14. November 2025
Die internationale Presseschau

Einige Zeitungen kommentieren das geplante neue Wehrdienst-Modell in Deutschland. Vor allem aber geht es um die USA: Dort ist der Teilstillstand der Regierungsgeschäfte beendet, und die Affäre um den Sexualstraftäter Epstein holt den US-Präsidenten erneut ein.

    Bei einem Anti-Trump-Protest im englischen Windsor hält eine Frau ein altes Foto hoch, das Donald Trump und Jeffrey Epstein zusammen zeigt. Am Rand des Bildes klebt ein Sticker mit der Aufschrift "Stop Trump".
    Anti-Trump-Protest im englischen Windsor (picture alliance | Associated Press | Kin Cheung)
    Die spanische Zeitung LA RAZON fragt sich, ob Trump die Epstein-Affäre überstehen wird. "Die kürzlich veröffentlichten E-Mails legen nahe, dass der amtierende Präsident der USA von den Übergriffen des pädophilen Unternehmers wusste. Damit steigt der Druck auf das Weiße Haus, alle Dokumente freizugeben. In diesem Fall geht es, anders als heute üblich, nicht um die Polarisierung zwischen rechts und links. Vielmehr handelt der Fall vom Machtmissbrauch durch eine korrupte Elite, die entweder selbst beteiligt war oder wegsah, während viele Minderjährige systematisch missbraucht wurden." So weit LA RAZON aus Madrid.
    Das Repräsentantenhaus will darüber abstimmen, ob alle Akten zur Affäre publik gemacht werden sollen. Dazu heißt es im britischen GUARDIAN: "Die Freigabe der Akten war ein Kernpunkt von Trumps Versprechen im Wahlkampf. Es war eine seiner zentralen Behauptungen, dass die korrupte amerikanische Elite die kleinen Amerikaner verrät. Inzwischen wird das Epstein-Thema von Donald Trump - der eine Politik mit Verschwörungstheorien und Emotionen salonfähig gemacht hat - als Falschmeldung bezeichnet. Und genau die Leute, die einst die MAGA-Anhänger dazu drängten, dieser Sache nachzugehen – wie Kash Patel, inzwischen FBI-Chef –, haben ohne eine nachvollziehbare Erklärung ihre Haltung geändert", beklagt der GUARDIAN mit Sitz in London.
    Ganz anders bewertet das WALL STREET JOURNAL aus New York die Abstimmung über eine mögliche Akten-Freigabe. "Gibt es ein besseres Beispiel für die Dysfunktionalität des Kongresses, als dass sein erstes dringendes Anliegen nach der Wiederaufnahme der Regierungsarbeit die Rückkehr der Epstein-Posse ist? Das ist genau das, worauf das amerikanische Volk nun nicht gewartet hat. Aber das ist Washington im Jahr 2025, alle sind völlig besessen von Epsteins E-Mails aus dem Grab, in denen Trump erwähnt wird, lange bevor er Präsident wurde. Es gibt gute Gründe, nicht Hunderttausende von Seiten unaufbereiteter FBI-Ermittlungsakten zugänglich zu machen, etwa den Schutz der Privatsphäre. Einige Opfer, die bisher möglicherweise nicht öffentlich identifiziert wurden, könnten ebenfalls Schaden nehmen", mahnt das WALL STREET JOURNAL aus den USA.
    Derweil wurde der Shutdown - der Teilstillstand der Regierungsgeschäfte - in den USA beendet. "Glaubt man den Republikanern, ist der 43-tägige Shutdown allein den politischen Ambitionen der Demokratischen Partei geschuldet", fasst die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA zusammen. "Es sei ihre Fraktion gewesen, die sich weigerte, dem Haushaltsgesetz zuzustimmen, da es keine Verlängerung der Krankenversicherungszuschüsse vorsah. Die Republikaner beharrten darauf, dass diese Subventionen unnötig seien und das hohe Haushaltsdefizit nur noch vergrößerten. Das Gesetz zur Erschwinglichkeit von Gesundheitsleistungen, inoffiziell ‚Obamacare‘ genannt, ist für das republikanische Amerika längst zu einem geflügelten Wort geworden. Trump-Anhänger sehen darin nun eine weitere Bestätigung für die Schädlichkeit dieser Erfindung der Demokraten." Sie hörten NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
    "Es ist fraglich, dass das Ende des Shutdowns als Sieg für die Republikaner bewertet werden kann", gibt der Gastkommentator in der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN zu bedenken. "Ein Ende der Krankenkassen-Zuschüsse würde den Wählern mit niedrigen Einkommen, eingeschlossen der Sympathisanten der MAGA-Bewegung, einen harten Schlag versetzen. Auch ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Verbraucherpreise weiter steigen - was angesichts der Zwischenwahlen im Herbst 2026 zum großen Nachteil der Republikaner würde. Der Kampf gegen die Inflation und die finanzielle Not der Bürger dürfte in den USA bald eines der größten politischen Themen werden", lesen wir in der Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
    "Die Gesundheitsfürsorge war nicht das Entscheidende bei diesem Shutdown", glaubt USA TODAY aus New York. "Es ging um Grausamkeit, und zwar gegenüber den eigenen Bürgern. Das war das neue an diesem Shutdown: Dass Grausamkeit eine akzeptable Form der Politik in diesem Land ist."
    "Ist dieses Land überhaupt noch verlässlich?", fragt die chinesische Zeitung JIEFANG RIABO. "Warum sollten diejenigen Amerikaner, die sich ihre Medikamente nicht leisten können, noch Vertrauen in den politischen Betrieb haben? Auch andere Staaten könnten sich fragen: Wenn es die USA nicht einmal schaffen, den normalen Regierungsbetrieb laufen zu lassen, wie will man dann eine enge Zusammenarbeit mit dem Land planen? Dieser Shutdown hat dem Ansehen Amerikas enorm geschadet", lautet das Urteil in der Zeitung JIEFANG RIABO, die in Schanghai erscheint.
    Zum nächsten Thema. Das neue Modell für den Wehrdienst wird von der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG gelobt. "Deutschland kommt damit spät, aber immerhin in der Realität einer gefährlicher gewordenen Welt an. Die damaligen Ampelkoalitionäre haben viel Zeit vergeudet, um Deutschland wieder verteidigungsfähig aufzustellen. Die Nachfolger machen es besser. Sie setzen für die Ausrüstung der Bundeswehr das Verschuldungsverbot aus, machen Tempo bei der Rüstungsbeschaffung und bauen bürokratische Hemmnisse ab, um schneller Kasernen zu errichten. Nun also die Einigung über den Wehrdienst: Angesichts der politischen Verhältnisse im Land, der langjährigen Skepsis gegenüber allem Militärischen und der Tradition sicherheitspolitischer Verzwergung ist die Lösung bemerkenswert vernünftig", resümiert die NZZ aus der Schweiz.
    "Kanzler Merz kommt seinem Ziel, die Bundeswehr zur 'schlagkräftigsten konventionellen Armee' Europas zu machen, einen großen Schritt näher", bemerkt BIRGÜN aus Istanbul. "Die Versuche Deutschlands, eine große Armee 'gegen den Feind im Osten' aufzubauen, werden auch von seinen europäischen Verbündeten unterstützt. Dabei schafft es Russland seit dreieinhalb Jahren nicht einmal, die viel schwächere Ukraine zu bezwingen und wird wohl in den kommenden Jahren kaum andere europäische Länder angreifen können. Außerdem ist die NATO auch ohne die USA stärker als Russland", hebt die türkische Zeitung BIRGÜN hervor.
    Die Lage im Sudan und die Reaktion der internationalen Gemeinschaft darauf beschäftigt JYLLANDS-POSTEN aus Århus. "Wie sieht Europas Umgang mit einem Sportinvestor aus, der an einem unerhört brutalen Krieg beteiligt ist? Die ölreichen Vereinigten Arabischen Emirate haben intensives Sportswashing betrieben - also in die Sportwelt investiert, um ihr politisches Ansehen aufzupolieren. Die Emirate nehmen eine Schlüsselrolle beim Bürgerkrieg im Sudan ein. Erst kürzlich schrieb die französische Zeitung 'Le Monde', der Abstieg des Sudan in die Hölle gehe unaufhörlich weiter. International interessiert das indes wenig. Diese selektive Aufmerksamkeit der Sportfans ist bezeichnend für den Umgang der Welt mit diesem afrikanischen Krieg. Mehrere Mächte sind tief in ihn verstrickt. Neben den Emiraten gehören dazu Ägypten und Saudi-Arabien, die entweder umfangreiche westliche Hilfen erhalten oder ihre Beziehungen zum Westen stärken wollen. Der Westen hätte also Möglichkeiten, Einfluss auf die Lage zu nehmen, aber bislang passiert erstaunlich wenig. Zyniker mögen sagen, dass wir uns diese Gleichgültigkeit erlauben können, weil der Sudan so wenig mit unserem Alltag zu tun hat. Aber wie wir in der Ukraine gesehen haben, kann eine sicherheitspolitische Schieflage auch zur Bedrohung für uns werden. Und schließlich kann der Migrationsdruck auf Europa steigen, wenn die Region im Chaos versinkt."