22. September 2025
Die internationale Presseschau

Heute mit Kommentaren zum wiederholten Eindringen russischer Kampfflugzeuge in den NATO-Luftraum und zur Trauerfeier für den ultrakonservativen Aktivisten Kirk. Zunächst geht es um die Anerkennung von Palästina als Staat durch weitere Länder.

Eine palästinensische Flagge weht im Wind
Die Anerkennung des Staates Palästina ist Thema in den Kommentarspalten. (picture alliance / ipa-agency / Matteo Nardone)
"Israel ist wütend über die Entscheidung Großbritanniens", titelt die polnische GAZETA WYBORCZA und schreibt: "Denn die Anerkennung Palästinas zeigt, dass Israel Verbündete verliert. Den Schritt ging Großbritannien vor allem aufgrund der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen. Obwohl die humanitäre Lage der Bewohner des Gazastreifens seit Monaten katastrophal ist und Israels europäische Verbündete die israelische Regierung seit langem für die Tötung palästinensischer Zivilisten und die Einschränkung humanitärer Hilfe kritisieren, brachte dieser Sommer das Fass zum Überlaufen. London betont zudem, dass der Grund für die Anerkennung Palästinas nicht nur die Notlage der Bewohner Gazas sei, sondern auch die Situation im anderen palästinensischen Teil, dem Westjordanland. Dort baut Israel seine Siedlungen aus und verstößt damit gegen das Völkerrecht", unterstreicht GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die australische Zeitung SYDNEY MORNING HERALD geht auf die Beweggründe des australischen Premierministers Albanese ein: "Wie könne Australien einfach tatenlos zusehen, fragte Albanese, während Israel Gaza weiterhin bombardiere und den Siedlungsbau im besetzten Westjordanland beschleunige? Wütend über Benjamin Netanjahus Weigerung, den Krieg zu beenden oder eine Zweistaatenlösung zu unterstützen, glaubt Albanese, Australien mit der Anerkennung Palästinas auf die richtige Seite der Geschichte gestellt zu haben. Er betrachtet dies ebenso als moralische wie als politische Entscheidung", vermerkt der SYDNEY MORNING HERALD.
Die panarabische Zeitung AL QUDS beobachtet: "Die Entwicklung unterstreicht, wie schwach die diplomatische Unterstützung für Israel inzwischen ist. Im Zusammenspiel mit den USA antwortet die israelische Regierung darauf mit dem Versuch, Palästina von der politischen Weltkarte zu tilgen und zugleich die arabische Welt mit Gewalt unter Druck zu setzen. Die Kosten dieser Strategie sind allerdings hoch: Sie zementiert das Image eines Staats, der mit enormer Brutalität ein anderes Volk vertreibt. Immer deutlicher wird, dass ein solches Vorgehen alles andere als ein Prinzip für das globale Miteinander ist." Soweit die Auffassung der panarabischen Zeitung AL QUDS, die in London erscheint.
"Bemerkenswert ist, dass sich die traditionellen Verbündeten der USA von ihrer bislang gewohnten Palästina-kritischen Position abgewendet haben", hält die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBO aus Peking fest. "Washington wird hier zusehends isoliert. Wann wird es seinen einseitigen pro-israelischen Kurs aufgeben und sich richtig für die Waffenruhe im Nahen Osten einsetzen? Denn solange Israel Rückhalt vom Weißen Haus erhält, kann es seinen harten Kurs durchsetzen. Und das Pro-Palästina-Lager wird weiterhin mit Hindernissen konfrontiert sein."
Die britische TIMES kritisiert: "Die von Premierminister Starmer verkündete formelle Anerkennung Palästinas als Staat trägt in keiner Weise dazu bei, einen dauerhaften Frieden zu erreichen. Es handelt sich dabei eher um performative Politik als um konstruktive Diplomatie. Die meisten Israelis werden die Entscheidung Großbritanniens als Belohnung für den Terrorismus der Hamas und nicht als eine Maßnahme zu dessen Bekämpfung interpretieren. Derweil sieht sich die Hamas bestätigt", befürchtet die TIMES aus London.
Auch die JERUSALEM POST warnt: "Es besteht die Gefahr, dass die Erwartungen nicht erfüllt werden. Geweckte Hoffnungen, die auf dieselbe verschlossene Tür stoßen, verwandeln sich oft in Wut, und Wut hat ihre eigene Politik. Was bedeutet die Anerkennung Palästinas eigentlich für den Alltag der Palästinenser? Ein Vater in Hebron sorgt sich darum, ob der Strom weiter fließt und ob er rechtzeitig eine Arbeitserlaubnis erhält. Eine Mutter in Bethlehem sorgt sich darum, ob die Klinik Medikamente hat. Ein Teenager in Nablus sorgt sich darum, ob sein Abschlusszeugnis außerhalb des Checkpoints überhaupt etwas wert ist. Die Anerkennung durch weit entfernte Hauptstädte ändert an diesen Tatsachen nichts. Sie kann nur dann helfen, wenn sie als Hebel für konkrete Veränderungen genutzt wird", stellt die JERUSALEM POST fest.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER kommentiert die Verletzung des NATO-Luftraums durch russische Kampfflugzeuge: "Putin, das lässt sich kaum noch leugnen, testet die NATO. So wird das weitergehen – mit allen Risiken für Missverständnisse und potenziell katastrophale Zusammenstöße –, bis zwei Bedingungen erfüllt sind. Erstens: Die NATO fängt an, tatsächlich 'jeden Zoll des Bündnisgebiets zu verteidigen', wie sie es stets voller Pathos verspricht. Dazu gehört auch der Luftraum. Zweite Bedingung: Donald Trump reagiert endlich klar auf die russischen Provokationen", prognostiziert der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
Auch die finnische Zeitung ILTA-SANOMAT hält ein energischeres Vorgehen der NATO für geboten: "Die zentrale Frage ist, wie man in Zukunft auf solche Provokationen reagieren soll. Schließlich kam es auch an der finnischen Südküste bereits zu Luftraumverletzungen, und unsere Flugzeuge waren in den jüngsten Vorfall direkt involviert. Es gibt sogar die Forderung, russische Kampfflugzeuge in einem solchen Fall abzuschießen. In Zukunft werden sich die NATO-Staaten jedenfalls mehr einfallen lassen müssen, als im Anschluss mit russischen Botschaftern zu sprechen", fordert ILTA-SANOMAT aus Helsinki.
Die estnische Zeitung POSTIMEES aus Tallinn verlangt: "Wesentlich ist, dass die NATO daraus für ihre Abscheckung lernt und russische Piloten künftig unseren Luftraum meiden. Es muss nicht unbedingt gleich zum Abschuss kommen, aber man muss Russland begreiflich machen, dass dies passieren kann."
In Utah in den USA haben zehntausende Anhänger und Politiker an den ermordeten ultrakonservativen Aktivisten Kirk erinnert. Die WASHINGTON POST schildert: "Die höchste Führungsebene der US-Regierung versammelte sich in Arizona zu einer Veranstaltung, die im Wesentlichen einer christlichen Erweckungsbewegung glich. US-Präsident Trump würdigte Kirk, schweifte aber auch ausführlich über Autismus, die Wahl 2020 und Joe Bidens Geisteszustand sowie andere seiner Lieblingsthemen ab. Der aussagekräftigste Moment kam, als Trump erklärte, wie sich seine Herangehensweise von der Kirks unterschied. Kirk habe seine Gegner nicht gehasst. Er habe das Beste für sie gewollt, meinte Trump. In diesem Punkt sei er mit Kirk nicht einer Meinung gewesen. Äußerungen dieser Art würden für jeden anderen Politiker das Ende seiner Karriere bedeuten. Nicht so für Trump", ist die WASHINGTON POST überzeugt.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT schreibt: "Die Trump-Regierung und die Republikaner haben eine wahre Hexenjagd auf die 'radikale Linke' begonnen, die sie für den Mord an dem extrem konservativen Influencer Kirk verantwortlich machen. Auch wenn der Mörder unter anderem aus persönlichen Motiven gehandelt zu haben scheint, war diese Tat der 'Reichstagsbrand', auf den das Weiße Haus anscheinend gewartet hat", vermutet DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Zum Abschluss dieser Presseschau blickt die norwegische Zeitung VERDENS GANG auf die Reaktionen in Europa: "Der tödliche Anschlag auf Kirk hat eine Welle der Trauer, aber auch der Verehrung ausgelöst. Europäische Politiker vom äußeren rechten Rand von Ungarns Premier Viktor Orbán bis zu Marine Le Pen in Frankreich schlagen Kapital aus der Tragödie. Auch auf der Massendemonstration in London vergangene Woche wurden viele Bilder von Kirk getragen. In ganz Europa wird er nun als Märtyrer dargestellt, und das zeigt, wie sehr die Ökosysteme der populistischen und radikalen Rechten zusammenwachsen." Sie hörten ein Kommentar von VERDENS GANG aus Oslo. Damit endet die internationale Presseschau.