18. November 2025
Die internationale Presseschau

Themen sind unter anderem die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Chile, die verschärften Asylregelungen in Großbritannien und die Kontroverse in der Bundesregierung über die geplanten Änderungen bei der Rente.

Vor einem großen Plakat mit einer stilisierten Darstellung Jaras sieht man den oberen Teil einer Fahne ebenfalls mit dem Namen und einer Darstellung Jaras.
Wahlwerbung für Jeannette Jara, die linksgerichtete Kandidatin für das Präsidentenamt, am 13.11.2025 in Valparaiso, Chile. (AP / Esteban Felix)
Doch zunächst hören Sie einen Kommentar zur Reise von Bundesfinanzminister Klingbeil nach China. Dazu schreibt die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO: "Klingbeil ist der erste Minister der neuen deutschen Regierung von Bundeskanzler Merz, der China besucht. Dies zeugt sowohl von der Kontinuität des hochrangigen Austauschs zwischen Berlin und Peking, ist aber gleichzeitig ein Zeichen dafür, dass bei den Beziehungen zwischen beiden Ländern derzeit nicht alles im Lot ist. In Deutschland versuchen leider so manche, China zum Sündenbock für zunehmende wirtschaftliche und gesellschaftliche Spannungen zu machen. Sie verweisen dabei auf angeblichen unfairen Wettbewerb vonseiten Chinas und auf unsichere Lieferketten. Dies ist angesichts der tief verwurzelten Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit beiderseitigem Vorteil für die zwei Länder völlig absurd und ein reines Ablenkungsmanöver. Klingbeils Aussage man sollte nicht über, sondern mit China reden, lässt hoffen, dass man in Berlin zu der Einsicht kommt, dass Probleme, die die ganze Welt betreffen, nur durch Kooperation mit China gelöst werden können", unterstreicht HUANQIU SHIBAO aus Peking.
In Deutschland streiten die Koalitionspartner von Union und SPD über das Rentenpaket. Bundeskanzler Merz befinde sich in einer äußerst unkomfortablen Lage, notiert die österreichische Zeitung DER STANDARD und führt weiter aus: "Ein nicht unerheblicher Teil seiner Leute legt sich in der Rentenpolitik quer, CSU-Chef Söder zeigt Verständnis für sie. Die SPD aber will nicht nachverhandeln und verweist auf einen gültigen Kabinettsbeschluss. Der Kanzler ist ein Getriebener und muss doch eine Lösung aus dem Hut zaubern. Ob es reicht, die Jungen mit einer Rentenkommission, die sich dann ohnehin um das große Ganze kümmern wird, zu vertrösten, ist fraglich. Die Jungen wollen sich nicht länger abspeisen lassen, sie vertrauen offensichtlich nicht mehr darauf, dass ihre Anliegen noch zählen, wenn sie im Bundestag doch noch Ja sagen. Schon raunt es in Berlin, dass die Koalition über dieser Frage zerbrechen könnte", ist im Wiener STANDARD zu lesen.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG kritisiert die geplanten Änderungen bei der Rente in Deutschland: "Die Debatte über eine Festschreibung des Rentenniveaus lässt das wirkliche Problem außer Acht. Es geht um Flickschusterei an einem völlig überholten und kaputten Rentensystem. Solange nicht wirklich eine tiefgreifende Reform angegangen wird, muss die Rentenkasse jedes Jahr mit dreistelligen Milliardenbeträgen gestützt werden – zugleich steigen die Beiträge immer weiter. Volkswirtschaftlich ist das ein Ritt auf der Rasierklinge, der nicht gutgehen kann", warnt die Schweizer NZZ.
Nun nach Chile, dort fand am Wochenende die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Die Zeitung EL DINAMO aus Santiago de Chile erklärt: "Die Beteiligung lag hoch, was auch an der Wahlpflicht lag. Aber die Chilenen haben so gezeigt, dass sie Politiker wollen, die ihnen zuhören und mit den Bürgern in Kontakt treten, bevor sie ihren Willen durchsetzen. Sie wollen Politiker, die anerkennen, dass sie unter wirtschaftlichen und sozialen Problemen leiden und die Sicherheitslage schlecht ist. Am 14. Dezember treten die linke Kandidatin Jeannette Jara und der Republikaner José Antonio Kast in der zweiten Runde egeneinander an. In Wirtschaftsfragen stehen sie einander diametral gegenüber. Obwohl die Bevölkerung die Rhetorik der bisherigen linken Regierung gründlich leid ist, besteht Jara weiterhin auf einen starken Staat, und es fehlt ihr an jeder Selbstkritik. Dabei sieht die Realität so aus, dass die Steuereinnahmen stagnieren, die Produktivität gering und das Wachstum niedrig ist. Für diese Unfähigkeit haben die Chilenen ihre Regierung abgestraft", betont die chilenische Zeitung EL DINAMO.
Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR blickt auf den Zweitplatzierten der Wahl: "Kast kandidiert bereits zum dritten Mal für das Präsidentenamt. Er gilt als ultrakonservativ, was indidivuelle Freiheiten und vor allem die Abtreibungsfrage betrifft; außerdem will er gegen die irreguläre Migration vorgehen. Für Jara wird es kompliziert. Sie scheint ihr Wählerpotenzial ausgeschöpft zu haben, und wenn sie weitere Stimmen gewinnen will, wird sie sich vom Kommunismus stärker auf die Mitte zubewegen müssen", empfiehlt EL ESPECTADOR aus Bogotá.
Die türkische Zeitung BIRGÜN aus Istanbul geht der Frage nach, warum die bisherige Regierung so unpopulär geworden ist: "In Chile herrscht trotz reicher Bodenschätze eine Wirtschaftskrise. Außerdem klaffen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Land sehr weit auseinander. Vor allem die Armen hatten große Hoffnungen in den noch amtierenden Präsidenten Boric gesetzt, doch er konnte seine Versprechen nicht umsetzen. Auch die Sicherheit im Land nimmt immer mehr ab: venezolanische Banden sorgen in der Bevölkerung für Empörung."
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GAZETA meint: "Die Wahl in Chile ist nicht nur für das Land selbst, sondern für die gesamte politische Landschaft Lateinamerikas von Bedeutung. Seit Donald Trump in den Vereinigten Staaten an die Macht kam, haben die Begriffe 'links' und 'rechts' stark an Bedeutung verloren. Linke Kandidaten vertreten nun ehemals rechte Positionen, während klassische Rechte plötzlich zu derartigen Verfechtern der Interessen des einfachen Volkes geworden sind, dass selbst die Wähler zunehmend verunsichert sind: Wem sollen sie ihre Stimme geben, wenn alle dasselbe versprechen, aber unterschiedlichen Parteien und Bewegungen angehören?", heißt es in der Moskauer NESAWISSIMAJA GAZETA.
Nun nach Großbritannien. Dort hat die Labour-Regierung Details zur geplanten Verschärfung des Asylrechts bekannt gegeben. Die spanische Zeitung ABC ist der Ansicht: "Das Vereinigte Königreich hat eine Kehrtwende in der Einwanderungspolitik vollzogen und damit auch einen Wendepunkt für die europäische Linke markiert. Die geplante Reform ist nicht etwa leichte Anpassung, sondern bedeutet einen Bruch mit dem jahrzehntelangen wohlklingenden Idealismus in dieser Frage. Stattdessen hat sich Labour für die harte dänische Linie entschieden, und das sollte auch Spaniens Sozialisten Anlass zum Nachdenken geben: Die Bilder vom Ärmelkanal ähneln denen von den Kanarischen Inseln oder der Straße von Gibraltar. Das Vereinigte Königreich hat sich entschieden, den naiven Idealismus aufzugeben. Wenn Labour diesen Tabu-Bruch wagt - worauf warten dann noch die spanischen Sozialisten?", fragt ABC aus Madrid.
Der britische INDEPENDENT kritisiert die neuen Asylregelungen und argumentiert: "Sie haben auch die paradoxe Folge, dass es für Einwanderer schwieriger wird, das zu tun, was ständig von ihnen verlangt wird nämlich – sich zu 'integrieren' und 'britisch' zu werden. Die Einwanderer können sich nicht wirklich 'niederlassen', wenn sie sich fragen müssen, ob ihr Herkunftsland alle 30 Monate von den britischen Behörden als 'sicher' eingestuft wird. Zudem ist es unfair, ihnen das Kindergeld zu entziehen, wenn sie jahrzehntelang in Großbritannien gearbeitet haben", unterstreicht der Londoner INDEPENDENT.
Abschließend noch ein Blick in die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN. In einem Gast-Kommentar geht es um die Verabschiedung der Resolution durch den UNO-Sicherheitsrat für den Friedensplan im Gazastreifen: "Zwar bleiben große Sorgen wie die Umsetzung der Zweiten Phase der Waffenruhe oder die Entsendung der internationalen Truppe, während um die Entwaffnung der Hamas noch Unklarheit herrscht. Dennoch ist es zu begrüßen, dass die Rolle der Vereinten Nationen mit dieser Resolution wieder große Anerkennung bekommt. Aus diesem Anlass sollten die USA ihren Zahlungsrückstand bei ihren UNO-Beiträgen, der die Organisation in eine ernsthaft schwere finanzielle Krise geführt hat, endlich beheben." Das war NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio, mit der die internationale Presseschau endet.