27. November 2025
Die internationale Presseschau

Themen sind die Papst-Reise in die Türkei, das umstrittene Telefonat des US-Sondergesandten Witkoff mit Russland sowie das neue VW-Zentrum in China. Zunächst aber nach Großbritannien, wo Finanzministerin Reeves den neuen Haushalt vorgestellt hat, der zahlreiche Steuererhöhungen vorsieht.

Die britische Finanzministerin Rachel Reeves spricht im Parlament. Sie gestikuliert mit der rechten Hand.
Die britische Finanzministerin Rachel Reeves (AFP / HANDOUT)
Die australische Zeitung THE AGE führt aus: "Autofahrer müssen ab nächstem Jahr drei Pence für jede Meile zahlen, die sie mit ihrem Elektroauto zurücklegen. Zudem kommt eine höhere Steuer auf teure Immobilien, eine Zuckersteuer auf Milchshakes, eine Tourismussteuer auf Ferienhäuser, eine Glücksspielsteuer, eine höhere Steuer auf Rentenfonds und eine Einfuhrsteuer auf kleinere Pakete, die in ausländischen Online-Shops gekauft werden. Schlimmer für Millionen von Arbeitnehmern ist aber die Entscheidung, die Einkommensteuersätze unverändert zu lassen - obwohl die Menschen aufgrund von Inflation und Lohnerhöhungen in höhere Steuerklassen rutschen. Die großen Gewinner des Haushaltsplans sind geringverdienende Familien. Die Konservativen hatten Sozialleistungen für mehr als zwei Kinder abgeschafft, aber Labour wird das alte System wieder einführen. Reeves sagt, sie sei stolz darauf, gegen Kinderarmut vorzugehen, aber die Debatte über den Umfang des Sozialstaates wird Fahrt aufnehmen. Letztendlich schienen die Märkte den neuen Plan aber zu begrüßen: Das britische Pfund stieg, die Kreditkosten für britische Staatsanleihen sanken", hält THE AGE aus Melbourne fest.
Der britische GUARDIAN unterstellt der Regierung, mit dem neuen Haushalt "Zeit" kaufen zu wollen: "Zeit, damit Premier Starmer und Reeves selbst noch eine Weile im Amt bleiben können. Zeit, damit sich das Blatt vielleicht wendet. Es wird eine Weile lang funktionieren. Aber auch wenn viele der Maßnahmen gut sind, sind sie doch nur kleine Schritte. Aber eine wirklich Wende? Nein."
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz vermerkt: "Die wichtigste Nachricht des Tages kam von den nüchternen Beamten des Office for Budget Responsibility. Diese formal unabhängige Behörde reduzierte nun ihre eigene Prognose für das Produktivitätswachstum pro Arbeitsstunde bis 2030 von 1,3 Prozent auf 1,0 Prozent pro Jahr. Diese Zahl ist viel wichtiger als all die Millionen und Milliarden Pfund, die Reeves für dieses oder jenes Projekt nannte. Denn ohne Wachstum der Arbeitsproduktivität wird sich der Wohlstand der Bevölkerung langfristig nicht verbessern. Und das ist es, was die Wähler von ihren Politikern fordern. Von einem wirtschaftspolitischen Aufbruch ist nichts zu sehen. Labour folgt damit der Spur der Konservativen, die ähnlich mutlos den Niedergang verwalteten. Das ist politisch riskant, denn neuerdings gibt es mit der rechtsnationalen Protestpartei 'Reform UK' eine Alternative für die Wähler. Und diese folgen den Populisten in Scharen", unterstreicht die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
THE IRISH TIMES aus Dublin sieht es so: "Es gibt einen eindeutigen Grund für die schlechte Wirtschaftsleistung. Forschungsergebnisse des US-amerikanischen National Bureau of Economic Research zu den Auswirkungen des Brexits zeigen, dass die Folgen weitaus schlimmer sind als selbst die düstersten Prognosen von damals. Die Investitionen, die Produktivität und die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts haben massiv gelitten. Engere Beziehungen zur EU würden die Aussichten verbessern, aber eine Anpassung an europäische Regeln wäre politisch schwierig. Zudem spielt die kontroverse Einwanderungsdebatte weiterhin 'Reform UK' in die Hände. Fünf Jahre nach dem Brexit sind die Kosten nur allzu deutlich. Dennoch scheinen seine Hauptbefürworter keinen politischen Preis dafür zahlen zu müssen", notiert THE IRISH TIMES aus Irland.
Nun zum Telefonat des US-Sondergesandten Witkoff mit dem Putin-Berater Uschakow. Darin gab er diesem offenbar Tipps, wie er mit US-Präsident Trump umgehen solle. "Das Gespräch sollte als Verrat gewertet werden", fordert die polnische GAZETA WYBORCZA: "Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass Witkoff nicht im Namen seines Landes handelt, sondern im Interesse einer Gruppe amerikanischer Oligarchen, die von Großinvestitionen in Russland träumen: in die Gewinnung von Seltenen Erden, Öl und Gas. Putin nutzt diesen Köder ganz bewusst. Und die amerikanischen Milliardäre wissen, dass ohne einen 'Frieden' in der Ukraine die Aufhebung der gegen Russland verhängten Sanktionen unmöglich sein wird - die die Voraussetzung für die Verwirklichung ihrer Investitionspläne wäre. Ist dies womöglich der Auftakt zur Privatisierung der Staatspolitik durch Oligarchen aus Trumps Umfeld?", fragt die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN findet: "Die Lage ist so unübersichtlich geworden, dass nicht mehr klar ist, was tatsächlich stattgefundene Verhandlungen, was Inszenierung oder manipulierte Informationen sind. In den USA gerät Witkoff immer stärker in die Kritik, während Russland geschickt das Bild inszeniert, es seien die USA, die der Ukraine den nachteiligen Friedensplan aufdrängen. Trump hat es eilig, eine Einigung zu erzielen. Die Wahrscheinlichkeit ist äußerst hoch, dass Russland das schnelle Tempo für sich nutzt", prognostiziert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Das schwedische AFTONBLADET warnt: "Ein schlechter Friede in der Ukraine mit Putin als Sieger ist eine Einladung für Russland, in wenigen Jahren ein NATO-Land anzugreifen. Wir müssen sowohl die Unterstützung für die Ukraine als auch unsere Verteidigungsfähigkeit ausbauen. Seit Putin vor 25 Jahren Präsident wurde, hat er einen Krieg nach dem anderen begonnen. Er wird sich nicht ändern."
Themenwechsel. Heute reist Papst Leo in die Türkei. Die türkische Zeitung AKŞAM schreibt: "Der Hauptgrund der Reise ist der 1700. Jahrestag des Konzils von Nicäa, auf dem die Grundlagen des ökumenischen Glaubensbekenntnisses gelegt wurden. Der Papst wird auch bei einem orthodoxen Gottesdienst sprechen und die Blaue Moschee besuchen. Noch vor 60 Jahren wären diese Schritte von den Katholiken als blasphemisch angesehen worden. Wir sind also mit einer neuen Realität konfrontiert. Während die westliche Welt - deren Kern die christliche Kirche ist - sich in einer Neupositionierung befindet, sucht auch die Kirche eine neue, umfassendere Rolle in der Welt", beobachtet die Zeitung AKŞAM aus Istanbul.
Die portugiesische Zeitung DIARIO DE NOTICIAS ergänzt: "Die Reise von Papst Leo ist eine politische und ökumenische Geste. Der Papst nähert sich damit auch der orthodoxen Welt an - und das wäre für die gesamte Welt von Vorteil. Allerdings verläuft die zentrale Bruchlinie zurzeit vor allem an der Grenze zu Russland. Dort ist das Moskauer Patriarchat ein enger Verbündeter des Kreml und wird von Putin für seine Zwecke instrumentalisiert. Die eigentliche Bewährungsprobe ist daher für Leo nicht das Treffen mit Bartholomäus I, dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, sondern der Dialog mit Patriarch Kirill in Moskau - für eine Annäherung der Konfessionen, aber auch für einen Frieden in Europa", hofft das DIARIO DE NOTICIAS aus Lissabon.
Zum Schluss ein Blick nach China. Der Volkswagen-Konzern hat dort ein Zentrum eröffnet, das VW-Angaben zufolge die Entwicklung und den Bau von E-Autos erstmals vollständig außerhalb Deutschlands möglich macht. In der chinesischen Zeitung HUANQIU SHIBAO wird von einer "Win-Win-Situation" gesprochen: "Das VW-Zentrum in Hefei soll die Entwicklungszeit neuer Modelle verkürzen und die Kosten senken. Der Volkswagen-Konzern hat also seine Strategie zur Stärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit in China gefunden. Die von manchen westlichen Politikern behauptete 'Bedrohung', wonach Chinas Aufstieg die europäische Industrie unter Druck setze, erweist sich durch den Erfolg von VW als falsch. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit kann allen Beteiligten Gewinn bringen. Die globale Wertschöpfungskette braucht keine Mauern in den Köpfen", so die Meinung, die in der Zeitung HUANQIU SHIBAO aus Peking zu lesen ist.