
Doch zunächst ziehen einige ausländische Zeitungen eine 100-Tage-Bilanz der deutschen Regierung unter Bundeskanzler Merz. Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT blickt zurück: "Merz ging im Mai mit großen Ambitionen an den Start. Sowohl Deutschland als auch Europa brauchten dringend eine starke Führung, und Merz fühlte sich dazu berufen. Nachdem seine Amtszeit als Kanzler nun die symbolische Grenze von hundert Tagen überschritten hat, kann eine erste, vorsichtige Bilanz gezogen werden. Sie fällt gemischt aus: Auf internationaler Ebene spielt Merz eine aktive Rolle, aber in Deutschland selbst hat er große Schwierigkeiten, die Bürger von der Richtigkeit seines Kurses zu überzeugen. Merz' niedrige Umfragewerte sind zum Teil auf einen Mangel an Charisma und Charme zurückzuführen", glaubt DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die britische Zeitung THE GUARDIAN stellt fest: "Merz hat Mühe, den tiefen Pessimismus zu überwinden, der sich in Europas führender Volkswirtschaft breitgemacht hat. Bei der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ist keine deutliche Trendwende erkennbar; es wird voraussichtlich auch in diesem Jahr stagnieren. Zudem hat die Entscheidung der Regierung, die angekündigte Senkung der Stromsteuer nicht für private Haushalte und Kleinunternehmen umzusetzen, viele Wähler verärgert. Auch eine kontroverse Debatte über das Rentenalter hatte negative politische Folgen. In Bezug auf Migration - ein Thema, das Merz der AfD zu entreißen versuchte - hat seine Regierung gemischte Ergebnisse erzielt", resümiert THE GUARDIAN aus London.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER betont, Merz habe bei Amtsantritt spürbare Verbesserungen bis zum Sommer angekündigt: "Tatsächlich hat sich die schwarz-rote Koalition im Klein-Klein der Innenpolitik verheddert. Die Stimmung in der Regierung? Schlecht. Merz regiert wie ein CEO, der allein an der Spitze steht. Er unterschätzt, wie wichtig Kompromisse und Kommunikation in der Politik sind. Entscheidungen finden in den eigenen Reihen keine Unterstützung, weil er sie schlecht vermittelt", argumentiert der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
Themenwechsel. Die spanische Zeitung EL PAIS geht auf die Videokonferenz europäischer Spitzenpolitiker mit US-Präsident Trump ein, an der auch der ukrainische Präsident Selenskyj teilnahm: "Das Ziel war, Trump die gemeinsame Position der Ukraine und ihrer europäischen Verbündeten zu vermitteln, bevor er in Alaska mit dem russischen Präsidenten Putin zusammentrifft, um über ein Ende des Kriegs zu verhandeln. Dass mitten im Sommer ein solches Treffen einberufen wurde, macht deutlich, wie groß die Sorge der Europäer ist, dass sich Trump von Putin verführen lässt und dass die Großmächte einen Pakt ohne Europa schließen. Die gemeinsame Position der Ukraine und der Europäer ist konsequent, denn es geht um einen Krieg, der bei ihnen stattfindet", urteilt EL PAIS aus Madrid.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA aus Warschau hebt hervor, Gastgeber der Videokonferenz war "Bundeskanzler Merz, und dank seiner seit vielen Monaten aufgebauten guten Beziehungen zu Trump war es überhaupt erst gelungen, dieses Gespräch zustande zu bringen. Auch dank der Entschlossenheit des deutschen Politikers wurde Polen in den engen Kreis der Länder aufgenommen, die bei dem Meinungsaustausch mit dem US-Präsidenten vertreten waren."
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE aus Wien beobachtet: "Die Vertreter der wichtigsten europäischen Staaten wirken nervös. Und das zu Recht. Denn der selbst ernannte Dealmaker Trump feilscht in Alaska mit Putin nicht nur um Friedensbedingungen für die Ukraine. Er treibt – in letzter Konsequenz – auch Handel mit der Sicherheit Europas. Für die EU und den europäischen Teil der NATO ist klar: Ohne Hilfe der USA würde es sehr schwer, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland erfolgreich zu unterstützen. Trump kann also massiven Druck auf die Führung in Kiew ausüben, damit sie jedes Abkommen akzeptiert, das er für richtig hält", schätzt DIE PRESSE.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio spekuliert über die Strategie von Russlands Päsident Putin. In einem Gastkommentar heißt es: "Gesprächsbereitschaft zeigen, um die US-Sanktionen zu vermeiden und die USA für sich ausnutzen, um aus der internationalen Isolation herauszukommen: Das sind Putins Ziele. An dieser Grundhaltung wird sich wohl nichts ändern."
Die türkische Zeitung POSTA aus Istanbul vermutet: "Der Krieg in der Ukraine steht an einem Scheideweg, der nicht nur die Zukunft Europas, sondern auch die der globalen Sicherheitsarchitektur bestimmen wird. Das morgige Gipfeltreffen zwischen Putin und Trump im amerikanischen Bundesstaat Alaska ist kein gewöhnlicher Punkt im diplomatischen Kalender, sondern ein entscheidender Zug auf dem Schachbrett der Weltpolitik."
Die südafrikanische Zeitung BUSINESS DAY aus Johannesburg rät dem US-Präsidenten: "Trump sollte am Freitag nicht auf eine Einigung hinarbeiten, sondern das Treffen nutzen, um sich zu informieren und die Bereitschaft Putins für ernsthafte Gespräche zur Beendigung des Krieges einzuschätzen. Drohungen in den sozialen Medien beenden keine Kriege. Persönliche Treffen hingegen schon."
Die französische Zeitung LIBÉRATION aus Paris vertritt die Ansicht, es sei keine "Friedensverhandlung, die am Freitag in Alaska stattfinden wird, sondern ein Theaterstück. Beide Staatschefs werden eine Rolle spielen, die sorgsam im Voraus geschrieben und lange eingeübt wurde. Die Europäer sind darauf reduziert, bloße Zuschauer zu sein."
Abschließend geht es um den weltweit größten Staatsfonds in Norwegen. Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER erläutert: "Die Norweger dachten, sie könnten ihren Ölfonds verwalten, ohne in die Politik hineingezogen zu werden. Das war leichter gesagt als getan. Die Debatte kocht hoch, seit die Zeitung 'Aftenposten' enthüllt hat, dass der Fonds in israelische Unternehmen investiert hat, die Kampfflugzeuge unterhalten und Militärtechnik für den Krieg in Gaza liefern. Das Finanzministerium und die Investitionsbank, die den Ölfonds verwalten, wussten davon, taten aber nichts. Der Ethikrat, der die Investitionen des Ölfonds prüft, behauptet, dass die Unternehmen nicht von den Richtlinien betroffen sind. Kritiker bezeichnen das als 'skandalös', und dem lässt sich nur schwerlich widersprechen. Schließlich sah sich Finanzminister Stoltenberg zum Handeln gezwungen, und nun hat der Ölfonds alle Aktien an elf israelischen Unternehmen verkauft. Für Norwegens Politik-Veteran Stoltenberg bedeutet die Lage eine unbequeme kritische Nabelschau. Immerhin war er aktiv beteiligt, als der Ölfonds eingerichtet wurde, und er war einer der Architekten für das Prinzip, das Geld nie als politisches Werkzeug einzusetzen", gibt DAGENS NYHETER aus Stockholm zu bedenken.
Die norwegische Zeitung BERGENS TIDENDE verweist auf den Chef des Fonds: "Als Nicolai Tangen vor die Presse trat, tat er nichts, um dem Eindruck entgegenzuwirken, der Fonds habe keinen Überblick über sein Portfolio. Schließlich ist mittlerweile bekannt, dass die Investitionen des Fonds in Israel von einer Gesellschaft verwaltet werden, die den lokalen Markt kennt - und in der Rüstungsindustrie lässt sich bekanntlich großes Geld verdienen. Und was dachte der Ölfonds eigentlich, wozu Israel Kampfflugzeuge mitten im Gaza-Krieg verwenden würde? Wie blind können Aktienkurse machen? So lange niemand laut sagt, dass Norwegen an groben Verstößen gegen das Völkerrecht Geld verdient, läuft alles im Verborgenen ab. Wenn die Sache aber politische Aufmerksamkeit bekommt, werden die Investitionen auf einmal hinterfragt. Jetzt muss die Politik mit der Aufräumarbeit beginnen, um das Vertrauen in den Ölfonds wieder herzustellen", verlangt BERGENS TIDENDE aus Bergen.