
"Israel steht an einem Scheideweg", heißt es in der JERUSALEM POST. "Die Hamas hat alle Vorschläge für einen Waffenstillstand abgelehnt, die Geiseln werden ausgehungert, und es muss sich etwas an der Art und Weise ändern, wie der Krieg in Gaza seit fast zwei Jahren geführt wird. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu mag glauben, dass die Besetzung des Gazastreifens die Geiseln nach Hause bringen und die Hamas zerschlagen wird, aber die Erfahrung und auch militärische Analysen sprechen eine andere Sprache. Militärexperten warnen davor, dass Israel in einen kostspieligen Krieg verwickelt sein wird, dessen Ende nicht abzusehen ist. Der Krieg hat der israelischen Wirtschaft bereits schweren Schaden zugefügt. Ehemalige israelische Militär- und Geheimdienstführer haben Netanjahu aufgefordert, den Krieg zu beenden, mit der Begründung, dass eine Eskalation der Lage Israels langfristige Sicherheit gefährden würde. Sie verstehen, dass die gefährlichsten Kriege diejenigen sind, die niemals enden." Sie hörten die JERUSALEM POST aus Israel.
Laut israelischen Medienberichten plant Netanjahu die vollständige Eroberung des Gazastreifens. Dazu heißt es in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG: "Eine Besetzung mit anschließender Annexion könnte eine Kettenreaktion auslösen: wirtschaftliche Sanktionen, juristische Anklagen, diplomatische Verwerfungen, Einschränkungen bei militärischer Zusammenarbeit, Forschungsförderung oder der Vergabe von Visa. Auch der internationale Boykottaufruf gegen Israel, bislang politisch umstritten, könnte dadurch neuen Auftrieb erhalten. Israel würde sich mit einer Annexion in ein politisch-militärisches Projekt verstricken, das Ressourcen binden und die eigene Gesellschaft zermürben würde. Israel kann Gaza nicht einfach wie einen leeren Landstrich verwalten. Es kann die Rechte, Bedürfnisse und Hoffnungen von rund zwei Millionen Menschen nicht einfach ignorieren. Eine dauerhafte Kontrolle ohne politische Lösung würde zu einem Unterdrückungssystem führen – mit allen moralischen, rechtlichen und historischen Konsequenzen", hebt die NZZ aus der Schweiz hervor.
Die Zeitung DAGENS NYHETER aus dem schwedischen Stockholm kommentiert den Einfluss der Europäischen Union. "Bislang hatte sich die EU damit begnügt, an Israel zu appellieren, Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen. Doch nun verhärtet sich ihre Haltung. Ein dramatischer Wandel in der europäischen Politik geht vor sich. In fast allen Mitgliedstaaten ist die Hungersnot in Gaza zu einem spannungsgeladenen innenpolitischen Thema geworden, und Meinungsumfragen zeigen einen starken Rückgang der Unterstützung für Israel in ganz Europa."
"Wir sprechen über Opferzahlen, aber selten darüber, was Israels Bevölkerung erlebt hat", meint die norwegische Zeitung VERDENS GANG aus Oslo. "Was macht es mit einer Gesellschaft, in ständiger Alarmbereitschaft zu leben? Die Wirklichkeit von Millionen Menschen in Israel spielt sich seit Jahrzehnten vor einem Hintergrund aus Selbstmordanschlägen, Raketenangriffen und gescheiterten Friedensprozessen ab. Die Besatzungspolitik allein ist keine Erklärung für die Situation. 2005 zog sich Israel aus Gaza zurück. Kein einziger israelischer Soldat oder Siedler blieb zurück. Aber das Ergebnis war kein Frieden, sondern eine gewaltsame Machtübernahme durch die Hamas."
Auch die spanische Zeitung ABC sieht es so: "Seit seiner Gründung muss sich Israel gegen Staaten und Milizen verteidigen, die es zerstören wollen. Das wird es auch weiterhin tun, und zwar unabhängig davon, ob der Gegner eine Terrorgruppe oder ein Staat ist. Solange die Hamas in Gaza an der Macht bleibt, kann von einem palästinensischen Staat nicht ernsthaft die Rede sein, denn die Hamas ist eine Terrororganisation. Sie benutzt die Palästinenser als menschliche Schutzschilde, unterdrückt ihre Gegner und hat alle Grenzen der Barbarei überschritten. Die Palästinenser verdienen mehr als eine falsche Unabhängigkeit unter der eisernen Faust der Hamas. Sie verdienen einen echten, friedlichen und demokratischen Staat und keine leere Hülse, für die sich der Westen selber lobt", ist in ABC aus Madrid zu lesen.
"Wird sich die Geschichte wiederholen?", lautet die Frage in JIEFANG RIBAO aus Schanghai. "Auch nach dem Sechstagekrieg 1967 hatte Israel Gaza 38 Jahre lang besetzt. Nun plant auch Netanjahu die vollständige Besetzung des Palästinensergebiets. Das Schicksal der 20 sicher noch lebenden israelischen Geiseln scheint zweitrangig für ihn zu sein. Politisch wie auch militärisch ist die Strategie nicht ohne Risiko. Für einen länger anhaltenden Krieg fehlen der Armee Soldaten. Auch hat Netanjahu bis heute kein Konzept für die Zeit nach der Besetzung präsentiert. Seit Kriegsbeginn im Oktober 2023 haben zwei Millionen Palästinenser ihr Zuhause und 60.000 Menschen ihr Leben verloren. Netanjahu sollte die Katastrophe nicht noch weiter verschlimmern", unterstreicht die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO.
In Polen hat der Rechtsnationalist Nawrocki das Präsidentenamt übernommen. Die GAZETA WYBORCZA aus Warschau mutmaßt: "Dies wird eine Präsidentschaft der Auseinandersetzungen, nicht des Zusammenhalts sein. Es wird eine Präsidentschaft des Rückzugs aus der Europäischen Union und einer Hinwendung zu illiberalem Nationalismus und Populismus sein. Als Präsident wird Nawrocki eine bedeutende Rolle in der Außenpolitik spielen wollen und dabei auf die Gunst von Trumps Team und die Tatsache setzen, dass die USA unser strategischer Verbündeter in Sicherheitsfragen sind. In Europa dürfte er populistischen Politikern wie dem ungarischen Ministerpräsidenten Orbán oder dem slowakischen Ministerpräsidenten Fico nahestehen. Auch sie lehnen die EU ab, weil diese die Einhaltung grundlegender Rechtsstaatlichkeitsprinzipien verlangt. Bezeichnenderweise erwähnte Nawrocki bei seiner gestrigen Rede im polnischen Parlament zwar den Krieg jenseits unserer Ostgrenze, doch das Wort 'Ukraine' fiel nicht, ebenso wenig wie eine Verurteilung Putins und dessen Aggression gegen unser Nachbarland." Das war ein Auszug auf der polnischen GAZETA WYBORCZA.
"Die Vereidigung von Nawrocki als polnischem Präsidenten ist ein weiterer Schlag für die liberale Demokratie in Europa", heißt es auch in der niederländischen Zeitung DE VOLKSKRANT. "Nawrocki unterstützt die rechtsextremen 'Bürgerpatrouillen', die versuchen, das Recht in die eigene Hand zu nehmen und Migranten aufzuhalten. Damit schürt er das Klima der Fremdenfeindlichkeit und des Rassismus in Polen weiter. Zweifellos wird Nawrocki Polens Ministerpräsidenten Donald Tusk das Leben schwer machen - in der Hoffnung, dass die PiS und andere rechte Parteien die Parlamentswahlen 2027 gewinnen werden. In Europa zeichnet sich ein Kampf zwischen zwei Gesellschaftsvisionen ab. Auf der einen Seite steht die liberale Demokratie, die auf einer unabhängigen Justiz und individuellen Grundrechten für alle Bürger basiert. Auf der anderen Seite steht die radikale Rechte, die überzeugt ist, dass die Mehrheit oder die Gruppe, die sich selbst als Mehrheit betrachtet, das Recht hat, anderen ihren Willen aufzuzwingen", analysiert DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
"Die Befugnisse des Präsidenten sind begrenzt, aber er verfügt über ein Vetorecht", daran erinnert LA VANGUARDIA aus Barcelona. "Polen drohen nun zwei Jahre Wahlkampf, und Tusk steht vor einer schweren Aufgabe: Er muss effektiver als in den vergangenen beiden Jahren dafür sorgen, dass Polen auf dem europäischen Weg bleibt - und er muss Entscheidungen vermeiden, die von dem reaktionären Nawrocki instrumentalisiert werden könnten. Tusk wird vermutlich auch das Versprechen brechen müssen, das er bei seiner Kandidatur für das Amt des Premierministers gab: eine Aussöhnung der Gesellschaft."