26. Juli 2025
Die internationale Presseschau

Diesmal dreht sich alles um den Krieg im Gazastreifen - von der humanitären Krise bis zur Ankündigung des französischen Präsidenten Macron, einen palästinensischen Staat anzuerkennen.

Ein stark abgemagerter Jugendlicher liegt im Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt in einem Krankenbett und wartet auf Behandlung. Seine Mutter kümmert sich um ihn.
Die Bevölkerung im Gazastreifen leidet unter Hunger und Unterernährung - die Diskussion über politische Konsequenzen läuft. (picture alliance / Anadolu / Ahmed Jihad Ibrahim Al-arini)
"Es wurde auch Zeit", findet LIBERATION aus Paris. "Präsident Macron hatte die Ankündigung schon für Juni vorgesehen, aber er wurde von der Offensive Israels im Iran gestoppt. Wahrscheinlich hätte sich das Ganze noch weiter verzögert, hätte sich die ohnehin schon tragische Lage der Palästinenser im Gazastreifen nicht so sehr verschlechtert - wie die unerträglichen Bilder von Kindern und Erwachsenen zeigen, die buchstäblich verhungern. Um es klar zu sagen: Die Ankündigung wird an den Leiden der Menschen in Gaza und im Westjordanland kurzfristig nichts ändern. Und bisher ist auch nicht abzusehen, auf welchem Gebiet ein palästinensischer Staat überhaupt entstehen könnte und unter welcher Führung. Aber irgendwo muss man ja anfangen", notiert die französische Zeitung LIBERATION.
Die türkische MILLIYET spricht von einem "bahnbrechenden Schritt": "Wenn Macron seine Entscheidung nicht rückgängig macht, wird er als 'der Präsident, der den Staat Palästina anerkannt hat' in die Geschichte eingehen. Allerdings muss Frankreich dafür mit Drohungen sowohl im Inland als auch im Ausland rechnen: Nachdem Schweden im Oktober 2014 die Anerkennung Palästinas beschlossen hatte, sahen sich Diplomaten und schwedische Hilfsorganisationen zahlreichen Einschränkungen gegenüber. Ähnlich war es nach der Anerkennung durch Spanien. Die größte Sorge ist, dass es nach der Entscheidung zu Tumulten auf den Straßen kommen könnte. Bis zur Aufnahme Palästinas als 'Vollmitglied' in die UNO ist es noch ein weiter Weg", prophezeit MILLIYET aus Istanbul.
Die spanische Zeitung DIARIO DE NOTICIAS sieht Frankreich - und auch Großbritannien - als frühere Kolonialmächte der Region in besonderer Verantwortung: "Doch jenseits aller Symbolik muss ein Staat Palästina lebensfähig sein. Dafür wird Stabilität benötigt. Außerdem müssen die wirtschaftlichen Grundlagen geschaffen werden, was Israel seit Jahrzehnten blockiert. Für eine Zwei-Staaten-Lösung fehlt es an Kompromissbereitschaft. Notwendig ist jetzt ein entschlossener Einsatz zur Beendigung des Leids der Palästinenser, aber auch für das Existenzrecht Israels. Nur so kann der israelischen Führung die Grundlage dafür entzogen werden, Verstöße gegen die Menschlichkeit weiterhin zu rechtfertigen", argumentiert DIARIO DE NOTICIAS aus Pamplona.
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM hält fest: "Israel fürchtet die Ankündigung Macrons, denn sollte er sein Versprechen einlösen, dürfte Großbritannien denselben Schritt tun. Dann bliebe Israel keine andere Wahl, als die Realität der Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates zu akzeptieren. Für die arabischen Staaten ist es daher an der Zeit, Frankreichs neue Position zu unterstützen, um den Anliegen der Palästinenser wieder mehr internationales Gewicht zu verleihen. Denn diese haben lange Zeit hohe Opfer gebracht, um ihr Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit durchzusetzen", betont AL AYYAM aus Ramallah.
ASAHI SHIMBUN aus Japan überlegt, ob weitere G7-Staaten dem Beispiel Frankreichs folgen: "Möglich wäre es bei Kanada oder Italien. Der Wind in der internationalen Gemeinschaft könnte sich durchaus drehen. Das wiederum könnte zu einer Isolation der USA und Israels führen. Allerdings ist eine Anerkennung als Staat eine diplomatische Karte, die nur einmal eingesetzt werden kann. Jeder Staat muss vorsichtig agieren. In Japan als einem der G7-Staaten steht die aktuelle Regierung derzeit vor einer unsicheren Zukunft - und kann daher wohl nicht gegen den Willen der USA entscheiden", meint eine Gastkommentatorin der Zeitung ASAHI SHIMBUN, die in Tokio erscheint.
Auch Deutschland könnte sich unter Druck gesetzt fühlen, Frankreich zu folgen, erläutert ein Gastkommentator auf der Internetseite der TIMES OF ISRAEL: "Gerade für Deutschland ist das mit Blick auf die Geschichte und die besondere Beziehung zu Israel eine heikle Situation. Das internationale Ansehen Deutschlands würde ernsthaft beschädigt, wenn das Land einen palästinensischen Staat anerkennt, während Israel um sein Überleben kämpft. Besonders problematisch an Frankreichs Ankündigung ist das Timing: Sie folgt nicht nur auf die Kämpfe in Gaza, sondern insbesondere auf den 7. Oktober 2023. Damit belohnt Frankreich eine der schrecklichsten Gräueltaten der jüngeren Geschichte", heißt es in einem Gastkommentar der TIMES OF ISRAEL.
Die italienische LA REPUBBLICA wirft ein: "Es bedarf keiner Umfragen, um zu wissen, dass ein Großteil der Öffentlichkeit zwischen Israelis und der israelischen Regierung unterscheiden kann. Viele Menschen lehnen die Gleichsetzung 'politische Kritik = Antisemitismus' ab, sie halten das Existenzrecht Israels dennoch für unverzichtbar. Aber genau aus diesem Grund finden sie, das Massaker an über 60.000 unbewaffneten Zivilisten in Palästina sei nicht länger tolerierbar. Es handelt sich hierbei nicht mehr um eine Reaktion auf den barbarischen Pogrom vom 7. Oktober oder um Rache dafür. Darüber sind wir mittlerweile hinaus", lautet die Einschätzung von LA REPUBBLICA aus Rom.
"Die schweren Vorwürfe gegen die Regierung Netanjahu sind nicht unbegründet", schreibt die brasilianische Zeitung O GLOBO. "Es gibt zahlreiche Beweise für den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt - und als Demokratie muss sich Israel an anderen Maßstäben messen lassen. Der Vorwurf Netanjahus, die Hamas profitiere von der Lieferung von Hilfsmitteln, darf nicht als Vorwand dienen, die benötigten Güter zurückzuhalten. Auch der Abwurf von Paketen durch jordanische und emiratische Flugzeuge reicht nicht aus. Die Regierungen in Berlin, Paris und London fordern nun in einer gemeinsamen Erklärung ein Ende der 'humanitären Katastrophe' im Gazastreifen. Das Vorgehen der Netanjahu-Regierung steht klar im Widerspruch zum demokratischen Geist und zur Kultur des jüdischen Volkes", unterstreicht O GLOBO aus Rio de Janeiro.
Nach Ansicht der britischen TIMES sind vor allem die USA gefordert. Das Blatt führt aus: "Das Kriegsvölkerrecht schreibt vor, dass Kampfparteien alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, um unschuldige Zivilisten zu schützen. Dennoch sind zu viele Bewohner Gazas Opfer in einem Konflikt geworden, der von den Fanatikern der Hamas vom Zaun gebrochen wurde. Diese Zeitung hat lange Zeit Israels Recht auf Selbstverteidigung unterstützt, die Luftangriffe auf iranische Atomanlagen und die Infrastruktur der Hisbollah im Libanon eingeschlossen. Aber welche Strategie kann man inmitten der Trümmer von Gaza verteidigen? Die menschliche Katastrophe dort gefährdet sogar langjährige Freundschaften. Die USA müssen auf die wachsenden Bedenken sowohl innerhalb als auch außerhalb Israels hören und Druck auf die israelische Regierung ausüben, damit sie Hilfswege öffnet. Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren", drängt THE TIMES aus London.
Auch der Zeitung THE SCOTSMAN zufolge ist nun US-Präsident Trump gefordert, der gerade in Schottland zu Besuch ist: "Die Anerkennung eines palästinensischen Staates hat Trump zwar verworfen, doch momentan wirkt das Ganze ohnehin eher wie eine politische Geste. Dringender brauchen die Menschen in Gaza eine Waffenruhe, Lebensmittel und medizinische Hilfe. Das israelische Armee-Radio meldet, die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu habe anderen Ländern die Erlaubnis erteilt, Hilfsgüter per Fallschirm abzuwerfen. Die internationale Gemeinschaft sollte mit einer Rettungsmission nach dem Vorbild der Berliner Luftbrücke reagieren. Trump hat die Macht, eine Operation dieser Größenordnung umzusetzen. Es heißt, der US-Präsident wolle den Friedensnobelpreis. Die Rettung der Menschen in Gaza vor Hunger und Krieg würde ihn rechtfertigen", findet THE SCOTSMAN aus Edinburgh.