06. Juni 2025
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden das Zerwürfnis zwischen US-Präsident Trump und seinem ehemaligen Berater Musk sowie die neuen Aufrüstungsziele der NATO. Zunächst geht es aber um den Antrittsbesuch von Bundeskanzler Merz in Washington.

Bundeskanzler Merz und US-Präsident Trump stehen nebeneinander.
Bundeskanzler Merz wird von US-Präsident Trump empfangen. (AP / Alex Brandon)
Dazu schreibt die belgische Zeitung DE TIJD: "Für Bundeskanzler Merz, der sich sorgfältig vorbereitet hatte, verlief das Gespräch ohne größere Stolpersteine. Das lag auch daran, dass mit keinem Wort die angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa und Deutschland erwähnt wurde, die Trumps Vizepräsident Vance und Außenminister Rubio in den vergangenen Monaten thematisiert hatten. Auch die Einstufung der AfD als rechtsextremistisch – laut Rubio "verkappte Tyrannei" – wurde nicht thematisiert. Zugleich aber ist das konkrete Ergebnis des Gesprächs trotz Schulterklopfens mager. Die einzige feste Zusage gab es hinsichtlich der amerikanischen Militärpräsenz in Deutschland. Trump versicherte Merz, dass die schätzungsweise 40.000 in Deutschland stationierten amerikanischen Soldaten nicht ohne weiteres abgezogen werden. Bei den heißesten Themen - dem Krieg in der Ukraine und den Importzöllen - blieb die Unterredung oberflächlich", bemerkt DE TIJD aus Brüssel.
Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA hält fest: "Merz trainierte für seine Einladung ins Oval Office wie für ein TV-Duell zwischen US-Präsidentschaftskandidaten - wissend, dass es nur auf eines ankam: unbeschadet aus dem Rachen des Löwen zu kommen, aus dem Hinterhalt, falls Trump einen vorbereitet hätte. Die Mission ist geglückt: Soweit der 'Erfolg' darin bestand, dass der Kanzler fast 40 Minuten lang einem Monolog Trumps zuhörte. Wie er sich vorgenommen hatte, sprach Merz wenig, bemühte sich, entspannt zu sitzen, beobachtete viel, während Trump die Zeit nutzte, um über Bidens Unterschriften-Automaten zu sprechen und Elon Musk abzutun. Ein guter Nebendarsteller in einer Show, die zu etwas anderem gedacht war und eigentlich für andere Schlagzeilen hätte sorgen können. Und das sagt vielleicht auch, wie weit oben für Trump die Beziehungen zu Europa auf der Agenda stehen", meint der Mailänder CORRIERE DELLA SERA.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz ist folgender Meinung: "Dem Kanzler gelang das Kunststück, Trump zu umgarnen, ohne dabei unterwürfig zu wirken. Damit hat Merz bei seinem Antrittsbesuch im Umgang mit Deutschlands wichtigstem Partner bereits deutlich mehr erreicht als seine Amtsvorgänger. Er hat das beschädigte deutsch-amerikanische Verhältnis stabilisiert. Zumindest für den Moment. Die eigentliche Herausforderung kommt aber noch. Merz muss Trump bei Laune halten und beweisen, dass die nun erfolgte Annäherung auch krisenfest ist. Dabei wird er mehr leisten müssen, als clevere Gastgeschenke auszuwählen und zustimmend zu nicken. Etwa in möglichen Friedensverhandlungen für die Ukraine, bei denen die Europäer zur Staffage zu werden drohen", erinnert die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN merkt an: "Beobachter hatten dem gestrigen Treffen zwischen dem deutschen Kanzler Merz und US-Präsident Trump mit Grauen entgegengesehen. Schließlich stand besonders viel auf dem Spiel. Die Nervosität wurde auch nicht geringer, als die Pressekonferenz entgegen den Traditionen gleich an den Anfang des Besuchs gelegt wurde: Schließlich fielen diese Veranstaltungen in der Vergangenheit nicht unbedingt günstig für Trumps Gäste wie Selenskyj oder Südafrikas Präsidenten Ramaphosa aus. Aber die Stimmung blieb insgesamt freundlich. Als die Pressekonferenz zu Ende war, konnte die deutsche Delegation erleichtert aufatmen – jedenfalls vorläufig. Aber nur, weil Trump und Merz die Differenzen nicht hervorhoben, heißt das nicht, dass sie weg sind", unterstreicht JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Zwischen US-Präsident Trump und seinem ehemaligen Berater, dem Milliardär Musk, ist es zum Bruch gekommen. Hintergrund ist das geplante Steuergesetz der US-Regierung. Das WALL STREET JOURNAL erläutert: "Diese beiden bescheidenen Egos waren auf lange Sicht nie ein gutes Paar. Jetzt wird ihre Trennung zum 'Rosenkrieg'. Das sorgt sicherlich für unterhaltsames politisches Theater, zumindest für die Demokraten. Niemand weiß, wo das enden wird, aber es ist anzunehmen, dass Musk seine Subventionen für Elektroautos in dem 'großen, schönen Gesetzentwurf' nicht wiederfinden wird. Bedauerlich ist, dass Musk versucht hat, eine Regierung aufzurütteln, die es bitter nötig hat. Seine Methoden waren unberechenbar, die Ergebnisse aber enttäuschend", bilanziert das New Yorker WALL STREET JOURNAL.
In der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio ist zu lesen: "Musk schrieb gestern auf der Plattform X, Trumps Name befinde sich in den Akten zum Sexualstraftäter Jeffrey Epstein. Trotz der sofortigen Dementierung von Trumps Seite deutete der Schlagabtausch an, was für eine große Gefahr für den US-Präsidenten entstehen könnte, wenn er sich jemanden mit so viel Einfluss wie Musk zum Feind macht."
Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT führt aus: "Die Freundschaft von Musk und Trump ähnelte von Anfang an einer von jungen Menschen in der Pubertät. Es war von Anfang an klar, dass Musk, der in der Geschäftswelt phänomenale Erfolge erzielt hat, in der Politik keinen Erfolg haben würde. Denn in der Politik gibt es das Phänomen der 'alten Wölfe', die plötzlich hervorspringen und die 'Ziegen' auffressen. Elon Musk wird in den kommenden Jahren wohl zu Trumps größtem Kritiker werden", erwartet MÜSAVAT aus Baku.
Die taiwanesische Zeitung LIANHE BAO aus der Hauptstadt Taipeh notiert: "Musk und Trump wollten Amerikas Helden sein. Angesichts der immensen Staatsschulden von 36 Billionen Dollar setzte der Unternehmer Musk auf radikale Kürzungen der Staatsausgaben, während Trump mit hohen Zöllen gegen alle Länder der Welt einen großen Sieg erringen will. Doch beide sind kläglich gescheitert. Musk macht sich aus dem Staub und Trump plant ein Steuergesetz, das voraussichtlich 3,8 Billionen Dollar neue Schulden verursachen wird."
Nun zur NATO. "Endlich hat das Verteidigungsbündnis Angst vor Russland", titelt die polnische RZECZPOSPOLITA und analysiert: "Wenn nicht alle Verbündeten ihre Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren radikal erhöhten, könnten wir anfangen, Russisch zu lernen oder nach Neuseeland zu ziehen, warnte NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Gestern einigten sich die Verteidigungsminister der 32 NATO-Staaten in Brüssel auf eine außerordentliche finanzielle Anstrengung. Die Militärausgaben jedes Landes sollen auf 3,5 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts steigen, hinzu kommen weitere 1,5 Prozent für Infrastruktur, die ebenfalls dem Militär dient – Straßen, Eisenbahnen, Flughäfen und Häfen. Das erinnert an die schwierigsten Jahre des Kalten Krieges. An die Zeit, als der Westen verzweifelt Verteidigungslinien gegen die Sowjetunion errichtete, oder später, als Ronald Reagan Moskau ein mörderisches Wettrüsten aufzwang. Diesmal ist der Grund für die Aufrüstung der NATO-Verbündeten jedoch nicht mehr die Angst vor Donald Trumps Zorn. Sondern vor Russland. Das Wettrüsten dient also zuallererst der Verteidigung der NATO. Und gleichzeitig hat es das Ziel, Russland wirtschaftlich zu erledigen." So weit die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Der TAGES-ANZEIGER aus der Schweiz sieht es so: "Am Anfang war eine Zahl. Fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung sollten die NATO-Mitglieder künftig für Verteidigung ausgeben, forderte der amerikanische Präsident Donald Trump kurz nach seiner zweiten Amtsübernahme. In Europa, wo manche noch nicht einmal die vor Jahren vereinbarten zwei Prozent erreichen, schlug man die Hände über dem Kopf zusammen. Aber fünf Prozent werden es jetzt tatsächlich, ganz wie Trump wollte. Mit handfesten Drohungen - wer nicht zahlt, den verteidigen die USA nicht mehr - machte der Amerikaner den Europäern klar, worum es geht: um den Fortbestand der NATO nämlich, konkret um das Versprechen der USA, jedem angegriffenen Mitglied zur Hilfe zu eilen." Das war zum Ende der internationalen Presseschau der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.