17. Juli 2025
Die internationale Presseschau

In den Kommentarspalten geht es unter anderem um die Situation im Süden von Syrien. Zunächst aber Stimmen zum Vorschlag der Europäischen Kommission, den EU-Haushalt deutlich zu erhöhen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bei einer Rede im EU-Parlament in Straßburg
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den nächsten Haushalt komplett verändern. Vor allem für die Landwirtschaft könnte das Folgen haben. (IMAGO / Panama Pictures / Dwi Anoraganingrum)
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF kritisiert: "Der Geldhunger der Brüsseler Bürokraten ist grenzenlos. Die EU-Kommission, angeführt von Präsidentin von der Leyen, scheint nur darauf bedacht zu sein, mehr Macht an sich zu ziehen. Ihr vorgeschlagener Haushalt soll um Hunderte von Milliarden auf die astronomische Summe von zwei Billionen Euro aufgestockt werden. Das sei 'der ehrgeizigste Haushalt aller Zeiten', sagt von der Leyen. Sie meint damit natürlich den größenwahnsinnigsten Haushalt, den man sich vorstellen kann. Und dabei scheut die Kommission vor nichts zurück. Wenn es nach Brüssel geht, sollen Milliardenfonds geschaffen, gigantische Kredite aufgenommen und neue Steuern eingeführt werden. Einmal mehr nimmt die Kommission keine Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation in den EU-Mitgliedsstaaten. Außerdem ist sie taub für die Kritik der Bürger", meint DE TELEGRAAF aus Amsterdam.
Die italienische Tageszeitung LA REPUBBLICA notiert: "Unzureichend und überhaupt nicht europäisch, meinen die EU-Abgeordneten. Zu hoch, finden die sparsamen Länder Niederlande und Deutschland. Ein Angriff auf die Landwirtschaft, schreien die Landwirte. Zu viele Steuern, sagen die Rechten. Die Tatsache, dass der neue Haushaltsplan der Kommission bereits vielen - fast allen - missfällt, könnte allerdings auch ein positives Zeichen sein. Auf jeden Fall ist er ein Appetitanreger für den erbitterten Kampf der Macht, der Interessen, der Lobbys und des Konsenses, der in den nächsten zwei Jahren geführt werden wird. Und: er wird die fragilen Gleichgewichte auf die Probe stellen, auf denen Europa und die Von-der-Leyen-Mehrheit beruhen", prognostiziert LA REPUBBLICA aus Rom.
"Eines der wichtigsten Elemente im Haushalt ist der neue, so genannte 'Fonds für Wettbewerbsfähigkeit', analysiert die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN. "Denn in Europa schrillen die Alarmglocken, weil die Wettbewerbsfähigkeit der dortigen Industrien sinkt. Ohne Unterstützung von Brüssel könnte Europa mit den USA oder China nicht mehr mithalten, glaubt man. Deswegen der neue Plan. Eine Einigung mit den Mitgliedsstaaten wird aber sehr schwer zu erzielen sein. Von einem der führenden 'Sparfüchse' der EU, den Niederlanden, gibt es bereits Kritik am angeblich viel zu großen Budget. Ein anderes Glutnest ist Ungarn: Auf der gestrigen Pressekonferenz hat von der Leyen explizit die Wichtigkeit der Rechtstaatlichkeit betont. Dass dabei Ungarn gemeint war, ist klar. Man darf also auf die Reaktion von Viktor Orban gespannt sein. Bis Ende 2027 müssen von der Leyen und ihre Kommission eine Einigung erzielen: Jetzt hat ihr langer Kampf begonnen", heißt es in NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA beobachtet: "In der EU-Zentrale hat es schon lange kein so streng gehütetes Geheimnis mehr gegeben. Obwohl der von Haushaltskommissar Piotr Serafin ausgearbeitete Entwurf des mehrjährigen Finanzrahmens die Interessen vieler Länder und mächtiger Industrielobbys berührt, war von seinem Inhalt vor der Veröffentlichung relativ wenig bekannt geworden. Dies ist ein Zeichen dafür, wie sehr Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Macht in ihren Händen konzentriert hat."
Ein weiteres Thema in Brüssel sind neue EU-Sanktionen gegen Russland, die allerdings bisher von der Slowakei blockiert werden. Die slowakische Tageszeitung PRAVDA schreibt dazu: "Ministerpräsident Fico kämpft momentan tatsächlich für die nationalen Interessen der Slowakei. Wenn es darauf ankommt, sind die Versprechen der großen Player über Partnerschaft und Solidarität nur leeres Gerede. Das wird auch für einen absehbaren Streit mit dem russischen Gaslieferanten Gazprom gelten. Welche Garantien haben wir denn, dass Gazprom von uns nicht entgangene Gewinne einfordert, wenn wir die Gaslieferungen aus Russland stoppen? Und was kann so ein Schiedsgerichtsverfahren uns dann kosten? Brüssel sollte der Slowakei zumindest eindeutige Garantien geben, dass man im Notfall nicht einfach auf uns pfeift", fordert PRAVDA aus Bratislava.
Die Zeitung THE TIMES beobachtet die militärischen Entwicklungen im russischen Angriffskrieg: "Ein neu entdeckter Enthusiasmus von US-Präsident Donald Trump für die NATO hat einen katastrophalen Zusammenbruch des transatlantischen Sicherheitssystems vorerst abgewendet. Die Erlaubnis für die europäischen Länder, Waffen für die Ukraine zu kaufen, gibt den belagerten Verteidigern des Landes wichtige Hoffnung. Doch all dies wird nichts am Ausgang des Krieges ändern. Russlands Vorgehensweise mag im westlichen Sinne nicht effizient sein: Die Inkompetenz und die Verschwendung sind atemberaubend. Aber sie kann dennoch wirksam sein. Die Verteidiger der Ukraine kämpfen anständig. Sie sind hoch motiviert und werden größtenteils besser geführt. Aber sie sind zahlenmäßig und waffentechnisch unterlegen. Und das ist es, was am Ende zählt, solange es kein entscheidendes Eingreifen von außen gibt", warnt die britische Zeitung THE TIMES.
Themenwechsel. In Syrien ist es zuletzt zu neuen Kämpfen zwischen verschiedenen Volksgruppen und der Armee gekommen. Die türkische Zeitung EVRENSEL hebt hervor: "Die Übergangsregierung in Damaskus ist noch weit davon entfernt, die bewaffneten Gruppen vor Ort zu kontrollieren, geschweige denn, einen Staat und eine Armee aufzubauen und für Sicherheit zu sorgen. Zudem hat es die Regierung nicht auf den wütenden Mob abgesehen, sondern in erster Linie auf die Minderheiten. Kein Wunder also, dass zum Beispiel die rund 700.000 Drusen im Land kategorisch ausgeschlossen haben, ihre Waffen niederzulegen. Für sie würde das nämlich bedeuten, zu einem einfachen Ziel für Radikale und Plünderer vor Ort zu werden", analysiert EVRENSEL aus Istanbul.
"Im Dezember vergangenen Jahres hat mit dem Sturz des Assad-Regimes eine neue Ära begonnen, die sich von der vorhergehenden völlig unterscheidet," erinnert die arabische Zeitung AL-ARABY AL-JADEED. "Umso mehr kommt es für Regierung und Bevölkerung nun gleichermaßen darauf an, einen umfassenden nationalen Dialog zu initiieren, der niemanden ausschließt. Auch ein Ende der Gewalt in Suwaida kann nur durch offene, klare und transparente Absprachen erreicht werden, an die sich dann sämtliche Akteure halten – religiöse, politische und militärische. Geschieht dies nicht oder wird es von einigen sogar bewusst hintertrieben, droht der nationale Frieden nachhaltig untergraben zu werden", warnt AL-ARABY AL-JADEED, die in London erscheint.
Und die Zeitung MÜSAVAT aus Aserbaidschan ergänzt: "Die jüngsten Ereignisse in Syrien zeigen, wie fragil die Stabilität des Landes ist und wie hoch das Risiko solcher provokativer Spannungen. Sie zeigen ebenfalls, dass Syrien, ähnlich wie der Irak, auf einen Föderalismus zusteuert."
Zum Ende der Presseschau noch eine Stimme zum Richterwahl-Streit in Deutschland. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG konstatiert: "Verfassungsrichter im deutschen Staat sollten nur Personen werden, die absolut integer sind. Sie dürfen nicht durch einseitige Ansichten aufgefallen sein. Am besten sind sie noch gar nicht aufgefallen, sondern kühle Analytiker, die weder links noch rechts der Mitte zu verorten sind. Diese Voraussetzungen treffen auf die Jura-Professorin Frauke Brosius-Gersdorf nicht zu. Sie ließ Sympathien für ein Verbot der AfD erkennen und ist dafür, dass in manchen Teilen des öffentlichen Dienstes Kopftuch getragen werden darf. Beim Thema Abtreibung vertritt sie Thesen, die vielen konservativen Deutschen zu weit gehen. Am Dienstagabend versuchte sie ihre Reputation zu retten. In der Talkshow des Moderators Markus Lanz behauptete sie, 'gemäßigte Positionen aus der Mitte der Gesellschaft' zu vertreten. Das Kopftuch bei Rechtsreferendarinnen oder ein Verbot der zweitstärksten deutschen Partei sind aber linke Wunschträume", befindet die NZZ aus der Schweiz. Und damit endet die Internationale Presseschau.