29. April 2025
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die Personalentscheidungen der Union bei den von ihr besetzten Ministerposten in der künftigen Bundesegierung. Zudem geht es erneut um die ersten 100 Tage in der zweiten Amtszeit von US-Präsident Trump. Doch zunächst Stimmen zur Parlamentswahl in Kanada.

Der kanadische Premierminister Mark Carney winkt nach seiner Rede in der Wahlkampfzentrale, nachdem die Liberale Partei die kanadischen Wahlen gewonnen hat.
Ein Thema in den ausländischen Zeitungen: Die Liberale Partei von Premier Mark Carney hat die Parlamentswahlen in Kanada gewonnen. (Justin Tang/The Canadian Press/AP/dpa)
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG aus Oslo erläutert: "Noch zu Beginn des Jahres lag die Liberale Partei des langjährigen kanadischen Premiers Justin Trudeau hoffnungslos hinter den Konservativen zurück. Deren Kandidat Pierre Poilievre wurde immer beliebter mit seinen aggressiven Anti-Trudeau-Botschaften, gepaart mit rechtspopulistischen Zügen und einem klaren Bruch mit der sogenannten Woke-Ideologie. Trudeaus Rücktritt änderte nichts an der Dynamik, wohl aber der Amtswechsel im Weißen Haus. Trumps aggressive Linie gegenüber traditionellen Verbündeten der USA schockierte die gesamte westliche Welt. Er sprach vom nördlichen Nachbarn als 51. Bundesstaat und bezeichnete Trudeau als ‚Gouverneur‘. Diese ungeheuerliche Wortwahl löste rasch eine Welle des kanadischen Patriotismus und Antiamerikanismus aus - und brachte Poilievre in die Defensive. Mit der Wahl des früheren Zentralbankchefs Mark Carney zum neuen Parteivorsitzenden der Liberalen bekam Poilievre einen anerkannten Ökonom als Hauptgegner, während Trump die Kanadier immer weiter schockierte. Das führte zu einer Trendwende im Wahlkampf. Die beiden großen Parteien näherten einander an, während die kleineren an Zustimmung verloren. Allem Anschein nach sind die Liberalen nun stärkste Kraft geworden, und damit kann Carney im Amt bleiben", vermerkt VERDENS GANG.
Die kanadische Zeitung TORONTO STAR erwartet, Regierungschef Carney werde sich trotz seines Wahlsieges... "...auch mit der tiefen Unzufriedenheit innerhalb der liberalen Partei auseinandersetzen müssen, insbesondere im Westen. Die Premierministerin von Alberta, Danielle Smith, hat bereits ihre Forderungen nach einem grundlegenden Kurswechsel formuliert. Carney wird das sagen, was er während des Wahlkampfs wiederholt getan hat: Dass er nicht wie sein Vorgänger Trudeau ist. Aber seine Partei trägt immer noch den Ballast, den jede Regierung nach 10 Jahren an der Macht hat", bemerkt TORONTO STAR.
Themenwechsel. Die britische Zeitung THE TIMES geht ein auf die ersten 100 Tage der zweiten Amtszeit von US-Präsident Trump. Dieser habe... "...bisher im Inland mit Bombast und per Dekret regiert, im Ausland Freunde und Verbündete vor den Kopf gestoßen und Ländern, denen die Interessen der USA nicht gerade am Herzen liegen, zu großzügige Zugeständnisse gemacht. Im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit waren diese ersten Monate noch anmaßender und rücksichtsloser. Der Schaden ist offensichtlich. Trumps Zollkrieg hat die Weltwirtschaft aus dem Gleichgewicht gebracht und dabei die Anleger verunsichert, die Aktienmärkte abstürzen lassen, das Wachstum gebremst und von einem seiner Wahlversprechen weggeführt, nämlich die amerikanische Industrie wiederzubeleben", bilanziert THE TIMES aus London.
Die regierungsnahe russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau verweist darauf, dass Trump an Beliebtheit verloren habe: "Ein Rückgang der Zustimmungswerte für einen US-Präsidenten nach 100 Tagen im Amt ist in der amerikanischen Politik üblich. Nur selten gelingt es Staatsoberhäuptern, dies zu vermeiden. Die Frage ist, wie schnell die Popularität abnimmt. Im Fall Trump ging dieser Prozess nun sehr zügig vonstatten. Zu Beginn fanden Trumps Initiativen - wenn auch mit Vorbehalten - sogar bei einigen Wählern der Demokratischen Partei Anklang. Mittlerweile ist nur noch in einer von zehn landesweiten Umfragen eine Mehrheit der Befragten mit der Leistung des derzeitigen US-Präsidenten zufrieden", notiert NESAWISSIMAJA GASETA.
Die chinesische Staatszeitung WENHUIBAO stellt fest: "In den ersten 100 Tagen der zweiten Amtszeit von Donald Trump hat sich die innenpolitische Konfrontation verschärft und die soziale Spaltung vertieft; das Chaos auf den Märkten zu einer massiven Störung der Weltwirtschaft geführt und das Image der USA in der ganzen Welt einen Riesenschaden erlitten. Man kann daher von einem Scheitern epochalen Ausmaßes sprechen. Trumps Bestreben, die Weltordnung zu zerstören, führt geradewegs zu einer Implosion der globalen Hegemonie der Vereinigten Staaten", urteilt WENHUIBAO aus Schanghai.
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK aus Istanbul beleuchtet den Handelsstreit zwischen den Vereinigten Staaten und China: "Inzwischen ist Trump in die Defensive geraten. Er sagt sogar, er habe sich mit dem chinesischen Staatschef getroffen und man stehe kurz vor einer Einigung. Aus Peking heißt es, es habe keine Gespräche oder Verhandlungen gegeben. Die Realität ist, dass die chinesische Führung nicht bereit sein wird, Zugeständnisse an den 'harten Hund' Trump zu machen. Peking scheint nicht gewillt, den Handelskrieg mit den USA bis zu einem zerstörerischen Punkt eskalieren zu lassen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Trump Xi Jinping mit einem Ansatz der Drohungen, Demütigungen und Verachtung an den Verhandlungstisch bringen wird", schätzt YENI ŞAFAK.
Die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen analysiert: "Seit dem Zweiten Weltkrieg war es eine zentrale Säule der US-Politik, die Herzen und Köpfe anderer mit friedlichen Mitteln zu gewinnen, weil dies oft besser wirkt als Kugeln und Pulverdampf. Jetzt ändert sich das gerade radikal. Außenminister Rubio hat 15 Prozent der Angestellten seines Hauses mit Kündigung gedroht, außerdem will er Büros schließen, die ihren Fokus auf Menschenrechte, Demokratie und Kriegsverbrechen gerichtet haben. Hinzu kommt die Schließung der Hilfsorganisation USAID, die an der Spitze des Einsatzes der USA zur Bekämpfung von Not und Armut in der Welt stand. Die Konsequenzen sind bereits weltweit zu spüren", lesen wir in POLITIKEN.
Die finnische Zeitung ILTA-SANOMAT aus Helsinki glaubt: "Wenn es überhaupt etwas gibt, das Trump von seinem Irrsinn abbringen könnte, ist es eine Enttäuschung der Öffentlichkeit - und die Angst der Republikaner im Kongress vor den nächsten Wahlen. Positiv ist an dem von Trump gleich zu Beginn seiner Amtszeit angerichteten Chaos lediglich, dass es seine Popularität schwächt und sein politisches Kapital aufzehrt."
Nun noch Stimmen zur wohl künftigen deutschen Regierung. Der CDU-Vorsitzende und voraussichtliche Kanzler Merz hat zusammen mit CSU-Chef Söder die Namen der Ministerinnen und Minister bekanntgegeben. Die österreichische Zeitung DER STANDARD bemerkt: "Merz setzt auf eine Mischung aus Überraschung und weniger bekannten Fachpolitikern. Auffällig: Er holt zwei künftige Regierungsmitglieder direkt aus der Wirtschaft. Erstens Katherina Reiche, die in den vergangenen Jahren in der Energiebranche tätig war. Zweitens: den Chef der Elektronikkette Saturn, Karsten Wildberger, der noch kein politisches Amt innehatte. Er soll erstmals ein Digitalministerium aufbauen, was angesichts des deutschen Rückstandes in der Digitalisierung vernünftig klingt. Man merkt, dass Merz auch Loyalität belohnt. Karin Prien, die künftige Bildungsministerin, zählt zwar zum liberalen Flügel der Partei, hat sich aber in jüngster Zeit immer hinter ihn gestellt. Und der designierte Außenminister Johann Wadephul, ein erfahrener Parlamentarier, wird dem Chef wohl auch keine Schwierigkeiten machen", prognostiziert DER STANDARD aus Wien.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER aus Zürich vermutet: "Dass Johann Wadephul Außenminister der nächsten Regierung wird, ließ sich zuletzt sozusagen auf der Landkarte nachverfolgen: Der Deutsche besuchte seine künftigen Amtskollegen in Polen, Frankreich, Italien und Großbritannien, den vier anderen Ländern also, die in der jetzigen Weltlage für Europas Kurs gegenüber Russland, den USA und China entscheidend sind. Weil die Gefahr groß ist und die Zeit drängt, sollte der künftige Außenminister vorab schon die großen Linien besprechen, um nach der Amtsübernahme sofort loslegen zu können. Die Aufgaben, die die deutsche Außenpolitik erwarten, sind herkulisch", meint der TAGES-ANZEIGER zum Ende der internationalen Presseschau.