14. Juni 2025
Die internationale Presseschau

Die Kommentatoren beschäftigen sich heute mit dem israelischen Angriff auf den Iran. Israel hat gestern Atomanlagen und Militäreinrichtungen im Iran angegriffen und führende Militärs und Atomwissenschaftler getötet. Kurz danach griff der Iran Israel an.

Rauch steigt nach dem Angriff von Israel über Teheran auf.
In der Nacht zum 13. Juni 2025 hat Israel den Iran angriffen. Damit beschäftigen sich die Kommentatoren der internationalen Zeitungen. (picture alliance / Middle East Images / SAN)
Die Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Japan kritisiert das israelische Vorgehen: "Israel begründet seinen massiven Angriff damit, dass der Iran eine existenzielle Bedrohung darstelle. Klar ist allerdings, dass das nicht als Selbstverteidigungsrecht Israels gelten kann und das Land damit gegen die UN-Charta verstößt. Die internationale Gemeinschaft muss mit aller Kraft die Vergeltungsspirale stoppen. Denn das Problem betrifft nicht nur diese Region. Die Welt muss erkennen, dass sie am Abgrund steht, bei der Frage, ob die rechtstaatliche Ordnung bewahrt werden kann: die Ordnung, die 80 Jahre lang aufgebaut wurde, damit wir keinen Weltkrieg mehr erleben müssen", meint ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz unterstreicht: "Der israelische Regierungschef Netanyahu hat sich dafür entschieden, auf volles Risiko zu gehen. Aus Israels Kampf gegen die iranischen Stellvertreter Hamas, Hisbollah und Huthi ist ein offener Krieg zwischen den beiden Regionalmächten in Nahost geworden. Es ist allerdings offensichtlich, dass Netanyahu mit der Attacke auch innenpolitische Interessen verfolgt. Noch vor wenigen Tagen drohte seine Koalition mit ultraorthodoxen und rechtsextremen Parteien auseinanderzubrechen. Nun dürfte sich die Regierung auf absehbare Zeit stabilisieren, weil sich angesichts der jüngsten Eskalation niemand auf innenpolitische Experimente einlassen will", heißt es in der NZZ aus Zürich.
DER STANDARD aus Österreich verweist auf die Auswirkungen des israelischen Angriffs auf die Atomgespräche der USA mit dem Iran: "Die Trump-Regierung ist inmitten eines diplomatischen Versuchs, den weiteren Ausbau des iranischen Atomprogramms durch gegenseitige Zugeständnisse zu stoppen. Der israelische Angriff durchkreuzt Trumps Pläne und kommt einer massiven Brüskierung des wichtigsten Verbündeten des jüdischen Staates gleich."
Die arabische Zeitung AL QUDS AL-ARABY mit Sitz in London glaubt dagegen: "Einiges deutet darauf hin, dass der israelische Angriff auf den Iran international koordiniert war. Darauf weist etwa der Umstand hin, dass die USA bereits Tage zuvor ihr Personal in Teilen der Region reduziert haben. Ebenso deuten darauf auch die Stellungnahmen westlicher Politiker hin. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz sprach vom 'Recht Israels auf Selbstverteidigung'. In jedem Fall ist der Angriff auf den Iran ein riskantes Manöver. Im äußersten Fall könnte er sich zu einem umfassenden Krieg entwickeln, an dem sich auch die Vereinigten Staaten und ihre westlichen Verbündeten beteiligen", befürchtet AL QUDS AL-ARABY.
Die WASHINGTON POST aus den USA warnt: "Es besteht die Gefahr, dass Israel sich überanstrengt. Netanjahu wird sich möglicherweise mit einem Schlag begnügen müssen, der die iranische nukleare Bedrohung für ein paar weitere Jahre neutralisiert, aber einen zukünftigen Flächenbrand heraufbeschwört. Das Gleiche könnte man über Trumps Diplomatie sagen. Wird sein Versprechen, den Iran daran zu hindern, eine Atomwaffe zu erlangen, Amerika noch tiefer in den Teufelskreis von Angriff und Vergeltung hineinziehen? Wie viele Jahrzehnte sowohl die Vereinigten Staaten als auch Israel gelehrt haben, sind Konflikte mit dem Iran leicht zu beginnen und schwer zu beenden", prognostiziert die WASHINGTON POST.
Die britische Zeitung THE GUARDIAN betont: "Sicherlich werden die iranischen Hardliner jetzt mehr und nicht weniger entschlossen sein, sich eine Atomwaffe zu beschaffen. Sie werden das gelernt haben, was man die Lektion über Nordkorea nennen könnte. Nach dem Irakkrieg entschied sich Libyen, sein Atomprogramm aufzugeben. Nicht viele Jahre später lag der libysche Diktator Muammar Gaddafi tot in einem Graben. Auch die Ukraine gab ihre Atombomben auf und wurde von ihrem Nachbarn überfallen. Währenddessen hat die Diktatorendynastie in Pjöngjang den gegenteiligen Schritt gemacht: Sie hielt an ihren Atomwaffen fest, und niemand hat jemals Hand an sie gelegt. Mit diesem Schritt könnte Netanjahu die albtraumhafte Aussicht auf einen nuklearen Nahen Osten einen Schritt näher gebracht haben", vermerkt THE GUARDIAN aus London.
Die französische Zeitung LIBÉRATION konstatiert: "Zugeständnisse unter diesen Bedingungen wären für den Obersten Führer des Irans ein Eingeständnis der Schwäche gegenüber seinem Volk. In Wirklichkeit besteht die Gefahr, dass dieser Angriff, der die Mullahs demütigen soll, sie tatsächlich stärkt und die iranische Bevölkerung hinter seiner Regierung vereint, so wie der israelische Regierungschef Netanjahu gestärkt aus dem Hamas-Angriff hervorging. In Teheran schreien Demonstranten bereits nach Rache." stellt die LIBÉRATION aus Paris heraus.
Die türkische Zeitung CUMHURIYET bemerkt: "Die USA versuchen, das iranische Atomprogramm durch Verhandlungen zu stoppen, während Israel militärische Mittel einsetzt. Zur Rechtfertigung dieses Angriffs, der auch von einem Teil der israelischen Öffentlichkeit abgelehnt wird, behauptet die Regierung unter Netanjahu außerdem, der Iran könne mit dem angereicherten Uran, über das er verfügt, innerhalb weniger Tage ein Dutzend Atomwaffen bauen. Die Wahrheit ist jedoch, dass Israel über Atomwaffen verfügt, der Iran aber nicht. Der Versuch, Israel als Opfer darzustellen, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Denn Israel begeht Kriegsverbrechen an den Palästinensern in Gaza, bombardiert den Libanon, greift den Jemen an, besetzt Teile Syriens und greift den Iran an", schreibt CUMHURIYET aus Istanbul.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER vermerkt: "Dass Israel die Kapazitäten für solche Aktionen innerhalb des Iran hat, ist ein Anzeichen dafür, wie wenig die Ayatollahs ihr eigenes Territorium kontrollieren und wie kompetent der israelische Geheimdienst ist. Aber das löst andere Fragen aus. Warum werden diese Präzision und diese strategische Kompetenz nicht in Gaza angewendet? Warum treffen die Bomben dort Krankenhäuser und hungernde Menschen in Lebensmittelschlangen? Es ist, als seien Präzision und Kompetenz nur bei bestimmten Zielen notwendig. Wenn die potenziellen Opfer jedoch Palästinenser sind, sieht man offenbar nicht so genau hin", moniert DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Die dänische Zeitung KRISTELIGT DAGBLAD erklärt: „Ein Krieg kann damit gerechtfertigt werden, dass man einen noch größeren Krieg verhindern will. Das ist genau die Situation, vor der Israel steht und weshalb dieser Angriff auf die atomare Infrastruktur des Iran durchgeführt wurde. Das islamistische Regime will Israel auslöschen, ist der größte Terror-Sponsor der Welt und überall verhasst, und die besten Freunde der Ayatollahs sind Russland und Nordkorea. Wenn ein solches Regime nicht daran gehindert wird, sich Atomwaffen zu verschaffen, haben noch viel mehr Länder ein Problem als nur Israel. Nüchtern betrachtet hat Israel damit also auch im Sinne der ganzen Region und des Weltfriedens gehandelt", schreibt das KRISTELIGT DAGBLAD aus Kopenhagen.
Auch die estnische Zeitung POSTIMEES blickt auf den iranischen Verbündeten Russland: "Wie weit die Lage eskaliert, hängt auch von Russland ab. Einerseits würde ein lange andauernder Krieg im Nahen Osten die Aufmerksamkeit des Westens von der Ukraine ablenken, und Russland würde von einem höheren Ölpreis profitieren. Andererseits wird das iranische Regime durch die israelischen Angriffe geschwächt, und das bedeutet, dass einer der wichtigsten Verbündeten des Kreml im Krieg gegen die Ukraine um seine Existenz kämpfen muss. Ein Regimewechsel im Iran würde ein ähnlich großes geopolitisches Erdbeben bedeuten wie die islamische Revolution 1979 – nur vermutlich in die Gegenrichtung", Und mit dieser Stimme aus der POSTIMEES aus Tallinn endet die Internationale Presseschau.