12. September 2025
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zum Abschuss russischer Drohnen über Polen und zur Lage in Nahost. Außerdem kommentieren viele Zeitungen das tödliche Attentat auf den rechtskonservativen US-Aktivisten Charlie Kirk.

Unterstützer versammeln sich vor dem Timpanogos Regional Hospital, um Charlie Kirk zu gedenken, der am 10. September 2025 während einer Rede an der Utah Valley University in Orem, Utah, USA, tödlich erschossen wurde.
Das Attentat auf den rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk ist eins der Themen in den Zeitungen im Ausland. (picture alliance / Anadolu / Tayfun Coskun)
Ein Gastkommentator der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN schreibt dazu: "Kirk hatte eine bemerkenswerte Fähigkeit: Mit seinen Behauptungen gelang es ihm, junge Menschen zu mobilisieren. Durch heftige Kritik am Establishment und an den gemäßigten Republikanern wurde er zu einer Leitfigur der MAGA-Bewegung. Er wäre sehr wahrscheinlich ein herausragender Aktivist geworden, mit einer Führungsposition innerhalb der republikanischen Partei. Denn zu Kirk gibt es keine wirkliche Alternative", heißt es in NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
DIE PRESSE aus Österreich beobachtet: "Motiv und Hintergrund des Anschlags blieben zunächst unklar. Deutlich zutage trat jedoch die Unkultur eines Landes, politische Kontroversen kurzerhand mit der Waffe zu lösen, statt sie mit Argumenten auszufechten - glorifiziert von Hollywood und befördert von einem laxen und liberalen Waffenrecht. Wer gedacht hatte, das Land könnte im Dauerrausch der rhetorischen Eskalation wenigstens für 24 Stunden zur Besinnung kommen, sah sich rasch getäuscht. Die Ex-Präsidenten George W. Bush, Barack Obama und Joe Biden meldeten sich mit Aufrufen zur politischen Vernunft und zur Mäßigung zu Wort. Doch sie wirkten wie Prediger, denen die Gläubigen davongelaufen waren, angelockt von den Feuerzungen an den extremen Rändern und den Verschwörungstheoretikern. Die Schweigeminute im Kongress mündete übergangslos in ein Schreiduell", stellt DIE PRESSE aus Wien fest
Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR meint: "Hasserfüllte Reden, Intoleranz, die Herabwürdigung von Gegnern haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Gesellschaft in den USA immer tiefer ideologisch gespalten wird und solche Taten zunehmen. Angesichts solcher irrationalen Taten wie den Morden an Personen aufgrund ihrer Einstellung ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle politischen Akteure ihre Tonart dämpfen. Sie sollten an der Logik festhalten, dass man in der Politik Gegner hat - und keine Feinde hat, die man eliminieren muss. In einem Land mit so laxen Waffengesetzen wie den USA kommt durch Hass und verbale Aggression umso leichter eine Spirale der Gewalt in Gang", warnt EL ESPECTADOR aus Bogotá.
"Gestorben ist nicht nur ein konservativer Aktivist, sondern auch der letzte verbliebene Raum für den Dialog", heißt es in der chinesischen Zeitung XINJING BAO. "Wie konnte es so weit kommen, dass der Austausch von Ideen nicht mehr möglich ist? Dabei ist die Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Progressiven stets wichtige Triebkraft für den Fortschritt der amerikanischen Demokratie gewesen. Bemerkenswert sind die Reaktionen des Präsidenten nach dem Anschlag auf Kirk. Ohne den Täter zu kennen, macht Trump die radikalen Linken für Kirks Tod verantwortlich. Statt zu einen, polarisiert er. Wie kann Amerika unter diesem Präsidenten kompromissfähig werden?", fragt sich XINJING BAO aus Peking.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA glaubt: "Trump betrachtet den Mord an seinem Unterstützer als Attacke auf sich selbst. Er versprach, er werde 'alle an dieser Gräueltat Beteiligten finden, einschließlich der Organisationen, die sie finanzieren und unterstützen'. Sehr bedeutungsvolle Worte, die viele Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Land persönlich nehmen dürften. Es ist kein Zufall, dass alle mehr oder weniger prominenten Vertreter der Demokratischen Partei den Mord sofort verurteilten. Charlie Kirk war, wenn man so will, ein junger Trump. Wer ihn erschießt, zielt auf den Präsidenten. So könnte dieses Verbrechen jedenfalls in rechtskonservativen Kreisen und von Trump selbst interpretiert werden", notiert NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die türkische Zeitung KARAR unterstreicht: "Der tödliche Anschlag auf Kirk darf in keiner Weise gerechtfertigt oder entschuldigt werden. Aber könnte es sein, dass ihm seine rassistischen Hassreden, in denen er Muslime, Migranten und Gegner verteufelte, zum Verhängnis wurden? Es ist tragische Ironie, dass der Aktivist erschossen wurde, der sich so sehr für das Recht auf Schusswaffenbesitz eingesetzt hat. Gleichzeitig machte er sich über Bewegungen lustig, die sich für Gleichheit und Gerechtigkeit und gegen religiöse und rassistische Diskriminierung einsetzen. Mit anderen Worten: Manch einer wird sagen, dass Kirk einen Anteil an dem politischen Hass hatte, dem er möglicherweise zum Opfer gefallen ist", bemerkt KARAR aus Istanbul.
Die WASHINGTON POST aus den USA überlegt: "Nach dem Mord an Kirk könnten sich viele Hochschulen weigern, konservative Redner auf dem Campus auftreten zu lassen – mit der Begründung, dass sie deren Sicherheit nicht garantieren können. Aber das können sie – und das müssen sie auch. Welches Motiv auch immer hinter dieser Gräueltat stecken mag: Die Reaktion unserer Nation darf nicht darin bestehen, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Hochschulen brauchen mehr Meinungsfreiheit und mehr ideologische Vielfalt, nicht weniger", betont die WASHINGTON POST.
Zu einem weiteren Thema. Die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY kommentiert die Verletzung des polnischen Luftraums durch russische Drohnen. Nach Ansicht des Blattes ist die Reaktion der NATO darauf bisher zu lasch ausgefallen: "Dadurch entsteht an der Ostflanke der NATO so etwas wie eine Grauzone, in der die Überreste der abgefangenen Drohnen herabfallen. Die dort stationierten NATO-Soldaten haben weder die geeigneten Waffen noch das Mandat für eine harte Antwort auf derartige russische Aktionen. Das könnte etwa die Zerstörung der Militärstützpunkte sein, von denen aus die Drohnen starten. Russlands Präsident Putin muss gar keinen neuen Krieg mit dem westlichen Bündnis vom Zaun brechen. Es reicht, dass er die NATO-Mitglieder in dieser Grauzone herumschubst. Damit löst er unter den äußerst vorsichtigen europäischen Politikern Streit aus - und unter Experten leidenschaftliche Diskussionen darüber, ob dies als Bündnisfall zu betrachten sei", beobachtet HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.
"Die Stimmung ist also mehr als nervös", fasst die finnische Zeitung ILTA-SANOMAT zusammen und ergänzt: "Heute beginnen Russland und sein Vasallenstaat Belarus außerdem ihr großes, alle vier Jahre stattfindendes Militärmanöver. Das letzte dieser Manöver, im Sommer 2021 mit 200.000 Mann ist noch in übler Erinnerung, denn damit bereitete Russland die Invasion in der Ukraine vor. Dieses Mal nehmen viel weniger Truppen teil, weil Russlands Streitkräfte in der Ukraine gebunden sind. Mit 30.000 Mann wird Moskau zwar nicht die NATO angreifen. Doch Provokationen sind etwas anderes - und bei Putins unberechenbarem Russland muss man mit allem rechnen", hält ILTA-SANOMAT aus Helsinki fest.
Die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN geht auf die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission ein, Israels Regierung zur Beendigung des Gaza-Kriegs zu bewegen: "Die EU solle Hilfszahlungen für Israel pausieren und das Assoziierungsabkommen zu Handelsfragen teilweise aufheben. Aber geht es dabei wirklich darum, für ein gutes Gewissen zu sorgen? Oder ist das vielmehr ein strategischer Beschluss in der Hoffnung, Kritiker vor dem nächsten Misstrauensabkommen gegen die EU-Kommission zu beschwichtigen? Und wie soll dadurch ein Friede in Gaza erreicht werden? Die EU ist Israels wichtigster Handelspartner. Sanktionen gegen bestimmte Minister und gewaltbereite Siedler könnten eine zielgerichtetere Methode gegen den Extremismus sein. Weniger Handel zwischen Europa und Israel ist dagegen nicht der richtige Weg, um mehr Einfluss auf die einzige Demokratie im Nahen Osten zu gewinnen", unterstreicht SYDSVENSKAN aus Malmö, und damit endet die Internationale Presseschau.