
Mit Blick auf die jüngsten Verhandlungen konstatiert die italienische Zeitung LA REPUBBLICA: "Der von US-Präsident Donald Trump ausgearbeitete Friedensplan existiert nicht mehr. Oder zumindest nicht mehr in der Formulierung, die in den vergangenen Tagen bekannt wurde. Es gibt einen neuen, mit vielen Fragezeichen, die in einem persönlichen Gespräch zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geklärt werden müssen. Dies ist das Endergebnis der Gespräche, die in Genf zwischen der US-Delegation, derjenigen Kiews und den europäischen Vertretern stattfanden. Eine 'Wende', die aber dazu bestimmt ist, Moskaus klares 'Nein' hervorzurufen", schätzt LA REPUBBLICA aus Rom.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA ist sich sicher: "Wenn Moskau den Konflikt wirklich beenden wollte, würde der russische Diktator sich morgen mit Selenskyj treffen und sich beispielsweise auf eine Liste 'neutraler' Länder einigen, die an einer Friedensmission teilnehmen könnten. Beide Seiten würden ihre Truppen in einem bestimmten Abstand zurückziehen, um eine geeignete Pufferzone für eine solche Mission zu schaffen. Dann stünde der Einrichtung einer solchen Friedensmission durch den UNO-Sicherheitsrat nichts mehr im Wege. Der Rest – einschließlich territorialer Fragen – würde nach Kriegsende, möglicherweise von Putins und Selenskyjs Nachfolgern, besprochen", spekuliert RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die türkische Zeitung SABAH aus Istanbul vermutet, die USA wollten "einen Teil des internationalen Vermögens Russlands für die Ukraine auf Projektbasis durch ihre eigenen Unternehmen nutzen. Europa hingegen bleibt die Erfüllung seiner NATO-Verpflichtungen, die Organisation des nationalen Verteidigungssystems der Ukraine und die Bereitstellung von Sicherheitsgarantien. Fazit: Die sogenannte multipolare neue Weltordnung entwickelt sich unter der Führung der USA zu einer neuen Form des Kolonialismus."
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER bemerkt zur Rolle des US-Außenministers bei den Verhandlungen: "Marco Rubio kämpft derzeit seinen eigenen Kampf in der Trump-Regierung. Kann er der Ukraine und Europa mehr als nur etwas Zeit verschaffen? Es ist offensichtlich, dass Donald Trump keine Einwände gegen Putins Anspruch auf die Kontrolle der von Russland eroberten Gebiete hat. Trump mag es nicht, wenn Sanktionen Geschäfte erschweren. Und er sieht kein Problem darin, Kiew zu überfahren, um seine Ziele zu erreichen", schreibt DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Die brasilianische Zeitung O GLOBO hebt hervor: "Gewiss, es ist positiv, dass die USA eine Initiative für die Aufnahme von Verhandlungen gestartet haben, aber der Text dieses Plans ist sowohl für die Ukrainer als auch für die Europäer inakzeptabel. Fraglich ist außerdem, wie weit man Putin überhaupt vertrauen kann. Seit Beginn des Krieges sind hunderttausende Soldaten gefallen und schätzungsweise 14.000 Zivilisten ums Leben gekommen. Trump hat recht, wenn er nach so viel Leid diesen Krieg beendet sehen will. Aber das darf nicht um jeden Preise geschehen", betont O GLOBO aus Rio de Janeiro.
Die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen gibt zu bedenken: "Der weitere Weg steht noch nicht fest, und Russland kann wie früher alles vom Tisch fegen. Aber in jedem Fall hat Trump Kostproben seiner neuen Weltordnung serviert, in der sich die Starken gewaltsam durchsetzen: Der Kriegsverbrecher Putin wird belohnt, die Ukrainer werden bestraft. Barbarei wird belohnt, die Demokratie wird unterdrückt. Die Diktatur wird belohnt, die regelbasierte Weltordnung gehört der Vergangenheit an. Europa muss jetzt alles tun, was in seiner Macht steht, um für die Ukraine das bestmögliche Abkommen zu erreichen", verlangt POLITIKEN.
Ähnlich äußert sich das LUXEMBURGER WORT: "Die Europäer haben jetzt die Aufgabe, sich energisch in die Verhandlungen einzubringen und Trumps Plan bis zur Unkenntlichkeit zu verändern. Das gelingt jedoch nur, wenn die Europäer auch auf einen Plan B vorbereitet sind. Denn einen 'Friedensplan', der nicht einem Diktatfrieden zulasten der Ukraine gleichkommt, wird Moskau derzeit kaum akzeptieren", folgert das LUXEMBURGER WORT.
Die slowakische Zeitung PRAVDA aus Bratislava glaubt: "Die Strategie Europas, also der EU plus Großbritannien, und der US-Demokraten hat versagt. Weder Moskau noch Washington respektieren Europa politisch noch: Die Zeit, als es auf der Welt den Ton angab, sind vorbei. Es hat weder die wirtschaftliche noch die militärische und auch nicht die technologische Macht. Die Welt hat sich verändert, diese Tatsache sollten wir in Europa endlich wahrnehmen - vor allem die 'Großmächte' Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Wenn die EU sich nicht an die veränderte Welt anpasst, überlebt sie nicht", prophezeit PRAVDA.
Die britische Zeitung THE TIMES ist überzeugt: "Mit ziemlicher Sicherheit stehen noch wochenlange Verhandlungen bevor. Selbst in der abgeänderten Form stellt der Plan noch eine Einladung an Russland zu einem erneuten Angriff dar. Moskau würde die durch einen Waffenstillstand gewonnene Atempause nutzen, um Lehren aus seiner bisherigen Kriegsführung für seine aufgeblähten Streitkräfte zu ziehen. Dann könnte es Ziele wie den wichtigen Hafen von Odessa angreifen - in der Gewissheit, dass es keine Reaktion der NATO zu befürchten hat. Zu den vielen Schwächen des Entwurfs gehört der Mangel an Sicherheitsgarantien für Kiew: keine NATO-Mitgliedschaft, keine NATO-Truppen in der Ukraine, auch nicht zu Ausbildungszwecken", urteilt THE TIMES aus London.
Themenwechsel. Die chinesische Zeiitung HUANQIU SHIBAO zieht ein Fazit zum G20-Gipfel in Südafrika. Dieser habe gezeigt, dass "der Multilateralismus noch lange nicht tot ist. Ungeachtet des Widerstands durch die USA kam das Gipfeltreffen in Johannesburg dank des beharrlichen Engagements des Gastgeberlands mit einer Reihe handfester Ergebnisse zu einem erfolgreichen Abschluss. Es war der erste G20-Gipfel in einem afrikanischen Land, und es besteht nun die Hoffnung, dass der afrikanische Kontinent fortan stärker Gehör finden wird und seine Beiträge in gebührendem Maße gewürdigt werden. Der Versuch Washingtons, einen Keil zwischen die Teilnehmerstaaten zu treiben und dieses Format möglicherweise ganz zu sprengen, ist jedenfalls fehlgeschlagen. Die derart unter Druck gesetzten Länder erwiesen sich als äußerst widerstandsfähig und führungsstark und konnten in vielen wichtigen Punkten einen Konsens erzielen. So verständigten sie sich darauf, die internationalen Finanzierungsmechanismen und Sozialversicherungssysteme zu verbessern. Zudem wurden Klima- und Entwicklungsfragen auf innovative Weise mit neuen Finanzierungsmodellen für den Schuldenabbau integriert. Wie schon auf der Klimakonferenz in Brasilien hat sich gezeigt, dass es auch ohne die USA geht", fasst HUANQIU SHIBAO aus Peking zusammen.
THE INDEPENDENT UGANDA kritisiert dagegen das Format grundsätzlich: "Es ist mittlerweile ein offenes Geheimnis, dass die Beschlüsse von Treffen wie dem G20-Gipfel nicht im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung liegen. In den vergangenen Jahrzehnten ist es der G20, die über 85 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts repräsentiert, nicht gelungen, ihr gebündeltes Gewicht zu nutzen, um die globalen wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zu bewältigen. Stattdessen hat sie meist im Interesse von Konzernen und Milliardären gehandelt. Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und andere Institutionen haben erkannt, dass extreme Ungleichheiten das Tempo und die Nachhaltigkeit des Wirtschaftswachstums weltweit behindern. Allerdings: Auch sie sind Teil des Problems, nicht der Lösung", kommentiert THE INDEPENDENT UGANDA. Und damit endet die internationale Presseschau.
