24. Juni 2025
Die internationale Presseschau

Bestimmende Themen in den Kommentaren sind die Lage im Nahen Osten und der heute in Den Haag beginnende NATO-Gipfel. Über die Rolle Europas auf der internationalen Bühne schreibt DER STANDARD aus Österreich:

Die israelische und die iranische Flagge sind auf einer rissigen Mauer als Untergrund aufgezeichnet.
Welche Auswirkungen hat der Krieg zwischen Iran und Israel? (picture alliance / Zoonar / LIU HUNG CHIN)
"Die 27 EU-Staaten sind verbal ein Riese, wenn es um Außen- und Sicherheitspolitik auf globaler Ebene geht. In der realen Welt der Krisen und Kriege hingegen sind sie nur ein Zwerg. In den EU-Verträgen ist fest der Wille verankert, in der Weltpolitik aktiv mitzuspielen bei der Gestaltung einer demokratischen, freien und fairen Welt, nicht nur wirtschaftlich und diplomatisch, sondern auch sicherheitspolitisch. Wie sich im russischen Eroberungskrieg gegen die Ukraine, vor allem aber im Nahen Osten seit der Attacke der Hamas gegen Israel und den daraus folgenden Verteidigungskriegen Israels gegen Terrororganisationen und den Erzfeind Iran zeigt, ist das nur Papier. Das gemeinsame Europa hat kaum Einfluss. Wollen die Europäer in einer künftig von den USA und China dominierten globalen Ordnung mitspielen und ihren Wohlstand sichern, müssen sie ihre eigene Sicherheit selbst in die Hand nehmen. Auch real. Dazu gehört, ob es einem gefällt oder nicht, militärische Stärke", merkt DER STANDARD aus Wien an.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER mahnt, der NATO-Gipfel dürfe nicht den Krieg in der Ukraine aus den Augen verlieren. "Die Europäer müssen zeigen, dass sie in der Lage sind, die nationalen Verteidigungskapazitäten auszubauen. Gleichzeitig muss die Unterstützung der Ukraine verstärkt werden. Das alles wird kosten – aber es wird auch seinen Preis wert sein. Denn die ukrainischen Helden, die schon das vierte Jahr in den Schützengräben liegen, sind unsere wichtigste Verteidigungslinie gegen ein imperialistisches Russland. Was immer auch im Iran als Nächstes passiert: Es ist deutlich zu erkennen, dass sich Trump nicht für Europa interessiert - Putin dafür aber umso mehr", warnt DAGENS NYHETER aus Stockholm.
NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau überlegt, welche Auswirkungen das US-Engagement im Nahost-Konflikt für den Krieg in der Ukraine haben könnte. "Trump könnte auf den Iran einschwenken, aber gleichzeitig den Konfliktbeilegungsprozess zwischen Moskau und Kiew beschleunigen. Er kann mit Sanktionen Druck auf Moskau ausüben. Er kann auch verlangen, dass Selenskyj seine Gebietsansprüche aufgibt und Russlands Bedingungen akzeptiert. Und er kann davon ausgehen, dass diese Druckmechanismen sehr schnell greifen werden“, notiert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Im Nahost-Konflikt hat US-Präsident Trump eine Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran angekündigt. Im Kommentar des australischen SYDNEY MORNING HERALD heißt es: "Es wird wahrlich ein Coup für die Ewigkeit sein – falls die Waffenruhe hält. Doch es bleiben so viele Fragen offen. Wurden die iranischen Atomanlagen vollständig zerstört? Wenn es stimmt, dass Irans gesamtes Atompotenzial gerade ausgeschaltet wurde, zeigt sich das Land seltsam gelassen. Der Vergeltungsangriff auf einen US-Stützpunkt in Katar war minimal, angekündigt und geplant; er war im Wesentlichen das absolute Minimum – nur eine Formsache. Kann das wirklich alles sein", fragt der SYDNEY MORNING HERALD.
Die Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Japan bewertet die iranischen Reaktionen auf die US-Angriffe so: "Die vorher angekündigten Angriffe des Iran auf die US-Basen hatten vor allem den Charakter einer Gesichtsbewahrung. Die Diplomatie Trumps, der mit viel Druck und der überwältigenden militärischen Kraft der USA seinen Deal verwirklicht, ist nicht zu unterschätzen – ebenso wie der Realismus des Iran. Nun sollte der Fokus darauf gerichtet werden, ob die tatsächliche Verwicklung der Waffenruhe reibungslos durchgeführt wird", empfiehlt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio
Die in Hongkong erscheinende Tageszeitung MINGPAO beschäftigt sich mit den Vermutungen, dass die Angriffe auf den Iran einen Regimewechsel herbeiführen sollen. "Sollte sich dies bewahrheiten, dann wird der militärische Konflikt kein Ende finden, und die Machthaber im Iran werden dann mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln um ihr Überleben kämpfen. Nun, da Netanjahu und Trump mit dem Vertrauen auf ihre militärische Überlegenheit die Büchse der Pandora geöffnet haben, könnte die Lage in der Region vollends aus dem Ruder laufen".
Auch die türkische Zeitung EVRENSEL erörtert die Möglichkeiten eines Regimewechsels in Teheran. "Den USA scheint es nicht möglich zu sein, im Iran einen Bodeneinsatz wie im Irak durchzuführen. Zudem gibt es keine organisierten Kräfte wie in Syrien. Offensichtlich rechnen die USA und ihre Verbündeten daher mit einem allgemeinen Aufstand. Doch wer würde an die Macht kommen, wenn der Aufstand erfolgreich wäre? Der Sohn des Schahs, der Khomeini entkommen ist? Das ist fraglich. Niemand im Iran will wieder einen Schah an der Macht sehen. Die Volksmudschaheddin? Das iranische Volk hat auch sie nicht in guter Erinnerung. Eines ist sicher: Die Kriege und Konflikte in unserer Region werden noch lange andauern", zeigt sich EVRENSEL aus Istanbul überzeugt.
POLITIKEN aus Kopenhagen befasst sich mit der partei-internen Kritik am Vorgehen von US-Präsident Trump: "Auch haben sich einzelne Republikaner mit Demokraten zusammengetan und erklärt, dass nur der Kongress einen Krieg erklären kann und der Präsident ohne seine Zustimmung keine Militärschläge in anderen Ländern durchführen darf. Trumps Minister wiederholten mehrfach, dass das Ziel der Angriffe nicht darin bestehe, einen Regimewechsel herbeizuführen. Dann aber widersprach ihnen ihr eigener Präsident. Es bleibt somit unbekannt, was das eigentliche Ziel der USA ist", hält die dänische Zeitung POLITIKEN fest.
Die panarabischen Zeitung SHARQ AL-AWSAT äußert sich zu den Auswirkungen des Krieges auf Israels Selbstverständnis: "Der Krieg mit dem Iran hat einen materiellen und moralischen Schaden angerichtet, den man sich zuvor nicht hatte vorstellen können. Dazu gehört nicht nur das teilweise Versagen der Raketenabwehrsysteme wie etwa des Iron Dome. Sondern auch und vor allem die Erkenntnis, dass Israel grundlegend auf die Unterstützung des US-amerikanischen Militärs angewiesen ist. Ohne diese geraten die israelischen Ambitionen rasch an ihre Grenzen. Israel musste zudem lernen, dass seine vielgepriesenen militärischen Fähigkeiten nicht so umfassend sind, dass sie den Mythos seiner grenzenlosen Überlegenheit begründen können", konstatiert die in London erscheinende SHARQ AL-AWSAT.
Für die QATAR TRIBUNE aus Doha ist klar: "Der iranisch-israelische Krieg ist eine existenzielle Bedrohung für die Wirtschaft der USA, Israels und der Welt. Ölpreisschocks, steigende Inflation und Unterbrechungen der Lieferketten sind nur einige Folgen. Die Diplomatie, so schwierig sie auch sein mag, bleibt der einzige Weg, diesen Sturm abzuwenden. Die Vereinigten Staaten müssen aus ihren Fehlern der Vergangenheit im Irak und in Afghanistan lernen und Zurückhaltung üben, um den Weg für Verhandlungen zu ebnen. Die Welt steht am Rande einer Klippe - und nur diplomatische Klugheit kann sie vom Abgrund zurückholen", heißt es in der QATAR TRIBUNE.
Die norwegische Zeitung VERDENS GANG kritisiert: "Die USA betreiben ein gefährliches Spiel. Es könnte mit einem Krieg enden, der sich über den Nahen Osten hinaus ausbreitet. Es könnte mit einem desperaten iranischen Regime enden, das für sein Überleben noch schlimmere Dinge tut – vielleicht ebenfalls über die Region hinaus. Es könnte auch zu einem Sturz des Regimes mit einem anschließenden Chaos und einem Bürgerkrieg enden. Ein Staatsstreich könnte aber auch einen friedlicheren Übergang zu einer neuen Herrschaft bewirken. Niemand weiß, was das dann bedeutet. Die nächsten Tage und Wochen könnten Antworten liefern. Es besteht Anlass, das Schlimmste zu befürchten – aber auch, das Beste zu hoffen.“ Mit dieser Stimme von VERDENS GANG aus Oslo endet die Internationale Presseschau.