
Die Zeitung MÜSAVAT aus Aserbaidschan sieht die Aussage von Merz als "radikalen taktischen Wandel" und "wichtigen Wendepunkt". Die Zeitung glaubt, dass der russische Präsident Putin sich jetzt in einer Zwickmühle befindet: "Die Entscheidung des Westens ist auch eine Reaktion auf das mangelnde Interesse des Kremls an Friedensgesprächen. Wenn der Westen die Ukraine mit erweiterten Kapazitäten ausstattet, ist das für Russland ein wahres Katastrophenszenario. Das Ziel besteht darin, Russland zu echten Friedensgesprächen zu zwingen. Der Kreml jedoch kann diesen Krieg nicht stoppen, denn jeder Rückzug würde im Land selbst als Schwäche interpretiert. Es ist durchaus möglich, dass Russland auf Langstreckenangriffe der Ukraine mit brutaleren Mitteln reagiert. Das wäre der Übergang zu einer gefährlicheren Phase. Ein langfristiger Krieg könnte zu sozialen und politischen Eruptionen in Russland führen. Vor diesem Hintergrund besteht die Strategie des Westens wohl darin, Russland schrittweise zu einer Kapitulation zu zwingen", vermutet die Zeitung MÜSAVAT aus Baku.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht dagegen nichts Revolutionäres in Merz' Äußerungen: "Nein, Merz hat keine Geschichte geschrieben. Er hat eher einen verspäteten Nachtrag geliefert. Denn tatsächlich ist die Reichweitenfrage bei den Ukraine-Waffen längst geklärt. Man fragt sich nun, was Merz zu seiner Aussage veranlasst hat. Weiß er nicht, was Sache ist? Kennt er die deutschen Positionen und Entscheidungen bei der Ukraine-Hilfe nicht? Er wirkt in der Ukraine-Politik zwar forsch und deutlich entschiedener als sein Vorgänger Olaf Scholz. Aber das eine ist die Rhetorik, das andere sind die Handlungen", urteilt die NZZ aus der Schweiz.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA sieht unterdessen die Koalition von Union und SPD in einer ersten Krise und stellt zum Beleg die Aussagen von Kanzler Merz und Vizekanzler Klingbeil gegenüber: "Vizekanzler Lars Klingbeil von der SPD bestätigte jüngst, dass es keine Änderung der vom vorherigen Kanzler Scholz formulierten Strategie für deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine gebe – kein 'Taurus' für Kiew. Der Vizekanzler dementierte nicht nur Merz' Andeutungen, sondern hinterfragte auch die Äußerung des neuen Außenministers Johann Wadephul, den Verteidigungshaushalt auf Wunsch der USA auf fünf Prozent des Bruttoninlandsproduktes zu erhöhen. Klingbeil, der auch Finanzminister ist, wird dem Bundestag den Haushaltsentwurf für das laufende Jahr vorlegen. Dabei wird deutlich werden: In der deutschen Staatskasse fehlt das Geld für alle Ausgaben im Zusammenhang mit der Ukraine. Erinnert man sich an das Scheitern der vorherigen Koalition aufgrund finanzieller Probleme, erscheint das Schicksal der aktuellen deutschen Regierung ebenfalls wenig beneidenswert", so die Interpretation der NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
In seinem Gastkommentar für die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN glaubt der Militärexperte Yu Koizumi, dass eine mögliche Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ohnehin keinen großen militärischen Effekt haben wird: "Das Problem ist, dass die Zahl der Taurus, über die die deutsche Luftwaffe verfügen soll, nicht so hoch ist - sie soll etwa 600 betragen. Auch wenn die Hälfte an die Ukraine geliefert wird, wären es lediglich 300. Die müsste das angegriffene Land dann äußerst sparsam verwenden. Taurus wäre für die Ukraine zwar eine wichtige Waffe mit großer Reichweite. Doch es ist eben zu befürchten, dass diese Lieferung allein die Lage nicht entscheidend ändern wird", analysiert der Militärexperte Yu Koizumi in der in Tokio erscheinenden Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN.
Mit der Rolle Ungarns in dem Konflikt mit Russland und mit möglichen Strafen der EU beschäftigt sich die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT: "Das EU-Mitglied Ungarn driftet immer weiter von der Union in Richtung der russischen Einflusssphäre ab. Auch der autoritäre Ansatz in der ungarischen Innenpolitik erinnert immer mehr an die Verhältnisse in Russland, zu dessen Bewunderern Premierminister Viktor Orbán gehört. Ungarn hat seine EU-Ratspräsidentschaft einigermaßen mit Anstand über die Bühne gebracht, aber seither scheint Orbán jede Hemmung verloren zu haben. Zu den jüngsten Beispielen gehört ein Gesetz für ein faktisches CSD-Verbot, nachdem schon in den vergangenen Jahren Gesetze zur Diskriminierung Homosexueller verabschiedet wurden. Andere EU-Länder haben dieses schamlose Treiben überraschend lange toleriert, aber nun kippt die Stimmung. Bislang war es üblich, dass die Mitglieder mit erhobenem Zeigefinger drohten und Ungarn nickte, seine Versprechen dann aber nicht umsetzte. Jetzt müssen die anderen Mitglieder weitere Maßnahmen in Betracht ziehen. Wenn es Ungarn so schwerfällt, sich an EU-Regeln zu halten - warum soll es dann überhaupt noch Geld aus Brüssel bekommen?", fragt HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki.
Auch die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT findet es an der Zeit, dass die EU konkrete Strafmaßnahmen gegen Ungarn ergreift: "Als Ungarn der EU beitrat, hat es sich verpflichtet, europäische Werte wie das Verbot von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung zu respektieren. Wenn Ungarn in der EU bleiben und weiter europäische Subventionen erhalten will, muss es sich natürlich an diese Werte halten. Die Europäische Kommission hat lange Zeit zu schwach gegen Ungarn agiert, aber inzwischen hat sie Subventionen in Höhe von 18 Milliarden Euro eingefroren. Die Niederlande und andere Mitgliedstaaten plädieren zu Recht dafür, Ungarn zu bestrafen, solange es Demokratie und Rechtsstaatlichkeit untergräbt", kommentiert DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Themenwechsel. Die spanische Regierung hat erneut versucht, die drei Regionalsprachen Katalanisch, Baskisch und Galizisch auf EU-Ebene einzuführen. Sieben EU-Länder, darunter auch Deutschland, haben sich dagegen ausgesprochen. Die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN findet das schade - kann die Bedenken aber verstehen: "Schließlich sind diese drei Völker nicht die einzigen in der EU, die eine eigene Sprache haben. Im Gegenteil - es gibt eine Flut an Minderheiten, die ihre eigenen Forderungen vortragen könnten. Wie ist es mit Samisch, Bretonisch, Sardisch oder Sorbisch? Die EU muss sich aber auch dazu positionieren, wo die Grenze verlaufen soll, denn eines ist sicher: Auch wenn das spanische Dilemma erst einmal auf die Zukunft vertagt wurde, wird es wieder aufploppen. Eine Lehre daraus sollte sein, dass nationale Politiker ihre internen Probleme bei sich zu Hause klären. Wenn Spaniens Ministerpräsident Sánchez Probleme mit seiner Regierungsbildung hat, muss er über Fragen verhandeln, deren Lösung auch wirklich in seiner Macht steht - statt erst die Verantwortung und danach die Schuld auf Brüssel zu schieben", ordnet SYDSVENSKAN aus Malmö die Entscheidung ein.
Die spanische Zeitung EL PERIODICO DE ARAGON aus Saragossa sieht es ähnlich - übt aber zugleich Kritik in Richtung der europäischen Länder: "Die Kritik sollte auch an die Regierungen dort gehen, die zunehmend unter den Einfluss nationaler Rechtsparteien geraten sind und deshalb dazu neigen, Vielfalt zu leugnen. An der Spitze steht die oppositionelle konservative Volkspartei Spaniens PP, die haltlose Argumente angeführt hat. Schließlich steht im Vertrag von Lissabon eindeutig, dass die Liste der EU-Amtssprachen unter bestimmten Bedingungen erweitert werden kann. Der PP geht es nur um eine ideologisch bedingte Blockade - und das stellt eine Bedrohung für das Kooperations- und Lösungsmodell vor, das auf der Anerkennung von Vielfalt in der EU beruht."