Auf die Freude, wie sie den Sowjets einheizten, folgte schnell der Schock über die Taliban-Bewegung, die der Terrorgruppe Al-Kaida Unterschlupf bot. Assad ist sicher kein Unschuldslamm. Doch es gibt keinen Grund, sich über den Vormarsch der Islamistengruppe zu freuen", heißt es in der Zeitung PRAVO, die in Prag erscheint.