07. Dezember 2024
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Daneben geht es um Rumänien, wo das Verfassungsgericht die Präsidentschaftswahl annulliert hat. Im Mittelpunkt steht jedoch der Vormarsch islamistischer Milizen in Syrien.

Mehrere syrische Kämpfer stehen auf einem Geländewagen. Einer hält in der rechten Hand ein Maschinengewehr.
Syrische Oppositionskämpfer in der Stadt Hama - die Lage in dem Bürgerkriegsland ist ein Thema in den ausländischen Zeitungen. (Ghaith Alsayed / AP / dpa / Ghaith Alsayed)
Die chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO analysiert, wie sich die Lage weiter entwickeln könnte: "Sollten die syrischen Rebellen auch die strategisch wichtige Stadt Homs einnehmen, wäre die Hauptstadt Damaskus unmittelbar gefährdet. Und dieses Szenario ist momentan nicht unrealistisch, auch wenn mit hartem Widerstand der Assad-Truppen zu rechnen ist. Ein möglicher Regierungssturz wird das Land in einen dauerhaften Bürgerkriegszustand führen. Die Verbündeten Assads wie Russland und der Iran werden dies sicher nicht tatenlos hinnehmen. Auch Israel könnte die Situation ausnutzen, um die radikalislamistischen Kräfte in der Region zu schwächen", spekuliert JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die britische Zeitung THE GUARDIAN aus London beobachtet: "Assad zieht bereits Truppen aus dem Osten Syriens ab, um die Soldaten in der Umgebung von Damaskus zu verstärken. Der Präsident sieht zunehmend verwundbar aus. Die militärischen Kräfte, die sein Regime einst retteten - die russische Luftwaffe und die Kämpfer der Hisbollah - sind jetzt in der Ukraine und im Libanon beschäftigt."
Die türkische Zeitung KARAR geht ein auf die kurdischen Akteure in Syrien. Diese müssten sich darüber im Klaren sein, dass ein Krieg... "gegen den Rest des Landes zu politischen und psychologischen Brüchen führen wird, die viele Jahre andauern werden. Die Verfolgung der Kurden unter Assad und das Unrecht, das sie in verschiedenen Ländern erlitten haben, legitimiert nicht, dass sie heute im Namen Assads und des Iran mit US-Waffen andere Bevölkerungsgruppen angreifen. Im Gegenteil, sie haben das Potenzial, ein friedensförderndes Umfeld zu schaffen. Das Schlimme ist, dass Syrien, ähnlich wie der Libanon, zwischen der geteilten demografischen Landkarte der Region und den Interessen regionaler und globaler Akteure gefangen ist." Das war KARAR aus Istanbul.
Die arabischsprachige Zeitung SHARQ AL-AWSAT blickt zurück: "Bereits im Jahr 2015 schien der Sturz Assads unausweichlich. Dann aber konnte er sich politisch noch einmal retten. Heute aber sind die Umstände anders. Der jüngste Krieg zwischen Israel und dem Iran sowie dessen Verbündeten hat Teheran gelähmt. Sollten iranische Truppen nun die Grenze zu Syrien überschreiten, dürfte Israel eingreifen. Assad hofft vor allem auf militärische Hilfe aus Russland. Doch die Zeit drängt, da sich die bewaffneten Fraktionen Damaskus nähern und Russland in einem größeren Krieg in der Ukraine beschäftigt ist. Assad kann fast nur noch auf ein Wunder hoffen, und zwar in Form von Gesprächen mit der Türkei", vermutet SHARQ AL-AWSAT mit Sitz in London.
Themenwechsel. Die dänische Zeitung POLITIKEN bemerkt zur politischen Situation in Rumänien: "Nun hat das Verfassungsgericht in einer historischen Entscheidung die erste Runde der Präsidentschaftswahlen annulliert und damit eine Schockwelle in der EU und in der NATO ausgelöst. Es sind dramatische Zeiten für Europa, und niemand weiß, wohin der Weg führt. Viele einst kommunistische Staaten sind zum Schauplatz einer immer heftigeren ideologischen und wertpolitischen Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Westen geworden, und in der Ukraine ist dieser Konflikt längst blutiger Ernst. In Rumänien waren es Berichte von Geheimdiensten über eine ausländische Einmischung in die Präsidentschaftswahlen, die das Verfassungsgericht zu dieser Entscheidung bewogen haben. In der ersten Runde stürmte plötzlich der ultranationalistische Kandidat Călin Georgescu nach vorne und forderte das Ende jeder Unterstützung für die benachbarte Ukraine. Putin mag das gefreut haben, nicht aber die EU und die NATO, für die Rumänien eine wichtige Säule für den Einsatz in der Ukraine ist. Aber es wäre zu einfach, zu behaupten, dass nur russische Einmischung schuld ist, wenn proeuropäischen Kräften Gegenwind ins Gesicht schlägt", gibt POLITIKEN aus Kopenhagen zu bedenken.
Die rumänische Zeitung COTIDIANUL mahnt: "Das Verfassungsgericht ist jetzt verpflichtet, konkrete Beweis für einen russischen Hybridangriff auf den Wahlprozess vorzulegen. Ständig wird diese Behauptung wiederholt, aber die Rumänen müssen erfahren, worin die russische Einmischung genau bestand und wann und unter welchen Bedingungen sie erfolgte. Bis es so weit ist, muss es genauso erlaubt sein, von einem Staatsstreich zu sprechen, wenn man denn daran glaubt. Ohne die Vorlage von Beweisen für eine Unterstützung von Călin Georgescu aus Russland besteht die Gefahr, dass seine Anhänger von einem Iohannis-Regime sprechen und dieses für die eigentliche Gefahr für die Demokratie halten, weil es seine Macht durch einen solchen Putsch sichern will. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts richtet sich klar gegen Georgescu, aber er ist lediglich ein Vehikel für die weit verbreitete Unzufriedenheit in der rumänischen Gesellschaft", ist sich COTIDIANUL aus Bukarest sicher.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA fragt: "Sind die Wähler so unreif, dass sie für diejenigen stimmen, die sie auf 'TikTok' sehen? Und wenn es 'TikTok' nicht gäbe, hätten sie dann die Leute gewählt, die jetzt an der Macht sind oder es früher waren? Das suggeriert das Verfassungsgericht und verleiht sich damit ernsthafte politische Macht. Es erscheint naiv anzunehmen, dass die Wähler von Georgescu und mehreren Parteien, die vor wenigen Tagen ein Drittel der rumänischen politischen Szene erobert haben, nun plötzlich massenhaft ihre Meinung ändern würden. Sie glauben vielmehr, dass sie getäuscht wurden und dass die Eliten die Gründe für ihre Unzufriedenheit nicht verstehen wollen", schätzt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Nun noch Kommentare zum Handelsabkommen Mercosur, für das EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen eine Einigung verkündet hat. Der Schweizer TAGES-ANZEIGER stellt fest: "Es geht um eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Menschen. Kaum vorstellbar, aber die EU und die vier Staaten Lateinamerikas haben die Verhandlungen vor knapp einem Vierteljahrhundert begonnen. Inzwischen drängte die Zeit. Auch wegen der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. Die USA könnten unter dem neuen Präsidenten bald schmerzhafte Zölle auf europäische Waren verhängen. Da sind alternative Märkte höchst willkommen. Die Regierungen in Deutschland, die Nord- und Osteuropäer, aber auch Spanien und Portugal sind dezidiert für den Deal. In Frankreich spricht Emmanuel Macron zwar gern von europäischer Souveränität, die durch Freihandelsabkommen wie Mercosur eigentlich gestärkt wird. Doch der französische Präsident hat seine Bauern im Nacken, die sich vor der Konkurrenz fürchten", vermerkt der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
In einem Gastkommentar der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio lesen wir: "Unterm Strich wird mit dem Abkommen die hochentwickelte, auf Mehrwert orientierte Agrarwirtschaft der EU von der an Quantität orientierten Agrarwirtschaft der Entwicklungsstaaten herausgefordert. Wahrscheinlich wollen die Niederlande, Frankreich und Co. die Hürden fürs Inkrafttreten deshalb hoch halten. Ohne dieses Abkommen besteht jedoch die Gefahr für die EU, dass der gigantische Markt in Südamerika bald durch China abgeräumt wird."
Die KLEINE ZEITUNG aus Österreich glaubt: "In seiner Gesamtheit ist das Abkommen für ein um seine Selbstbehauptung ringendes Europa quasi alternativlos. Die EU, der nach der Amtsübernahme Donald Trumps möglicherweise ein wichtiger Absatzmarkt wegbricht, muss ihre wirtschaftlichen Beziehungen rasch diversifizieren, wenn sie aus der drohenden Abwärtsspirale entkommen will. Der ausschließlich wirtschaftliche Blick auf Mercosur ist ohnehin verkürzt. In einer Welt im Umbruch braucht Europa dringend Verbündete und Freunde", unterstreicht DIE KLEINE ZEITUNG aus Graz zum Ende der internationalen Presseschau.