
Zu den ukrainischen Drohnenangriffen heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: "Der Angriff fand am Vortag der zweiten Runde der ukrainisch-russischen Gespräche in Istanbul statt. Dass die Ukraine einen seit mehr als einem Jahr geplanten Großangriff ausgerechnet jetzt durchführt, ist kein Zufall. Der ukrainische Präsident Selenskyj gab nur kurz nach den ersten Meldungen bekannt, auf welcher Grundlage sein Land die Gespräche führen möchte. Die ukrainische Delegation, die erneut der Verteidigungsminister Umerow anführt, werde demnach einen sofortigen, bedingungslosen Waffenstillstand, die Freilassung aller Gefangenen und die Rückkehr der nach Russland entführten ukrainischen Kinder fordern. Was die Eskalation für die Gespräche heute bedeutet, ist unklar." So weit die NZZ aus der Schweiz.
"Der Auftakt zu neuen Verhandlungen könnte für den russischen Präsidenten Putin schlechter kaum sein", bemerkt VERDENS GANG aus Oslo. "Denn wenn die Angaben der ukrainischen Seite zutreffen, ist Russlands Angriffsfähigkeit nun erheblich geschwächt. Aus russischer Perspektive kommen sie einer Demütigung gleich, nicht zuletzt für Putin selbst, der sein ganzes Prestige darauf verwendet, als Garant für Russlands Sicherheit dazustehen. Garantiert war diese Aktion ein Schock für Moskau: Wenn die Drohnen von Lastwagen in Russland starten konnten, müssen die ukrainischen Agenten russische Helfer gehabt haben", hebt die norwegische Zeitung VERDENS GANG hervor.
Die türkische Zeitung STAR schreibt: "Die Entwicklungen an der Front sind die letzten Schritte der Parteien, um ihre Positionen für die Verhandlungen zu stärken. Vor den heutigen Gesprächen in Istanbul zeigt der Angriff der Ukraine, dass das Land seine militärischen Kapazitäten nicht nur an der Front, sondern auch tief im russischen Hoheitsgebiet ausbaut."
"Die Ukraine hat die Regeln des Krieges umgeschrieben", findet die WASHINGTON POST aus den USA. "Das russische Oberkommando muss schockiert gewesen sein, als die Ukrainer einen Überraschungsangriff auf fünf russische Luftwaffenstützpunkte durchführten, die weit von der Front entfernt lagen - zwei davon Tausende von Kilometern entfernt im russischen Fernen Norden und in Sibirien. Dem ukrainischen Geheimdienst SBU gelang es, eine große Anzahl von Drohnen in Holzhütten, die per Lkw transportiert wurden, tief nach Russland einzuschleusen und sie dann ferngesteuert zu starten. Der Angriff signalisiert zwar die Entschlossenheit der Ukraine - könnte aber auch die nukleare Stabilität untergraben. Denn dieselben Bomber, die konventionelle Marschflugkörper gegen die Ukraine abschießen, sind auch für den Einsatz von Atomwaffen ausgelegt", gibt die WASHINGTON POST zu bedenken.
Von einem "spektakulären Drohnenangriff" spricht der niederländische TELEGRAAF. "In dem seit mehr als drei Jahren andauernden Krieg musste die Ukraine auf Drängen der westlichen Verbündeten, die eine Eskalation befürchteten, lange Zeit auf Angriffe auf russische Gebiete verzichten. Der Angriff fällt vollständig unter das Recht auf Selbstverteidigung. Viel zu lange ist die Ukraine bei der Ausübung dieses Rechts von verängstigten Politikern im Westen ausgebremst worden."
"Der 1. Juni wurde zu einem schwarzen Tag für Russlands Langstrecken- und Militärtransportflieger", resümiert die russische Zeitung MOSKOWSKI KOMSOMOLEZ. "Es stehen Ermittlungen innerhalb des Militärs und anderer für strategische Objekte verantwortlicher Sicherheitsorgane bevor."
Die estnische POSTIMEES aus Tallinn zieht folgende Bilanz: "Erstens kann man mit einem guten Plan auch mit sehr einfachen Mitteln einen überlegenen Feind besiegen. Zweitens ist wieder einmal deutlich geworden, welch wichtige Rolle Drohnen in einem modernen Krieg spielen. Aber daraus ergibt sich noch ein weiterer Schluss: Wir müssen auf einen Drohnenkrieg vorbereitet und dazu in der Lage sein, selber mit Drohnen umzugehen."
Das sieht auch LA VANGUARDIA aus Barcelona so. "Zwischen Russland und der Ukraine sind Kampfhandlungen ohne den Einsatz von Drohnen mittlerweile eine Seltenheit geworden. Der Krieg wird inzwischen immer mehr von diesen Geräten geprägt, denn sie sind viel billiger in der Herstellung als konventionelle Waffen, und sie sind wirksam im Kampf gegen feindliche Truppen. Vor diesem Hintergrund sollten es die europäischen Staats- und Regierungschefs bedauern, Trumps Druck nachgegeben zu haben. Die konventionellen Waffen, die sie jetzt kaufen, sind möglicherweise schon bald veraltet und werden zunehmend verdrängt werden. Hätte die Ukraine dagegen nicht voll auf Drohnen gesetzt, würde jetzt vielleicht schon die russische Fahne über Kiew wehen."
In Polen hat der Rechtsnationalist Nawrocki laut Wahlkommission die Präsidentschafts-Stichwahl gewonnen. "Nach der Wahl wird es keinen Frieden geben", zeigt sich die RZECZPOSPOLITA aus Warschau überzeugt. "Die Polarisierung zwischen PO und PiS spaltet die Polen seit zwei Jahrzehnten so tief, dass der neue Präsident Karol Nawrocki diese Gräben nicht überbrücken wird. Mit Nawrocki erwartet uns ein Krieg an der Spitze des polnischen Staates. Ähnliche Szenen kennen wir bereits, zum Beispiel aus den 1990er Jahren, doch dieses Mal könnte die Situation noch verstörender sein, da das Staatsoberhaupt und die Regierung unterschiedliche Meinungen haben, auch in Sicherheitsfragen, während jenseits der polnischen Ostgrenze der Krieg tobt." Das war die RZECZPOSPOLITA aus Polen.
NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio kommentiert: "Der Sieg von Nawrocki ist für die Regierung von Tusk ein herber Schlag. Der scheidende Präsident Duda hatte immer wieder sein Veto eingelegt, so dass Ministerpräsident Tusk seine Wahlversprechen nicht einlösen konnte. Auch Nawrocki wird mit großer Wahrscheinlichkeit sein Veto-Recht voll ausschöpfen und Tusk unter Druck setzen, was wohl zu vorgezogenen Parlamentswahlen führen wird."
Auch das polnische Onlineportal NEWSWEEK POLSKA sieht die Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsident Tusk in Gefahr. "Die gesamte Strategie der Regierung basierte auf der Annahme, dass ihr Kandidat die Präsidentenwahl 2025 gewinnt. Ohne einen eigenen Präsidenten wird die Koalition niemals in der Lage sein, wichtige Änderungen im Staat vorzunehmen, um das Chaos zu beseitigen, das acht Jahre PiS-Herrschaft in Bereichen wie der Justiz hinterlassen haben."
Das Vorgehen Israels im Gazastreifen ist das letzte Thema dieser Presseschau. Europa beginne sich endlich zu regen, stellt der Gastkommentator im britischen GUARDIAN fest. "Zehntausende getötete Menschen und Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser waren offenbar nicht genug. Aber zusammen mit der Blockade der humanitären Hilfe und dem offenen Aufruf zur ethnischen Säuberung wurden Israels Aktionen schließlich zu schwerwiegend, um sie zu ignorieren oder zu rechtfertigen. In den letzten Wochen kam aus den europäischen Hauptstädten eine Kaskade von ungewöhnlich scharfen Erklärungen, diplomatischen Zurechtweisungen und Sanktionsdrohungen. Die wichtigste dieser Entwicklungen dürfte die mögliche Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel sein, das Israel einen bevorzugten Zugang zum größten Binnenmarkt der Welt gewährt. Beim Treffen der EU-Außenminister am 20. Mai unterstützte eine klare Mehrheit von 17 Mitgliedstaaten den niederländischen Vorschlag. Klar ist, dass sich die Dynamik in der EU verschoben hat", hebt der Gastkommentator im Guardian aus London hervor.
"Vor allem angesichts des Leides der zivilen Bevölkerung in Gaza steht Israel immer mehr unter Druck", meint auch die chinesische Zeitung LIANHE ZAOBAO aus Singapur und betont: "Sogar in Deutschland werden die kritischen Stimmen immer lauter. Das rücksichtslose Vorgehen Israels in der letzten Zeit hat die Toleranz der internationalen Gemeinschaft immer wieder herausgefordert. Israel könnte seine Sympathien verspielen."