24. Juli 2025
Die internationale Presseschau

Neben dem heutigen Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union und China kommentieren einige ausländische Zeitungen den Appell von fast 30 Staaten für ein Ende des Gaza-Kriegs. Doch zunächst geht es um die umstrittene Reform der Antikorruptionsbehörden in der Ukraine.

Personen nehmen an einer Demonstration gegen die Einschränkung der Autonomie der ukrainischen Antikorruptionsbehörden durch das ukrainische Parlament teil
Ukrainer protestieren gegen Gesetz zur Schwächung der Korruptionsbekämpfungsbehörden - das ist ein Thema in den Kommentaren. (picture alliance / Anadolu / Serhii Masin)
Die estnische Zeitung POSTIMEES erläutert: "Es scheint, als habe der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen größten Fehler seit Beginn der russischen Invasion begangen. Er hat nämlich einen Gesetzesentwurf unterzeichnet, der die Autonomie zweier Behörden zur Korruptionsbekämpfung aufhebt. Die Nachricht hat die Menschen zu Protesten auf die Straße getrieben, was für ein Land im Kriegszustand höchst ungewöhnlich ist. Es ist kein Wunder, dass die russische Propaganda das alles genüsslich ausschlachtet. Die Ukraine leidet seit Jahrzehnten unter ihrer Korruption, und den Ukrainern ist das alles nur allzu bewusst. Zu den wesentlichen Triebkräften der ukrainischen Freiheitsbewegung gehörte der Wunsch der Menschen, sich von eben diesem Übel zu befreien und die Ukraine durch Reformen zu einem normalen europäischen Land zu machen", betont POSTIMEES aus Tallinn.
Die slowakische Zeitung SME zieht vor dem Hintergrund der Proteste einen Vergleich zwischen dem jetzigen ukrainischen Präsidenten und dessen Vorgänger, der 2014 gestürzt wurde: "Selenskyjs Schritte erinnern gefährlich an jene von Janukowytsch damals. Nur befindet sich die Ukraine jetzt im Krieg, und jede Revolution könnte mit großer Wahrscheinlichkeit das Zusammenbrechen der Front bewirken - und damit das Zusammenbrechen des Staates selbst. Selenskyj weiß, dass er möglicherweise alles riskiert. Einer der wichtigsten Pfeiler, die ihn an der Macht halten, ist abgesehen von seinem Ethos als Anführer im Krieg die Perspektive der Westintegration. Was es heißen kann, diese zu gefährden, das ist ihm zweifellos klar. Und trotzdem hat er sich entschieden, dieses Risiko auf sich zu nehmen", hebt SME aus Bratislava hervor.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA aus Warschau beobachtet: "Die Europäische Kommission hat bereits ihre Besorgnis über das Vorgehen der Kiewer Führung zum Ausdruck gebracht. Schließlich ist die Korruptionsbekämpfung eine wesentliche Voraussetzung für den EU-Beitritt der Ukraine, aber auch für künftige westliche Hilfen, die den Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg bestimmen werden. Warum unternimmt Präsident Selenskyj während einer laufenden russischen Offensive und in einer unsicheren Lage an der Front einen so riskanten Schritt?", fragt RZECZPOSPOLITA.
Die österreichische Zeitung DER STANDARD aus Wien mahnt mit Blick auf Selenskyj: "Der Präsident, der schon bisher in Sachen Pressefreiheit nicht zimperlich war, setzt damit eine Negativspirale in Gang, an deren Ende die ukrainische Demokratie als Ganzes in Schieflage zu geraten droht. Für den Kampf gegen Russland bedeutet das nichts Gutes. Die Kreml-Propaganda wartet schließlich nur darauf, im Westen Zweifel an der Ukraine zu säen."
Themenwechsel. Die schwedische Zeitung DAGENS INDUSTRI beschäftigt sich mit dem EU-China-Gipfel, an dem auch Kommissionpräsidentin von der Leyen teilnimmt: "Mit dem Besuch in Peking nur wenige Tage vor dem Ablaufen von Trumps Zoll-Frist zeigt die EU-Spitze, dass man nicht vor Washington im Staub kriechen wird. Brüssel hat nicht nur eine lange Liste mit Gegenzöllen vorbereitet, die bei Bedarf gegen US-Waren verhängt werden können, sondern arbeitet auch aktiv daran, den Handel mit anderen Ländern inklusive China zu fördern. Eine eigenständige europäische China-Politik ist keine einfache Aufgabe. Natürlich muss die EU weiter Druck auf das chinesische Regime ausüben, Russlands Krieg gegen die Ukraine nicht mehr zu unterstützen, den Zugang zu seltenen Erden nicht mehr zur Erpressung einzusetzen und industrielle Überkapazitäten nicht per Dumping auf den europäischen Markt zu drücken. Aber von der Leyen zeigt kein Anzeichen von Desperation, sondern hält an den europäischen Prinzipien fest", notiert DAGENS INDUSTRI aus Stockholm.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA aus Barcelona verweist auf die Politik des US-Präsidenten: "Die Art und Weise, wie Donald Trump ins Weiße Haus eingezogen ist und ständig Drohungen gegen Europa richtet, hat alle diejenigen bestätigt, die an eine mögliche Annäherung zwischen der EU und China glauben, um eine gemeinsame Front gegen die USA zu bilden. Die Realität sieht allerdings eher so aus, dass sich Europa nicht einfach in die Arme des asiatischen Riesen werfen kann, weil man dann womöglich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera hat. China weiß seine Karten geschickt auszuspielen: Es protegiert seine Industrie, schottet seinen Binnenmarkt gegen europäische Produkte ab und unterstützt Putin in seinem Krieg gegen die Ukraine. Aus all diesen Gründen dürfte der heutige EU-China-Gipfel in Peking nur wenig praktische Ergebnisse nach sich ziehen", erwartet LA VANGUARDIA.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO aus Schanghai stellt fest: "Der Besuch der Kommissionspräsidentin von der Leyen und des Ratspräsidenten Costa der Europäischen Union in Peking fällt mit dem 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und Europa zusammen. Die beiderseitige Stimmung ist jedoch eingetrübt wegen aktuellen Problemen. Europa hat in seiner China-Politik noch keinen Ausgleich zwischen Zusammenarbeit, Wettbewerb oder gar Rivalität gefunden. Bedauerlicherweise wird das Verbindende immer geringer geschätzt", kritisiert JIEFANG RIBAO.
Nun noch Stimmen zu einem von Großbritannien initiierten internationalen Appell für ein Ende des Gaza-Kriegs, der auch von rund 20 EU-Staaten unterzeichnet wurde. Die britische Zeitung THE GUARDIAN findet: "Angesichts der systematischen Zerstörung palästinensischen Lebens in Gaza müssen die anderen Staaten gemeinsam eine systematische, umfassende und konkrete Antwort geben. Wann, wenn nicht jetzt? Was braucht es noch, um sie zu überzeugen? Dies ist in erster Linie eine Katastrophe für die Palästinenser. Aber wenn Staaten weiterhin zulassen, dass das humanitäre Völkerrecht ausgehebelt wird, werden die Folgen in den kommenden Jahren noch viele andere Menschen auf der ganzen Welt zu spüren bekommen", befürchtet THE GUARDIAN aus London.
Die türkische Zeitung STAR aus Istanbul beschreibt die Lage im Gazastreifen: "Die Menschen sterben vor Hunger, während außerhalb des Gazastreifens Vorräte in Lastwagen und Lebensmittellagern lagern, die die Bevölkerung monatelang versorgen könnten. Sie sterben hungrig unter den Kugeln, weil Israel die LKW nicht einfahren lässt. Zivilisten, die stundenlang in der sengenden Sonne in der Schlange auf Hilfsgüter warten, um ihren Familien einen Sack Mehl und einen Topf mit Lebensmitteln zu bringen, werden von Panzern, Scharfschützen und Drohnen ins Visier genommen. Und die Welt schaut einfach zu!", moniert STAR.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio argumentiert: "Was für eine katastrophale Situation im Gazastreifen herrscht, darüber wissen die Menschen in Israel nicht viel, weil ein Großteil der israelischen Medien nicht berichtet. Auch deshalb ist das gemeinsame Statement wichtig, um die Bevölkerung in Israel über die wahre Realität zu informieren."
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM aus Ramallah geht näher auf das Papier ein. Darin erklärten die Länder, sie lehnten "Zwangsumsiedlungen und alle Maßnahmen ab, die zu einem demografischen Wandel in den besetzten palästinensischen Gebieten führen würden. Nachdem vergleichbare Aufrufe im UNO-Sicherheitsrat am Veto der USA gescheitert sind, wäre dies ein Weg: Die Länder der Welt können einzeln, gemeinsam oder über die UNO-Generalversammlung Maßnahmen ergreifen, um Einfluss auf Israel zu nehmen und Krieg, Hunger und Tod der Palästinenser zu beenden. Sie könnten mit diplomatischen, wirtschaftlichen und sogar militärischen Sanktionen drohen, ohne den Sicherheitsrat erneut anrufen zu müssen. So stehen insbesondere die westlichen Staaten derzeit an einer Wegscheide", schätzt AL AYYAM.