
Die lettische Zeitung DIENA bezeichnet es zwar als "eine gute Nachricht", dass sich die NATO-Staaten auf die Anhebung der Verteidigungsausgaben geeinigt haben: "Insgesamt hat das Treffen aber einen widersprüchlichen Eindruck hinterlassen. Das liegt vor allem daran, dass die Aufmerksamkeit vor allem einer Person galt: Donald Trump. Das begann bei Kleinigkeiten und endete damit, dass die ganze Organisation darauf abzielte, den US-Präsidenten bei Laune zu halten. Also war die Veranstaltung ungewöhnlich kompakt, und alle Punkte verschwanden von der Tagesordnung und aus der Abschlusserklärung, die bei Trump für Unzufriedenheit hätten sorgen können. Aber diese politischen Eiertänze haben nur dann einen Sinn, wenn dadurch die europäische Verteidigungsfähigkeit radikal gestärkt wird", fordert DIENA aus Riga.
Die norwegische Zeitung DAGBLADET kritisiert die Rhetorik von NATO-Generalsekretär Rutte: "Diese war sowohl vor als auch während des NATO-Gipfels geradezu unerträglich und sollte Europa vor Scham erröten lassen. Ruttes Job ist, Trump um jeden Preis an Bord zu halten. Sicher ist ihm klar, wie demütigend das ist, aber trotzdem feiert er es als Sieg. Ein paar Schmeicheleien sind nicht das Problem. Aber Rutte ist viel zu weit gegangen und hat dadurch den Weg für weitere Grenzüberschreitungen geebnet. Vielleicht hat er Trump noch einmal dazu bewegt, sich zu Artikel 5 zu bekennen, aber letztlich hat er ihm einen Blankoscheck gegeben, sich nach Lust und Laune zu benehmen." Soweit DAGBLADET aus Oslo.
"Das Ganze hatte seinen Preis", heißt es in der britischen TIMES aus London: "Auf dem Gipfel blieb keine Zeit, um andere Themen wie eine gemeinsame Beschaffungspolitik, regionale Stabilität oder eine weitere Unterstützung von Staaten an der Grenze zu Russland etwa im Baltikum zu erörtern. Besonders bedauerlich ist, dass auf dem Gipfel nicht über die dringend notwendige weitere militärische Hilfe für die Ukraine gesprochen wurde."
Die polnische RZECZPOSPOLITA prognostiziert: "Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben wird für viele europäische Länder eine große Herausforderung und Belastung darstellen. Machen wir uns nichts vor – aus Sicht der Lebensqualität des durchschnittlichen Kowalski, Schmidt oder Rossi ist es besser, Geld für Bildung oder Gesundheit auszugeben als für Panzer, Kampfflugzeuge oder Munition. Bald könnte es geschehen, dass in einigen Ländern diese Verteidigungsausgaben auf Kosten der Sozialausgaben gehen. Dies ist einer der Gründe, warum Spanien sich so sehr gegen eine Erhöhung der Ausgaben sträubt", ist RZECZPOSPOLITA aus Warschau überzeugt.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG geht näher auf den Widerstand des spanischen Regierungschefs Sánchez gegen das Fünf-Prozent-Ziel der NATO ein: "Sánchez klammert sich an die Macht – doch die hängt in Madrid am seidenen Faden. Wahlen gewinnt man dort aber nicht mit Außenpolitik und schon gar nicht mit höheren Militärausgaben. Steuererhöhungen oder Kürzungen bei Sozialleistungen zugunsten des 5-Prozent-Ziels sind für Sánchez innenpolitisches Gift. Die nationale Machtfrage wiegt für ihn schwerer als die gemeinsame Sicherheitslage", bemerkt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Das japanische Blatt ASAHI SHIMBUN aus Tokio wirft ein: "Es ist gefährlich, dass die Staaten in einen Aufrüstungswettbewerb geraten - wie in den Zeiten des Kalten Kriegs. Was vielmehr als militärische Kraft gestärkt werden sollte, ist die Diplomatie, die auf Werten wie Demokratie und Rechtstaatlichkeit basiert."
Die griechische Zeitung KATHIMERINI zieht einen Bogen zwischen dem NATO-Gipfel und der Waffenruhe zwischen Iran und Israel - unserem nächsten Thema: "US-Präsident Trump hat wahrscheinlich beschlossen, sich auf dem NATO-Gipfel in seinem Ruhm über den angekündigten Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran zu sonnen. Er feiert aber den Waffenstillstand in einem Krieg, den es nicht gegeben hätte, wenn er nicht Präsident gewesen wäre. Der einzige Gewinner in dieser Geschichte ist Israels Premierminister Netanjahu. Er hat einem Volk, das der ständigen Angriffe von Verrückten müde ist, Entschlossenheit gezeigt", meint KATHIMERINI aus Athen.
"Nun, da der Waffenstillstand offenbar hält, lässt sich ein erstes Resümee dieses Krieges ziehen", findet die panarabische Zeitung AL ARABY AL-JADEED mit Sitz in London und führt aus: "Insgesamt lässt sich sagen, dass die israelisch-amerikanische Intervention gegen den Iran ihre strategischen Ziele nicht erreicht hat. Sie mag das iranische Atomprogramm verzögert haben, aber sie hat es nicht gestoppt. Auch ist das Regime nicht gestürzt, und der Iran sieht sich nicht zu diplomatischer Unterwerfung gezwungen. Im Gegenteil: Teheran hat seine Reaktionsfähigkeit demonstriert und seine Abschreckungsstrategie in der Region gestärkt", ist AL ARABY AL-JADEED überzeugt.
Die JERUSALEM POST sieht es komplett anders: "Israel hat die Welt und seine Feinde daran erinnert, dass es niemals zulassen wird, dass ein völkermordendes Regime eine Atombombe erhält. Der Iran hat sein Atomprogramm verloren. Der Iran hat wichtige militärische Führungskräfte verloren. Der Iran hat seine Lufthoheit verloren. Der Iran hat die Illusion verloren, dass er unantastbar sei. Der Iran hat verloren. Israel hat gewonnen. Der Auftrag war klar. Die Ausführung war chirurgisch. Das Ergebnis könnte nicht entscheidender sein." Soweit die Einschätzung der JERUSALEM POST.
Die dänische Zeitung POLITIKEN hingegen warnt: "Es ist noch zu früh für handfeste Schlussfolgerungen, aber Trump zieht sie trotzdem. US-Medien berichteten, dass die bunkerbrechenden Bomben zwar mäßige bis schwere Schäden angerichtet hätten, das iranische Atomprogramm aber wohl nur um einige Monate zurückgeworfen sei. Folglich ging Verteidigungsminister Hegseth zum Angriff auf die Medien über. Währenddessen verhöhnte Ayatollah Chamenei aus dem Iran Trump mit den Worten, die Amerikaner hätten ihre Ziele nicht erreicht und versuchten nun, die Wahrheit zu vertuschen", beobachtet POLITIKEN aus Kopenhagen.
"Wie geht’s weiter mit dem Iran?", fragt die regierungsnahe türkische Zeitung YENI ŞAFAK: "Selbst wenn sich der Iran an die Vereinbarungen hält und die Verhandlungen fortsetzt, kann er nicht mehr davon ausgehen, dass die amerikanisch-israelische Partnerschaft nicht in einen Krieg mündet. Wenn Teheran künftig die nukleare Schwelle überschreitet, zieht es nicht nur den Zorn der Vereinigten Staaten und Israels auf sich, sondern geht auch das Risiko ein, dass andere Länder in der Region diesem Beispiel folgen. Dies würde ein neues Element der Instabilität in die Region bringen", befürchtet YENI ŞAFAK aus Istanbul.
Die französische Zeitung LIBÉRATION schaut nun auf die Zukunft des Gazastreifens: "Kann Donald Trump, nachdem er einseitig das Ende des 'Zwölf-Tage-Kriegs' zwischen Israel und dem Iran verkündet hat, auf gleiche Weise das Ende des seit 628 Tagen andauernden Krieges in Gaza erzwingen? Der Druck steigt, um dem ein Ende zu setzen. Die Antwort hängt wahrscheinlich mit dem politischen Schicksal des israelischen Premierministers zusammen, dessen Position sich innerhalb von zwölf Tagen erheblich verbessert hat", ist in der LIBÉRATION aus Paris zu lesen.
Zum Schluss noch ein Blick auf den gestrigen EU-Gipfel in Brüssel. Dazu schreibt die österreichische Zeitung DIE PRESSE: "Ohne Orbán geht‘s auch – bis zu einem gewissen Grad zumindest. Wieder einmal beschlossen 26 der 27 Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel eine gemeinsame Stellungnahme zur Ukraine. Ja zu einem gerechten und dauerhaften Frieden, zur Verurteilung der mörderischen Bombardements ukrainischer Zivilisten, zur Freilassung entführter Kinder, zur strafrechtlichen Verantwortung von Kriegsverbrechern, zur fortgesetzten finanziellen, humanitären und militärischen Unterstützung der Regierung in Kiew: wer könnte das ablehnen? Viktor Orbán, natürlich", merkt DIE PRESSE aus Wien an. Damit endet die internationale Presseschau.