
"Der Gipfel wird als Antwort auf US-Präsident Trump gesehen, der den Multilateralismus schwächt", heißt es in der portugiesischen Zeitung CORREIO DA MANHA. "Das Treffen stellt auch eine Reaktion auf seinen fehlgeschlagenen Plan dar, China politisch zu isolieren, denn eingetreten ist das Gegenteil: Die Anwesenheit des indischen Premiers Modi steht für eine Deeskalation zwischen den beiden asiatischen Riesen. Indem der chinesische Staats- und Parteichef Xi außerdem die Präsidenten Russlands, der Türkei und des Iran mit UNO-Generalsekretär Guterres zusammenbrachte, richtet er eine klare Botschaft an Trump und an Europa: Es gibt einen nicht-westlichen Multilateralismus, der infolge der wirren Politik Washingtons zunehmend stärker wird." urteilt die Zeitung CORREIO DA MANHA, die in Lissabon erscheint.
Die der Kommunistischen Partei Chinas nahestehende GLOBAL TIMES schreibt: "Die Organisation hat das größte Treffen seit ihrer Gründung einberufen, was ihren inneren Zusammenhalt und ihren wachsenden internationalen Einfluss widerspiegelt. Derzeit nehmen die Gefahren durch Unilateralismus und Hegemonialismus zu. Bestimmte westliche Mächte untergraben bewusst den Multilateralismus. Die Mitgliedstaaten der Shanghaier Organisation, die etwa die Hälfte der Weltbevölkerung und etwa ein Viertel der Weltwirtschaft ausmachen, müssen ihre Zusammenarbeit stärken. Das kommt nicht nur ihrer eigenen Entwicklung und regionalen Sicherheit zugute, sondern wird auch weltweite Stabilität bringen", heißt es in der GLOBAL TIMES aus Peking.
In der russischen NESAWISSIMAJA GASETA lesen wir: "Peking sendet folgende Botschaft an die Weltgemeinschaft: Heute sind es nicht die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten in Militärblöcken, die auf der Weltbühne als Kraft für Stabilität und Ordnung fungieren, sondern China. Ein Gipfeltreffen von mehr als 20 Staats- und Regierungschefs, gefolgt von einer Militärparade mit neuen chinesischen Kampfjets und Raketen, ist nicht nur ein Fest, sondern ein Beweis dafür, wie Xi die Weltordnung neu aufbaut, die zuvor von den USA dominiert wurde. Doch es gibt auch Experten in Ostasien, die die Schanghaier Organisation als ‚Papiertiger‘ bezeichnen, da sie aufgrund unüberbrückbarer Differenzen zwischen ihren Mitgliedern – zum Beispiel zwischen Indien und Pakistan – nicht in der Lage sei, wirklich etwas für die Sicherheit in Asien zu tun. Die SCO ist kein Gegengewicht zur NATO oder anderen Militärblöcken. Sie verkörpert die Rivalität zweier Systeme. Welches System wird attraktiver sein: das des globalen Südens oder des Westens, dem die Kräfte schwinden? Darum geht es in Tianjin", lautet die Analyse in der NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
"Xis Vorhaben ist klar", meint die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN. "Er will Indien für sich gewinnen und von den Annäherungsversuchen der westlichen Staaten fernhalten. Allerdings existiert zwischen China und Indien auch ein tiefer Graben: Ein Grund ist Pakistan. Zu dem Land, mit dem Indien seit fast 80 Jahren verfeindet ist, pflegt China sehr enge Beziehungen und unterstützt das Land wirtschaftlich und militärisch. So dürfte der Aufbau der Beziehungen nicht einfach werden. Während die meisten Teilnehmer des Treffens direkt nach Peking weiterreisen, um der großen Militärparade am Mittwoch beizuwohnen, wird Modi schon heute nach Indien zurückfliegen. Es scheint sich nichts daran zu ändern, dass Peking und Neu-Delhi ein kaltes Verhältnis zueinander haben", resümiert ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG beschäftigt sich mit Chinas Monopolstellung bei der Förderung und Verarbeitung seltener Erden: "Im vergangenen Jahr trat in der EU das Gesetz für kritische Rohstoffe in Kraft. Eines der Ziele ist es, die Abhängigkeit von China zu reduzieren. Um seine marktbeherrschende Stellung zu sichern, kappt Peking die Lieferungen seltener Erden ins Ausland nie komplett. Denn dann würden die USA und die EU wohl beträchtliche Investitionen freigeben, um endlich von China unabhängig zu werden. Die geopolitischen Friktionen nehmen zu, die Rivalitäten zwischen den Großmächten gewinnen an Schärfe. Spätestens der Ukraine-Krieg hat Europa schmerzhaft vor Augen geführt, was passieren kann, wenn man sich in eine zu große Abhängigkeit begibt", mahnt die NZZ aus der Schweiz.
Um damit zum nächsten Thema. Die Vorsitzenden der Unions- und der SPD-Fraktion im Bundestag, Spahn und Miersch, wollen heute in Kiew Gespräche über die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Krieges in der Ukraine führen. "Europa ist nach der russischen Vollinvasion in der Ukraine endlich aufgewacht", stellt die estnische Zeitung POSTIMEES fest. "EU-Kommissionschefin von der Leyen erklärte am Samstag bei ihrem Besuch auf dem estnischen Luftwaffenstützpunkt Ämari, dass eingetreten sei, wovor Estland schon seit Jahren gewarnt habe. Europa muss konsequent die Ukraine unterstützen, aber auch seine eigene Verteidigungsfähigkeit erheblich schneller steigern. Estlands Premierminister Michal verwies auf einen kürzlich erfolgten Drohnen-Zwischenfall, weshalb man einen Drohnen-Abwehrschirm an der EU-Außengrenze brauche. Früher spielten Drohnen keine große Rolle. Man setzte auf traditionelle Verteidigungstechnik. Aber nun muss Europa zunehmend die Rolle der USA übernehmen und zusätzlich seine eigene Verteidigung stärken", fasst POSTIMEES aus Tallinn zusammen.
Die Gastkommentatorin im britischen GUARDIAN blickt auf die Rolle des US-Präsidenten in den Friedensbemühungen. "Donald Trump, der sich selbst zum Vermittler in diesem Krieg ernannt hat, hat das Vokabular der Widersprüche fast erschöpft. An manchen Tagen verkündet er, dass nur er allein diesen Krieg beenden kann. Dann beharrt er darauf, dass Friedensgespräche Russland und der Ukraine überlassen bleiben sollten. Für diejenigen, die zuschauen – ob in Kiew, Moskau, Washington oder anderswo – ist das schwindelerregend. Improvisierte Politik ist keine Strategie. Und in einem Krieg, in dem Leben von der Glaubwürdigkeit der USA abhängen, ist Unberechenbarkeit keine Stärke. Es ist eine Kapitulation. Sollte der US-Präsident Putin das Verhandlungsergebnis diktieren lassen, wird Trump nicht als Friedensstifter in die Geschichte eingehen, sondern als Präsident, der Russland - dem langjährigen Gegner der USA - dabei half, seine imperiale Stellung zurückzugewinnen und den Niedergang der US-Hegemonie zu besiegeln." So weit der Gastkommentar im GUARDIAN aus London.
Ein US-Berufungsgericht hat die meisten der von Präsident Trump verhängten Zölle für illegal erklärt. Dies wird im WALL STREET JOURNAL aus New York folgendermaßen kommentiert: "Der Kongress hat dem Präsidenten zu viel Macht über den Handel zugestanden, doch das bedeutet nicht, dass er mit allem durchkommt. Wenn er jederzeit Steuern auf jedes importierte Produkt erheben kann, hat er tatsächlich die Macht eines Königs. Die unteren Gerichte tun ihre Pflicht, und bald wird der Oberste Gerichtshof, der Supreme Court, an der Reihe sein."
"Sollte der Supreme Court die Mehrheitsentscheidung des US-Berufungsgerichts bestätigen", so der australische SYDNEY MORNING HERALD, "würde ein noch größeres Chaos entstehen, als Trumps Handelskriege ohnehin schon verursacht haben. Unternehmen und Staaten müssten versuchen, sich durch ein Dickicht von Fragen zu arbeiten: Wie sollen sie reagieren, und was wird Trump als Nächstes tun? Trumps Handelskriege sind das Kernstück seiner Wirtschaftsstrategie, 'Amerika wieder groß zu machen'. Sollte der Supreme Court ihnen ein Ende setzen, wären all das Chaos, die politischen Verwerfungen und die Ängste umsonst gewesen. Für die Regierung wäre das nicht nur peinlich, sondern geradezu demütigend", lautet die Einschätzung im SYDNEY MORNING HERALD, mit der die internationale Presseschau endet.