16. Mai 2025
Die internationale Presseschau

Zwei Themen stehen im Fokus der Kommentare. Die Reise von US-Präsident Trump in den Nahen Osten und die geplanten Gespräche zwischen der Ukraine und Russland zur Beendigung des Angriffskriegs.

Türkische Sicherheitskräfte stehen vor dem Dolmabahce-Palast, wo Gespräche zwischen russischen und ukrainischen Delegationen erwartet werden.
Im Dolmabahce-Palast in Istanbul werden die Gespräche zwischen russischen und ukrainischen Delegationen erwartet. (Dilara Acikgoz / AP / dpa / Dilara Acikgoz)
"Putin treibt seine Spielchen in Istanbul" - titelt die österreichische Zeitung DIE PRESSE. "Der sogenannte Istanbul-Gipfel ist eine Charade Putins, mit der er Trump bei Laune halten will. Zugleich wäre jeder auch noch so kleine Fortschritt willkommen: Direkte Gespräche zwischen den Kriegsparteien, egal, auf welcher Ebene, sind die Voraussetzungen dafür, dass ein Waffenstillstand oder vielleicht sogar eine Friedensvereinbarung zustandekommen. Solche Verhandlungen müssen jedoch gut vorbereitet sein, sonst führen sie ins Nirgendwo. Die überhastet angesetzte Show von Istanbul birgt eine Gefahr: Wenn Verhandlungen wie diese platzen, öffnet sich in der Regel nicht so schnell ein neues Fenster. Die verpasste Chance könnte zu einer Eskalation des Kriegs führen", warnt DIE PRESSE aus Wien.
Putin ist nicht zu den Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs nach Istanbul gereist. Dazu schreibt das WALL STREET JOURNAL: "Trump will Frieden in der Ukraine, aber Putin hält die USA weiter hin. Es wird erst etwas passieren, wenn Putin den Eindruck hat, dass Verhandlungen sich lohnen. Putins Nichterscheinen ist der jüngste Beweis dafür, dass es dem Russen mit der Beendigung des Krieges nicht ernst ist - und das ist keine Überraschung. Trump möchte nicht, dass die Welt ihn als Bittsteller des Kremls sieht. Der beste Weg zum Frieden ist, den Druck auf Moskau zu erhöhen", empfiehlt das WALL STREET JOURNAL.
Putin habe eine historische Chance vertan, meint die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT. "Die neue gefährliche Situation, in der sich Russland nun befindet, zwingt den Kreml, nach einer Alternative zu einer Vermittlung durch die USA zu suchen. Mit seinem aggressiven Verhalten und der Forderung inakzeptabler Friedensbedingungen ist Russland auf Konfrontation zu den USA gegangen. Ein Treffen zwischen Trump und Putin, das der Kreml mit besonderem Eifer herbeizuführen versucht, scheint derzeit unmöglich zu sein. In politischen Kreisen in Russland hat dies offenbar für große Enttäuschung gesorgt. Anstatt Kompromisse anzustreben, zieht es der Kreml weiterhin vor, die ganze Welt herauszufordern", betont MÜSAVAT aus Baku.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA analysiert: "Der Hauptgrund, weshalb alle vergeblich auf einen historischen Durchbruch warteten, ist die Tatsache, dass der russische Diktator dasselbe Spiel wie immer spielt und andere ihm dabei freien Lauf lassen. Putin will die Ukraine unterwerfen, einen Teil davon für immer übernehmen und den Rest in ein nahezu wehrloses, nicht souveränes Gebilde verwandeln, dem die Möglichkeit eines NATO-Beitritts verwehrt bleibt. Putin sieht keine Notwendigkeit, von diesem Vorgehen abzuweichen. Auch, weil der Westen ihm entgegen der pompösen Ankündigungen vor wenigen Tagen keine so schmerzhaften Sanktionen auferlegt, dass er ihnen nicht länger standhalten könnte", moniert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Während Putin mögliche Friedensverhandlungen mit der Ukraine verzögert, bestehen seine imperialistischen Visionen fort, heißt es in der schwedischen Zeitung DAGENS NYHETER aus Stockholm: "Wir müssen auf das Szenario vorbereitet sein, dass Russland als nächsten Schritt ein kleineres Gebiet besetzt, zum Beispiel im Baltikum. Dann müssen die übrige NATO und nicht zuletzt wir anderen Ostseeanrainer knallhart reagieren. Auch ein Igel überlebt es nicht, von einem russischen Panzer überrollt zu werden."
Die estnische POSTIMEES widmet sich der Frage, wie die russische Schattenflotte wirksam bekämpft werden kann. Mit den Schiffen umgeht Moskau das verhängte Öl-Embargo. "Man muss sich kritische Fragen stellen bezüglich der strategischen Fähigkeiten zur See. Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, dass Russland lernfähig ist, und das gilt auch für die Durchführung seiner hybriden Kriegsführung in Bezug auf den Schutz seiner Schattenflotte. Die Erfahrungen aus der Ukraine zeigen, dass innovative und relativ günstige Meeresdrohnen sehr viel mehr erreichen können - und sie sind kein so einfaches Ziel wie große Schiffe", hebt POSTIMEES aus Tallinn hervor.
Die australische Zeitung THE SYDNEY MORNING HERALD kommentiert die Reise von US-Präsident Trump in den Nahen Osten: "Trumps Liebesaffäre mit den Golfstaaten sollte niemanden überraschen. Von der Verachtung demokratischer Kontrollen über die Vorliebe für protzigen Reichtum bis hin zur Vermischung von Wirtschaft und Politik sind das durch und durch seine Leute. Die Reise führte den Präsidenten nach Riad, Doha und Abu Dhabi. Bei jedem Stopp waren die Zeremonien opulent, die Höflichkeiten enorm und die 'Deals' atemberaubend. Doch die Versprechen und Zusagen wurden von einem viel unmittelbareren Geschenk überschattet: dem Plan der katarischen Königsfamilie, Trump eine Boeing 747 im Wert von 400 Millionen US-Dollar zu schenken", notiert der SYDNEY MORNING HERALD.
Der Pariser FIGARO konstatiert: "Die US-Demokraten wollen ihm dieses Mal die aus ihrer Warte offensichtliche Korruption nicht durchgehen lassen. 'Jeder Präsident, der ein Geschenk im Wert von 400 Millionen US-Dollar von einer ausländischen Regierung annimmt, schafft einen Interessenkonflikt und wirft ernste Fragen der nationalen Sicherheit auf', heißt es in einem Schreiben demokratischer Abgeordneter. Selbst Republikaner, die bisher oftmals geschwiegen haben, scheinen nun verlegen zu sein."
In der panarabischen Zeitung AL QUDS heißt es: "Noch ist unklar, ob Trumps Reise an den Golf eine grundsätzlich neue Strategie der USA in der Region eingeleitet hat. Auf jeden Fall fällt auf, dass die USA sich auf Verhandlungen mit nichtstaatlichen Akteuren wie den jemenitischen Huthi oder der Hamas einlassen, und dies, ohne Israel einzubinden. Auch der Umstand, dass Trump den Gazakrieg als 'brutal' beschreibt, deutet eine gewisse Distanz zu Israel an, auch wenn Trump nicht näher erläuterte, wer für diese Brutalität verantwortlich sei. Für Israel ist Trumps Vorgehen zusammen mit der Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien und der Ankündigung des bevorstehenden Abschlusses eines Atomabkommens mit dem Iran, ein Schock", erklärt AL QUDS aus London.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN bilanziert: "Zwar hat Trump durch die angekündigte Aufhebung der Sanktionen die Euphorie der Region und die Erwartung auf einen Wiederaufbau Syriens vergrößert, zur Entspannung der Lage im Nahen Osten konnte er aber nichts Besonderes beitragen. Im Gaza-Streifen ist die Waffenruhe gebrochen, die humanitäre Lage wird immer katastrophaler. Trump ist der einzige ausländische Regierungschef, der Netanjahus autoritären Kurs stoppen kann, blieb Israel während seiner Reise aber fern. Es ging ihm vor allem um 'Deals'. Das Misstrauen der Bevölkerung im Gaza-Streifen und in den arabischen Staaten gegenüber Trump dürfte sich damit vergrößert haben", prophezeit NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio,
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO bezeichnet es als ungewöhnlich, dass Trump die Aufhebung der US-Sanktionen gegen Syrien in der saudischen Hauptstadt Riad verkündet hat. "Dies ist in erster Linie ein diplomatischer Erfolg der drei Golfstaaten. Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate bemühen sich schon länger um ein Ende der Sanktionen. Für diesen Erfolg zahlen sie auch einen hohen Preis: Die drei Länder werden in den kommenden Jahren in den USA in Billionen-Höhe investieren. Trump erntet also ebenfalls Früchte. Diesen Erfolg braucht er dringend auf der internationalen Bühne. Der größte Gewinner bei diesem Deal ist jedoch das syrische Volk. 90 Prozent der Syrer lebt in extremer Armut. Sie haben nun eine Chance, wirtschaftlich neu anzufangen", betont JIEFANG RIBAO aus Schanghai.