17. September 2025
Die internationale Presseschau

Beherrschendes Thema in den ausländischen Zeitungen sind die jüngsten Entwicklungen im Nahost-Konflikt.

Rauch steigt über einem Gebäude in Gaza-Stadt auf.
Die Bodenoffensive der israelischen Armee in Gaza-Stadt ist das beherrschende Thema in den Zeitungskommentaren. (IMAGO / Anadolu Agency / IMAGO / Ayman Majed Harb Alhisi)
Die chinesische Zeitung XINMIN WANBAO stellt fest: "Die israelischen Streitkräfte haben eine Bodenoffensive in Gaza-Stadt gestartet, die Kampfhandlungen auf das Stadtzentrum ausgeweitet und eine große Zahl von Zivilisten von dort vertrieben. Somit sind jegliche Hoffnungen auf eine vorübergehende Waffenruhe im Austausch gegen Geiseln zunichte gemacht worden. Allein mit militärischen Mitteln wird Israel den Konflikt jedoch nicht lösen können. Denn es ist leicht, ein Gebiet einzunehmen, jedoch viel schwerer, es anschließend auch zu verwalten. Hinter den Kulissen gibt es dem Vernehmen nach erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Premier Netanjahu und der israelischen Militärführung, die nichts davon hält, das ganze Gebiet auf lange Sicht unter Kontrolle zu bringen", erläutert XINMIN WANBAO aus Shanghai.
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF aus Amsterdam betont, Israels Generalstabschef Ejal Zamir habe seine Truppen persönlich an die Front geführt: "Bemerkenswert ist dieser Schritt auch, weil Zamir die Regierung am vergangenen Wochenende zum wiederholten Mal gedrängt hatte, sich rückhaltlos für ein Gaza-Abkommen einzusetzen. Im Gegensatz zu Ministerpräsident Benjamin Netanjahu glaubt er nicht, dass die Bodenoffensive den Sieg über die Hamas bringen wird."
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA aus Barcelona erinnert: "Dieser wohl ultimativen Offensive ging ein Besuch von US-Außenminister Rubio in Jerusalem voraus. Washington hat damit gezeigt, dass es Israel weiter freie Hand lässt. Aber die Zwangsvertreibung von Zivilisten stellt ein Kriegsverbrechen dar und stützt die juristischen Argumente, wonach Israels Offensive einen Völkermord darstellt. Auch eine von der UNO eingesetzte unabhängige Kommission veröffentlichte einen Bericht, in dem Israel ein Völkermord in Gaza vorgeworfen wird. Allerdings hat internationaler Druck nur wenig Wirkung auf Netanjahu. Er hat sogar eingeräumt, dass Israel zunehmend in die Isolation gerät. Aber er wird an seiner Politik festhalten, weil er den Forderungen seiner ultrakonservativen Regierungspartner nachkommen muss, um an der Macht zu bleiben", ist sich LA VANGUARDIA sicher.
Die belgische Zeitung DE TIJD aus Brüssel findet mit Blick auf den UNO-Bericht: "Man muss Israel die Möglichkeit einräumen, anhand von Fakten darzulegen, warum es sich im Gazastreifen nicht um einen Genozid handelt. Derweil kann die internationale Gemeinschaft den Druck erhöhen. Solange die USA Israel allerdings den Rücken stärken, muss die Europäische Union dabei die Führung übernehmen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plädierte in der letzten Woche bereits für neue Sanktionen gegen Israel und eine mögliche Überprüfung der Handelsbeziehungen. Mit dem UNO-Bericht in der Hand hat sie die Chance zu zeigen, dass sie es ernst meint", argumentiert DE TIJD.
Die französische Zeitung LES DERNIÈRES NOUVELLES D'ALSACE vertritt diese Ansicht: "Jede neue Bombe, die auf Gaza fällt, isoliert Israel diplomatisch ein Stück weiter, was Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und der von ihm geführten Koalition anzulasten ist. Der israelische Regierungschef erkennt nunmehr das Risiko. Er erklärte, dass sich sein Land auf eine Form der Autarkie vorbereiten und zu einem 'Super-Sparta' werden müsse. Das kommt einem Versprechen des endlosen Krieges gleich", folgert DNA aus Straßburg.
Das polnische Nachrichtenmagazin POLITYKA aus Warschau befürchtet, dass "zusammen mit der Hamas im Grunde alles zerstört werden soll, so wie wir es schon anderswo beobachten mussten. Nach dem Einmarsch zerstörte die israelische Armee systematisch ein Gebäude nach dem anderen, sodass Städte wie Rafah oder Beit Hanun am Ende in Trümmer lagen. Mit Gaza-Stadt wird es wahrscheinlich genauso sein."
Die palästinensische Zeitung AL AYYAM aus Ramallah betont, einige Länder hätten die Lieferung bestimmter Waffen an Israel gestoppt: "Selbst Deutschland, einer der engsten Verbündeten Israels und nach den USA der zweitgrößte Partner Israels, hat diesen Schritt bereits vollzogen. Spanien hat den Kauf israelischer Waffen storniert. Netanjahu hat den Druck und die zunehmende internationale Isolation erkannt und beschlossen, die nationale Rüstungsindustrie zu fördern. Zugleich strebt er einen isolationistischen Staat nach dem Vorbild Spartas an. Doch scheint er zu vergessen, dass Israel niemals autark sein kann." Das war die Meinung von AL AYYAM.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio verweist auf Umfragen in den USA. Zwar sei dort die Mehrheit der Bevölkerung "gegen die militärische Unterstützung Israels. Allerdings sieht es in den Reihen der republikanischen Partei völlig anders aus. Die meisten Trump-Anhänger unterstützen Israel und die Nahost-Politik des US-Präsidenten nach wie vor stark. Trump hält es wohl deshalb für richtig, seinen Kurs fortzusetzen."
Die KLEINE ZEITUNG aus Österreich kritisiert, die israelische Regierung habe bisher kein Ausstiegsszenario: "Auf die Frage, was nach dem Krieg kommen soll, haben Netanjahu und seine Koalitionspartner abseits von Trumps Plänen für eine Riviera des Nahen Ostens und völkerrechtswidrigen Vertreibungsfantasien keine Antwort parat. Auch eine multilaterale Lösung scheint mittlerweile tot. Denn dass die arabischen Staaten dem international immer mehr isolierten Israel beispringen und mit Friedenstruppen für zumindest ein bisschen Stabilität sorgen, scheint nach den jüngsten Ereignissen so gut wie ausgeschlossen", schätzt die KLEINE ZEITUNG mit Sitz in Graz.
Themenwechsel. Die norwegische Zeitung DAGBLADET äußert sich zu den Spannungen zwischen den EU-Ländern Schweden und Ungarn. Auslöser war eine Aussage des ungarischen Ministerpräsidenten: "In einem Video auf X erklärte Orbán, Schweden kollabiere gerade unter dem Druck der Bandenkriminalität, und 280 minderjährige Mädchen stünden unter Mordverdacht. Die Zahl ist nicht ganz aus der Luft geholt, sondern stammt aus der deutschen Zeitung ‚Die Welt‘. Da kommen zwar 280 Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren vor, gegen die wegen unterschiedlicher Straftaten ermittelt wird, aber es steht nichts von Verurteilungen wegen Mordes. Orbán zieht den Schluss, dass Schweden die Zivilisation hinter sich gelassen habe und in die Barbarei abgeglitten sei. Diese Übertreibungen mögen lächerlich wirken, aber sie stammen vom Regierungschef eines Bündnispartners, der Informationen aus dem Zusammenhang reißt und mit Lügen vermengt. Es besteht kein Zweifel daran, dass Schweden Probleme mit kriminellen Banden hat, die zunehmend Minderjährige rekrutieren. Das darf auch angesprochen und kommentiert werden. Aber so wie Orbán dies tut, schwächt er nur den internationalen Zusammenhalt", urteilt DAGBLADET aus Oslo.
Die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN betont, es habe heftige Reaktionen der politischen Führung in Stockholm gegeben: "Premier Ulf Kristersson sprach von haarsträubenden Lügen und erklärte seinerseits, Orbán demontiere den Rechtsstaat in Ungarn und sei angesichts der nächsten Wahlen verzweifelt. Denn der Himmel zieht sich allmählich zu: Die Partei 'Tisza' von Péter Magyar führt in mehreren Meinungsumfragen, sodass ein Ende von Orbáns Herrschaft im nächsten Jahr nicht auszuschließen ist. Für den Fall eines Wahlsiegs hat Magyar versprochen, die Beziehungen zur EU und zur NATO zu normalisieren. Aber selbst wenn das passiert - die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt - muss die EU ihr Regelwerk ändern, damit wichtige Entscheidungen wie das in Arbeit befindliche 19. Sanktionspaket gegen Russland mit einer qualifizierten Mehrheit statt nur einstimmig getroffen werden können. Es darf nicht sein, dass ein einziges Land die EU-Arbeit behindert wie es Ungarn unter Viktor Orbán viel zu lange getan hat. Die Welt braucht eine handlungsfähige EU", mahnt SYDSVENSKAN aus Malmö .