
Die türkische Zeitung POSTA stellt fest: "Premier Mark Carney hat die Wahl gewonnen. Diesen Sieg hat er Donald Trump zu verdanken, denn das Wahlergebnis ist als nationale Antwort auf Trumps Handelskriege und Drohungen gegen Kanada zu werten. Leider hat Carneys Liberale Partei die absolute Mehrheit verfehlt. Die Erwartungen an die Konservativen unter Pierre Poilievre waren höher. Obwohl er in seinem Wahlkampf die an Trumps 'America First'-Rhetorik angelehnte 'Canada First'-Rhetorik verwendete, konnte er die Öffentlichkeit nicht überzeugen. Carney will die Souveränität Kanadas verteidigen und dem Druck der USA widerstehen. Er will die Allianzen mit Europa und Asien stärken und die Abhängigkeit von den USA verringern. Das Wahlergebnis wird voraussichtlich zu einer Minderheitsregierung der Liberalen Partei führen", hält POSTA aus Istanbul fest.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio blickt zurück auf die Zeit vor der Wahl: "Die Liberalen befanden sich in einer Existenzkrise. Im Januar, als Premier Justin Trudeau seinen Rücktritt angekündigt hatte, lag die Partei in Umfragen über 20 Prozent hinter den Konservativen. Dem neuen Premier Mark Carney gelang es allerdings, die Kanadier hinter sich zu vereinen. Im Gegensatz dazu hatte der Chef der Konservativen, Pierre Poilievre, im Wahlkampf große Mühe, eine positive Zukunftsvision aufzuzeigen, nachdem er mit Trudeau seinen optimalen Kontrahenten verloren hat", analysiert NIHON KEIZAI SHIMBUN.
Die Liberalen hätten ihren Machterhalt nur US-Präsident Trump zu verdanken, meint die lettische Zeitung DIENA aus Riga: "Noch vor drei Monaten sah die Situation ganz anders aus: Niemand zweifelte daran, dass die Liberale Partei bei den diesjährigen Parlamentswahlen von den Konservativen schlichtweg vernichtet werden würde. Es bleibt die Frage: Warum hat der US-Präsident mit beneidenswerter Entschlossenheit und Beharrlichkeit alles getan, um seine ideologischen Feinde in Kanada an der Macht zu halten? Überdies erscheint die Vorstellung, dass dahinter weitreichende strategische Absichten stecken – um es politisch korrekt auszudrücken – nicht plausibel zu sein", bemerkt DIENA.
Die Zeitung TAKUNGPAO aus der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong vermutet: "Am Ende war die antiamerikanische Stimmung ausschlaggebend, die US-Präsident Trump mit seiner aggressiven Zollpolitik und seiner wiederholten Drohung, sich Kanada als 51. Bundesstaat einzuverleiben, ausgelöst hat. Somit trat bei den Wählern die Tatsache in den Hintergrund, dass die Liberalen bislang die tiefgreifenden wirtschaftlichen Probleme des Landes nicht lösen konnten."
Die THE WASHINGTON POST blickt auf die anstehenden Verhandlungen zwischen den USA und Kanada über Zölle: "Sowohl Carney als auch Trump wissen, wie man mit harten Bandagen kämpft und sich dann an einen Tisch setzt, um ein für beide Seiten vorteilhaftes Abkommen auszuhandeln. Carney ist bereit, mit Trump zu verhandeln. Und wenn Trump die freie Welt gegen China mobilisieren will, muss er die Freundschaft zwischen Amerika und Kanada wiederherstellen."
Themenwechsel. Die spanische Zeitung EL PAÍS geht ein auf die Spekulationen über mögliche Ursachen des Stromausfalls, der am Montag auch Portugal, den Südwesten Frankreichs und Marokko betraf: "Während die wichtigsten Fragen weiterhin unbeantwortet sind, haben sich alle Akteure in Erwartung von Schuldzuweisungen in einer Verteidigungsposition verschanzt. Die erste Hypothese vom Netzbetreiber Red Eléctrica stellte die vermeintlich geringe Zuverlässigkeit der Solarenergie in den Fokus. Wenn diese Schwachstelle bereits identifiziert war, hätten technische Maßnahmen zur Vorbeugung getroffen werden müssen", meint EL PAÍS aus Madrid.
Die portugiesische Zeitung JORNAL DE NEGOCIOS findet: "Es geht nicht darum, Schuldige anzuprangern, sondern eine Wiederholung zu verhindern - schließlich lässt sich kein außergewöhnliches Phänomen als Ursache für diesen beispiellosen Stromausfall ausmachen. Immerhin muss man zugeben, dass die Netzbetreiber letztlich zufriedenstellend auf eine Situation reagiert haben, die ein noch größeres Chaos hätte auslösen können, während die Politik den Fall im laufenden Wahlkampf instrumentalisiert. Der Premierminister hat vorgeschlagen, eine unabhängige technische Untersuchungskommission einzusetzen, die aber erst nach den Parlamentswahlen am 18. Mai ihre Arbeit aufnehmen soll. Damit würde vielleicht der politische Schaden begrenzt - aber dafür besteht die Gefahr, dass der Fall aus dem kollektiven Gedächtnis verschwindet", gibt JORNAL DE NEGOCIOS aus Lissabon zu bedenken.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA aus Warschau beobachtet: "In Spanien, einem der wenigen Länder im freien Europa, das derzeit von den Linken regiert wird, wird das Thema der globalen Erwärmung sehr ernst genommen. Es besteht die Gefahr, dass sich südliche Regionen wie Andalusien und Extremadura in Halbwüstengebiete verwandeln. Deshalb setzt das Land neben der Kernenergie auf erneuerbare Energiequellen, die bereits 43 Prozent des Energiebedarfs decken. Aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Einwirkung der Sonne, der Kraft des Windes oder der Kraft der Flüsse sind diese jedoch von Natur aus instabil. Könnte dies die Ursache der Katastrophe vom Montag sein?", fragt RZECZPOSPOLITA.
Die tschechische Zeitung HOSPODÁŘSKÉ NOVINY aus Prag empfiehlt: "Die Europäer sollten jetzt sorgfältig die Reaktion der Spanier studieren, denn eine derart groß angelegte Zivilschutzübung für den Fall eines großflächigen Stromausfalls lässt sich nicht simulieren. Auch für das übrige Europa wird es lehrreich sein, wie die Spanier das gesamte System wieder aufladen, denn Experten zufolge ist dies keineswegs eine triviale Angelegenheit. Europa hat sich die Lehren aus dem Krieg in der Ukraine bisher nicht allzu sehr zu Herzen genommen, um seine Widerstandsfähigkeit zu stärken. Der Stromausfall auf der iberischen Halbinsel könnte in dieser Hinsicht ein deutlicher Weckruf sein", schätzt HOSPODÁŘSKÉ NOVINY.
Nun noch Stimmen zum heutigen Prozessauftakt gegen den schwedischen Journalisten Joakim Medin in der Türkei. Die schwedische Zeitung EXPRESSEN führt aus: "Die Anklage lautet auf ‚Beleidigung des Präsidenten‘, außerdem wird Medin Terrorismus vorgeworfen. Im Fall einer Verurteilung drohen ihm bis zu 12 Jahre Haft. Das türkische Außenministerium streitet ab, dass Medin wegen seiner Eigenschaft als Journalist angeklagt wird. Aber es ist deutlich, dass der Grund das ist, was Medin geschrieben hat. Schwedische Diplomaten und Politiker werden im Gerichtssaal anwesend sein, ebenso Vertreter des Zeitungsverleger- und Journalistenverbands. Aber sie können ihm keine direkte moralische Hilfe leisten, weil er nur aus einem Hochsicherheitsgefängnis zugeschaltet ist. Dass so etwas möglich ist, sagt viel über die Türkei von heute aus. Das ist die Parodie eines fairen Verfahrens", urteilt EXPRESSEN aus Stockholm.
Die ebenfalls in Stockholm erscheinende schwedische Zeitung AFTONBLADET verweist auf das politische System in der Türkei. Das Land sei keine... "...Demokratie im üblichen Sinne, auch wenn es Wahlen und unterschiedliche Kandidaten gibt. Die Medien werden in der Regel von der Regierungspartei kontrolliert, die Zivilgesellschaft wird überwacht, und die Justiz ist nicht frei. Es ist nicht unüblich, dass Journalisten wegen Beleidigung des Präsidenten oder Terrorismus angeklagt werden, um sie zum Schweigen zu bringen. Aber es ist unüblich, dass es ausländische Journalisten trifft, um deren Meinungsfreiheit zu beschränken. Die schwedische Regierung muss alles in ihrer Macht Stehende tun, um Joakim Medin freizubekommen", verlangt AFTONBLADET.