05. Juni 2025
Die internationale Presseschau

Die internationalen Zeitungen kommentieren den anstehenden Besuch des Bundeskanzlers Merz in den USA und die Lage im Gazastreifen. Zunächst aber geht es um den Zollstreit vieler Länder mit den USA.

US-Präsident Donald Trump geht mit Arbeitern durch das Stahlwerk Mon Valley Works-Irvin von U.S. Steel
US-Präsident Trump will die heimische Stahlproduktion ankurbeln - er glaubt, dass weitere Zölle dabei helfen. Die Kommentatoren der internationalen Zeitungen sind skeptisch. (picture alliance / AP / Julia Demaree Nikhinson)
Die US-Regierung hat die Zölle auf Stahl und Aluminium erhöht. Die us-amerikanische Zeitung WASHINGTON POST erinnert: "Seit der Präsidentschaft von George W. Bush haben US-Regierungen in mehreren Runden Zölle verhängt, um einen Sektor zu schützen, der seit dem 19. Jahrhundert die amerikanische Schwerindustrie aufgebaut hat. Die Abgaben waren schlecht für die Wirtschaft der Vereinigten Staaten. Aber US-Präsident Trump will noch weiter gehen und erhebt satte 50 Prozent Zoll auf importierten Stahl und Aluminium. Diese Zölle werden mit Sicherheit die Verhandlungen über Handelsbeziehungen verkomplizieren, die nach Angaben der Regierung mit Dutzenden von Ländern laufen. Die Europäische Union hat bereits mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht. Die Geschichte deutet darauf hin, dass die Zölle auch ohne Vergeltungsmaßnahmen schon weh tun werden. Eine Studie über Bushs Zölle von 2002 ergab, dass die steigenden Stahlpreise 200.000 Arbeitsplätze in der gesamten Wirtschaft kosteten", konstatiert die WASHINGTON POST.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO vermerkt: "Trumps Begründung für die Verdoppelung der Zölle auf Stahl und Aluminium lässt sich schwer nachvollziehen. Wie kann die amerikanische Industrie gestärkt werden, wenn das nötige Rohmaterial plötzlich so teuer ist? Bereits jetzt liegen die US-Stahlpreise weit höher als in China und der EU. Wie sollen die Auto- oder die Bauindustrie diese Preiserhöhung verkraften? Für Nahrungsmittel und Getränke in Aluminiumdosen müssen Amerikaner auch tiefer in die Tasche greifen. Diese Zollpolitik schadet der US-Wirtschaft und den Verbrauchern. Nicht einmal die Stahlindustrie wird langfristig davon profitieren. Im Gegenteil wird ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit dadurch nur geschwächt", glaubt JIEFANG RIBAO aus Shanghai.
Auch die mexikanische Zeitung LA RAZON zeigt sich skeptisch: "Wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen, dass wir nicht zu den Beziehungen zurückkehren, wie wir sie jahrelang erlebt haben. Stattdessen müssen wir tagtäglich mit neuen Entscheidungen von Trump rechnen, mit denen er versucht umzusetzen, was er vor seiner Rückkehr ins Weiße Haus versprochen hatte: die USA wieder groß und mächtig zu machen. Und so trat per Präsidentenerlass eine Verdoppelung der Zölle für Stahlimporte und Aluminium von 25 auf 50 Prozent in Kraft. Begründet wird dies mit der nationalen Sicherheit. US-Unternehmen, die von Stahl- und Aluminiumimporten abhängig sind, rechnen mit einem unmittelbaren Anstieg ihrer Produktionskosten. Das aber wird sich auf die Verbraucherpreise auswirken – und was ist, wenn Vergeltungsmaßnahmen der betroffenen Länder zu neuen Handelskonflikten führen? Erlebt haben wir das zwischen 2018 und 2020 bereits", fürchtet LA RAZON aus Mexiko-Stadt.
Die schweizerische NEUE ZÜRCHER ZEITUNG meint: "Um es deutlich zu sagen: Zölle sind tatsächlich keine gute Idee. Amerika braucht stattdessen neue Chancen. Doch dafür braucht es eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den negativen Effekten des Freihandels für westliche Länder. Die amerikanische Politik hat es versäumt, die heimischen Arbeitnehmer vor unfairen Praktiken wie Chinas Stahldumping zu schützen. Die Wähler entscheiden sich nicht für Zölle, weil sie glauben, dass sie dadurch reich werden. Sie entscheiden sich dafür, weil sie das Vertrauen in ein System verloren haben, das jahrzehntelang als kluge Politik verkauft wurde. Sie sind zum Schluss gekommen, dass die Programme, die ihnen helfen sollen, häufig anderen zugutekommen", analysiert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Unterdessen ist Bundeskanzler Merz zu seinem Antrittsbesuch in den USA eingetroffen. Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA erwartet: "Vor allem wird Merz den bevorstehenden Zollkrieg zwischen Europa und den USA ansprechen. Die äußerst heikle Zollfrage ist für Merz selbst von größter Bedeutung. Weitere amerikanische Zölle würden vor allem deutsche Industriezweige wie den Maschinenbau und die Automobilindustrie treffen. Darüber hinaus steht Merz vor der Aufgabe, Trump seinen Status als europäische Führungspersönlichkeit zu demonstrieren. Es ist kein Zufall, dass Merz im Einvernehmen mit Brüssel eine einheitliche Position der EU-Länder zur Verhinderung eines Zollkriegs vertreten wird", erklärt die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN fragt: "Ob der Bundeskanzler sein erstes Gipfeltreffen in Washington meistern kann? Die Spannung steigt. Denn bereits bei seinem Antrittsbesuch muss Merz mit Rücken zur Wand kämpfen. Und das Problem liegt nicht nur beim Handelsstreit – möglich sind verbale Attacken von Trump und Co. vor der Kamera. Vor diesem Besuch hat Merz sich deshalb mit verschiedenen Regierungschefs, die in letzter Zeit Trump getroffen haben, ausgetauscht. Trotzdem besteht immer noch die Gefahr, dass die US-Regierung ihre Unzufriedenheit speziell mit Deutschland thematisiert. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz im Februar beispielsweise machte US-Vizepräsident Vance Europa wegen eines Verlustes der Meinungsfreiheit heftige Vorwürfe. Die aktuellen Diskussionen über ein mögliches Parteiverbot der AfD könnten für Deutschland deshalb eine Angriffsfläche darstellen", betont NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die französischsprachige Schweizer Tageszeitung LE TEMPS schreibt dazu: "Offiziell geht Merz mit 'großer Gelassenheit und Freude' an sein erstes Treffen mit Trump heran. Wird dieser Besuch zu einer Charmeoffensive für einen US-Präsidenten, der den Europäern gegenüber sehr hart ist? Im Februar, nach der sehr beunruhigenden Münchner Sicherheitskonferenz, auf der US-Vizepräsident Vance die Europäer beschuldigte, nicht mehr die gleichen Werte wie die USA zu teilen, forderte Merz die strategische Unabhängigkeit der Europäer und die Stärkung der europäischen Verteidigung. Eine echte Wende. Doch kaum war er an der Macht, milderte er seinen Ton gegenüber Washington ab", stellt LE TEMPS aus Genf fest.
Zwei britische Zeitungen blicken auf die Lage der Palästinenser im Gazastreifen. Die von den USA und Israel unterstützte Gaza Humanitarian Foundation verteilt zur Zeit keine Lebensmittel an die Bevölkerung. THE INDEPENDENT warnt: "Die Palästinenser im Gazastreifen stehen vor dem, was die Vereinten Nationen eine 'Hungerkrise' und ein 'kritisches Hungerrisiko' nennen. Die israelische Regierung weiß das. Die ganze Welt weiß das. Und doch passiert nichts. Wir sollten uns zumindest darüber im Klaren sein, wie sich die Dinge in dieser mittelalterlichen Belagerung entwickeln werden, wenn die Welt es versäumt, Israel zum Einlenken zu drängen und den UNO-Organisationen und Wohltätigkeitsorganisationen zu erlauben, ihre Arbeit sofort wieder aufzunehmen. Seit dem 7. Oktober hat der israelische Premierminister Netanjahu der Hamas in die Hände gespielt, die sich nichts sehnlicher wünschte, als dass Israel um sich schlägt und damit zum Täter und nicht zum Opfer des Terrors wird. Es ist im Interesse Israels selbst, die Kämpfe einzustellen und die Hilfe an den 'hungrigsten Ort der Welt' durchkommen zu lassen, wie die UNO den Gazastreifen nennt", mahnt THE INDEPENDENT aus London.
Die britische Zeitung THE GUARDIAN kommentiert: "Zu den Angriffen auf Schulen, die als Schutzräume genutzt werden, der Zerstörung von Krankenhäusern und der Tötung von Zehntausenden von Zivilisten kommt nun noch das Vorenthalten von Nahrungsmitteln als Waffe hinzu. Israels Kriegsverbrechen haben dazu geführt, dass die öffentliche Unterstützung in Westeuropa stark zurückgegangen ist. Die EU, Israels größter Handelspartner, verfügt über Machtmittel. Sie überprüft derzeit ihr Handelsabkommen mit Israel: sie sollte es aussetzen", fordert THE GUARDIAN aus London. Und damit endet die Internationale Presseschau.