05. September 2025
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zur Lage im Nahen Osten und dem Mercosur-Freihandelsabkommen. Zunächst geht es aber um das Treffen zahlreicher Staats- und Regierungschefs in Paris, bei dem über den Krieg in der Ukraine beraten wurde.

Frankreichs Präsident Macron und der ukrainische Präsident Selenskyj sitzen an einem Tisch umringt von weiteren Staats- und Regierungschefs, die sich als "Koalition der Willigen" zur Unterstützung der Ukraine verstehen.
Das Treffen der "Koalition der Willigen" in Paris, bei dem es um Sicherheitsgarantien für die Ukraine ging, ist eins der Themen in den Kommentaren aus dem Ausland. (picture alliance / newscom / President Ukraine Office)
"Die sogenannte Koalition der Willigen überlegt fieberhaft, wie die Sicherheit in der Ukraine garantiert werden soll, wenn die Kämpfe eines Tages aufhören oder wenigstens ruhen", fasst die finnische Zeitung ILTA-SANOMAT zusammen: "Die in Paris erzielte Einigung auf einige Grundsätze ist ein wichtiger Schritt nach vorne und zeigt, dass sich die Koalition zunehmend konsolidiert. Statt bloßer Worte scheint es nun konkrete Pläne für Sicherheitsgarantien zu geben. Das Thema Sicherheitsgarantien wird diskutiert, seit US-Präsident Trump versucht, die Ukraine und Russland zu direkten Verhandlungen zu bewegen. Gleichzeitig ist das Engagement der USA von Trumps Tageslaunen abhängig. Zuletzt deutete er an, dass sich die USA in der Form von geheimdienstlicher Hilfe und möglicherweise Luftschutz beteiligen könnten. Allerdings stellte er auch klar, dass keine Truppen in die Ukraine entsendet werden sollen und dass Europa die Führungsrolle übernehmen muss", schreibt ILTA-SANOMAT aus Helsinki.
"Auch bei dem Treffen in Paris hörten die willigen Koalitionäre von Trump nicht ganz das, was sie erwartet hatten", erinnert der russische KOMMERSANT: "Er sagte offenbar, Europa solle aufhören, russisches Öl zu kaufen, und gleichzeitig den wirtschaftlichen Druck auf China erhöhen, weil es Russlands Militäraktionen in der Ukraine unterstütze."
DIE PRESSE aus Österreich erläutert: "Krux der Sicherheitsgarantien ist die Bildung einer multinationalen Truppe. Frankreich, das Vereinigte Königreich und Estland sind bis dato die einzigen EU-Mitglieder mit unmissverständlichen Zusagen. Klare Absagen hingegen gab es von Italien und Polen. Deutschland versucht, sich so wenig wie möglich festzulegen. Zwar ist Bundeskanzler Merz erpicht darauf, der Ukraine unumstößliche Unterstützung zuzusichern. Doch in der Frage, ob die Bundeswehr sich an einer Ukraine-Mission beteiligen würde, steht der CDU-Parteichef mit beiden Füßen auf der Bremse. Erst müsse es Frieden geben, dann brauche es eine klare Einbindung der USA, und nicht zuletzt liege die Entscheidung beim Bundestag, wird er nicht müde zu betonen“, beobachtet DIE PRESSE aus Wien.
Die französische Zeitung L’OPINION blickt auf mögliche Motive für die Zurückhaltung des Bundeskanzlers: "Nach dem Gipfeltreffen im Weißen Haus hatte Merz sich bereit erklärt, mit seinem sozialdemokratischen Koalitionspartner über die Entsendung von Bodentruppen zu 'diskutieren'. Diese Erklärung sorgte für viel Gesprächsstoff. Die rechtsextreme AfD, die sich pazifistisch gibt, aber pro-russische Sympathien hegt, griff das Thema sofort in den sozialen Netzwerken auf. Merz zog sich den Zorn der SPD zu, die wenig geneigt ist, als kriegstreiberisch zu erscheinen. Und auch innerhalb seiner eigenen politischen Familie gab es negative Reaktionen. Die Konservativen befürchten, dass die Frage einer Bodenintervention zu einem Geschenk für die AfD werden könnte", hält L’OPINION aus Paris fest.
Ein Gastkommentator der japanischen NIHON KEIZAI SHIMBUN befindet: "Die Staaten können eine Truppenentsendung schwerlich konkret planen, solange kein Waffenstillstand absehbar ist. Insofern ist es allzu verständlich, wenn Bundeskanzler Merz sagt, über ein militärisches Engagement werde Deutschland zu gegebener Zeit entscheiden, wenn die Rahmenbedingungen geklärt seien. Bei den gestrigen Beratungen lag die Betonung dann auf der Stärkung der ukrainischen Armee als wichtigster Säule der Sicherheitsgarantien – wohl weil eine Einigung darüber am einfachsten war", heißt es in der NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Nun nach Nahost. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG fordert auf ihrer Kommentarseite, Israel müsse Vorwürfe von Kriegsverbrechen im Gazastreifen im eigenen Interesse selbst ernsthaft untersuchen. Andernfalls überlasse es die – Zitat – "rechtliche und moralische Bewertung seines Handelns anderen: dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, der internationalen Öffentlichkeit und ausländischen Gerichten. Doch warum ist es so schwierig, den Weg der Selbstaufarbeitung zu gehen? Zum einen liegt es daran, dass die Regierung Netanjahu jede Form von Selbstkritik und damit auch juristischer Kontrolle abwehrt. Die militärische und zivile Justiz steht unter großem politischem Druck. Gleichzeitig ist die israelische Öffentlichkeit gespalten: Viele sehnen sich nach Gerechtigkeit und Aufklärung, andere sehen jede Kritik an der Armee als Angriff auf das nationale Überleben“, bemerkt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die türkische Onlinezeitung T24 verlangt Sanktionen gegen Israel, und schlägt vor, das Land von internationalen Sportveranstaltungen auszuschließen: "Israel hat bereits bei jeder Gelegenheit gezeigt, dass es die Vereinten Nationen ignoriert. Wenn es jedoch von den Sportorganisationen isoliert würde, könnten seine Fußball- und Basketballmannschaften gegen niemanden mehr spielen. Netanjahu lässt sich von der Opposition im Land nicht beeindrucken, und die Angriffe auf Gaza gehen weiter. Damit er gestoppt wird, muss die Opposition stärker werden. Ein Ausschluss israelischer Teams von internationalen Turnieren würde einen wichtigen Beitrag dazu leisten", meint T24 mit Sitz in Istanbul.
Die israelische JERUSALEM POST kritisiert die ausgeweiteten Demonstrationen für eine Freilassung der israelischen Geiseln, bei denen am Mittwoch auch Mülltonnen und Autos in Brand gesetzt wurden. "Das Recht auf Protest ist ein Grundpfeiler der israelischen Demokratie, und der Schmerz der Familien der Geiseln ist real. Aber das gibt niemandem das Recht, in Wohngebieten Brände zu legen. Brandstiftung ist rücksichtslos und untergräbt genau das Anliegen, das sie angeblich vorantreiben will. Zugleich sollte sich die Regierung nicht hinter den Verfehlungen weniger Aktivisten verstecken, um die Trauer vieler zu ignorieren. Vielmehr sollte sie klar und deutlich über die laufenden Bemühungen, alle Geiseln nach Hause zu holen berichten. Je länger die Öffentlichkeit Zögern oder politische Spielchen wahrnimmt, desto fruchtbarer wird der Boden für verzweifelte Taktiken, die die meisten Israelis ablehnen", stellt die JERUSALEM POST klar.
Zu einem weiteren Thema. Die argentinische Zeitung AMBITO FINANCIERO befasst sich in einem Gastkommentar mit dem geplante Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur: "Die Verhandlungen dazu dauern mittlerweile seit Jahrzehnten an. Im vergangenen Dezember gab es ergänzende Verpflichtungen zur nachhaltigen Entwicklung, um eine Übereinstimmung mit dem europäischen Green Deal zu erreichen. Damit wächst die Hoffnung, dass das Abkommen endlich in Kraft treten kann. Die Hindernisse lagen eher auf der europäischen Seite. Es war vor allem die Blockadehaltung der französischen Landwirte. Dennoch hat die Kommission den Text angenommen, an den Europäischen Rat geschickt und damit eine wichtige Hürde genommen. Bis Jahresende geht es darum, für die notwendigen Mehrheiten zu werben - denn das politische Gleichgewicht in Europa ist empfindlich, und nur die Stimmen einiger größerer Länder wie Deutschland und Spanien reichen nicht aus“, unterstreicht AMBITO FINANCIERO aus Buenos Aires.
In der schwedischen Zeitung SYDSVENSKAN ist zu lesen: "Europa hat resolut auf den Protektionismus der USA reagiert und setzt sich für den freien Handel und die internationale Zusammenarbeit ein. Verhandlungen über gute Handelsabkommen, von denen alle profitieren, brauchen ihre Zeit. Wenn die EU in etwas gut ist, dann ist es methodisches, diplomatisches Arbeiten und Geduld - für eine freiere Welt und ein reicheres Europa. Dieses Abkommen ist der Beleg dafür, dass diese Geduld sich lohnt. Aber das bedeutet nicht, dass sich die EU zurücklehnen darf - jedenfalls nicht solange der US-Präsident Donald Trump heißt". Das war SYDSVENSKAN aus Malmö, und damit endet die Internationale Presseschau.