02. Dezember 2025
Die internationale Presseschau

Ein Thema ist das Gnadengesuch des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu. Im Mittelpunkt der Kommentare steht jedoch der US-Militäreinsatz vor der Küste Venezuelas.

Der US-Zerstörer USS Sampson
Der US-Zerstörer USS Sampson wurde im Zuge der Spannungen mit Venezuela im September nach Panama verlegt (picture alliance / Anadolu / Daniel Gonzalez)
Dazu schreibt die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN: "US-Verteidigungsminister Hegseth steckt wieder einmal in der Klemme. Der Kongress will prüfen, ob er gegen das Gesetz verstoßen hat, und mehrere Senatoren von beiden Parteien sprechen sogar von Kriegsverbrechen. Das wäre eine ernste Angelegenheit - nicht nur für Hegseth und die USA, sondern auch für die Verbündeten in Europa. Der Hintergrund ist die Bombardierung von Booten in der Karibik mit mehr als 80 Toten. Drohnenbilder von einem Angriff zeigen, dass nicht alle Personen an Bord sofort ums Leben kamen, sondern sich an dem brennenden Wrack festklammerten, woraufhin eine weitere Rakete abgefeuert wurde. Der Verteidigungsminister soll Medienberichten zufolge befohlen haben, alle umzubringen. Hegseth bestreitet, einen solchen Befehl gegeben zu haben. Die Trump-Regierung spricht von 'Selbstverteidigung' und einem bewaffneten Konflikt mit 'Drogen-Terroristen'. Es ist positiv, dass der Kongress den Fall untersucht", bemerkt AFTENPOSTEN aus Oslo.
Das WALL STREET JOURNAL argumentiert ähnlich: "Der Vorwurf, Wehrlose vorsätzlich getötet zu haben, ist so schwerwiegend, dass er eine genaue Untersuchung durch den Kongress erfordert. Dazu gehört auch, dass Verteidigungsminister Hegseth unter Eid aussagt. Die Regierung scheint bisher zu glauben, sie könne die Angelegenheit mit den üblichen Schuldzuweisungen gegen die Medien aussitzen", kritisiert das WALL STREET JOURNAL.
Die WASHINGTON POST konstatiert: "Die US-Regierung hält die Angriffe für notwendig, damit keine Drogen mehr in die USA gelangen. Sollte dies tatsächlich ein vorrangiges Anliegen sein, hätte Trump nicht angekündigt, den ehemaligen Präsidenten von Honduras, Hernández, zu begnadigen. Hernández war in den USA zu 45 Jahren Gefängnis wegen Drogenschmuggel verurteilt worden", erinnert die WASHINGTON POST.
Die ungarische Zeitung NEPSZAVA hält den Militäreinsatz gegen den illegalen Drogenhandel für einen Vorwand: "Dass sich dieser Kampf ausgerechnet gegen das Land mit den größten erwiesenen Erdölreserven richtet, ist wohl reiner Zufall. Hyperinflation, Staatsterror und Repression charakterisieren das heutige Venezuela. Trump geht es aber nicht um humanitäre Hilfe, sondern um eine Bodenoffensive", zeigt sich die NEPSZAVA aus Budapest überzeugt.
Ähnliche Vermutungen äußert die slowakische Zeitung PRAVDA aus Bratislava: "Es scheint, dass der ungehinderte Zugang zu Venezuelas Öl in Trumps Augen eine unwiderstehliche Verlockung darstellt, für die er auch einen illegalen militärischen Angriff in Kauf nimmt."
China ist strategischer Partner von Venezuela. Entsprechend harsch fällt der Kommentar von HUANQIU SHIABO aus. Die Zeitung aus Peking sieht die globale Sicherheitsordnung in Gefahr: "Durch die völkerrechtswidrigen Angriffe auf vermeintliche Drogenschiffe wurde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Trumps Wiederbelebung der Monroe-Doktrin bekommen auch andere lateinamerikanische Länder zu spüren, die von den USA seit jeher als ihr Hinterhof betrachtet werden. In der heutigen Welt eines immer selbstbewusster auftretenden globalen Südens lassen sich diese Staaten nicht mehr so leicht einschüchtern. Nur wenn sie ihre Unabhängigkeit und Autonomie standhaft behaupten, werden Länder wie Venezuela ihre nationalen Interessen wahren und ihre wirtschaftliche Souveränität verteidigen können", notiert die chinesische HUANQIU SHIABO.
Die türkische Zeitung NEFES hält auch innenpolitische Motive der USA für die militärischen Drohungen für denkbar: "Die Trump-Regierung will, dass Maduro zurücktritt und das Land verlässt. Bei der letzten US-Präsidentschaftswahl soll vor allem die Latino-Bevölkerung für Trump gestimmt haben. Laut Umfragen wenden sich die Latino-Wähler jedoch aufgrund der Lebenshaltungskosten und der Einwanderungspolitik von Trump ab. Der Druck auf Maduro ist ein Schritt, der bei der Latino-Wählerschaft gut ankommen wird", meint NEFES aus Istanbul.
Die venezolanische Zeitung EL NACIONAL hofft auf einen friedlichen Machtwechsel in dem Land: "Wünschenswert wäre nach wie vor eine Verhandlungslösung zwischen Präsident Maduro und dem Lager um die Oppositionspolitikerin und Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado. Dazu gehört auch Edmundo González, der im vergangenen Jahr gegen Maduro antrat, dann aber durch Wahlmanipulation an einer Präsidentschaft gehindert wurde. Dass ein Wandel möglich erscheint, liegt an der Stärke der Bewegung von Corina Machado und González, an zunehmenden Spannungen innerhalb des Regimes - aber auch an dem zunehmenden internationalen Druck unter Führung der USA. Wir wollen hoffen, dass der Übergang friedlich und geordnet verläuft." Das war EL NACIONAL aus Caracas.
Nun nach Israel. Der wegen Korruption angeklagte Ministerpräsident Netanjahu hat Staatspräsident Herzog offiziell um Begnadigung gebeten. Für die dänische Zeitung POLITIKEN kommt dieser Vorstoß nicht überraschend: "Es ist bezeichnend, dass Netanjahu davor zurückschreckt, seine Unschuld vor Gericht zu beweisen. Er hat das internationale Ansehen Israels massiv ramponiert, und wenn er jetzt auch noch eine politische Krise auslöst, unterstreicht das seinen extremen Egoismus: Seine eigene Haut bedeutet ihm mehr als das Wohl und Wehe des Landes. Das Begnadigungsgesuch riecht nach Angstschweiß. Seine Regierung pfeift auf dem letzten Loch, und bald stehen Wahlen an. Netanjahus Uhr läuft ab. Hoffentlich endet er hinter Gittern - entweder in Israel oder in Den Haag." Das war POLITIKEN aus Kopenhagen.
Eine Gastkommentatorin der JERUSALEM POST sieht Israels Staatspräsident Herzog vor einem Dilemma: "Erstens wäre die Gewährung der Begnadigung aus rechtlicher Sicht eine Abweichung von der Praxis, wonach eine Begnadigung erst nach einer Verurteilung erfolgt. Zweitens könnte damit das Machtgefüge in Israel verschoben werden. Und Drittens - mit Blick auf die Rechtsstaatlichkeit - wäre die Frage, welche Botschaft damit der Öffentlichkeit vermittelt würde."
Die israelische Zeitung HAARETZ führt aus: "Viele Israelis fordern, dass Netanjahu die Verantwortung für seine Handlungen übernimmt, die zum 7. Oktober und zum Gaza-Krieg geführt haben. Er selbst hat jedoch nie ein Wort des Bedauerns geäußert. Warum sollte er auch? Nach Ansicht seiner Anhänger trifft Netanjahu keinerlei Schuld. Eine Begnadigung würde den größten Wunsch der Bibi-Anhänger erfüllen: Netanjahus Prozess und damit die israelische Demokratie zu beenden", warnt HAARETZ aus Tel Aviv.
Zum Schluss ins Inland, zu den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Berlin. Die RZECZPOSPOLITA aus Warschau beobachtet: "Die Art und Weise, wie Premierminister Tusk, neben Bundeskanzler Merz stehend, über die deutsche Haltung zu Reparationen für die Verbrechen des Dritten Reichs sprach, war bemerkenswert. Erstmals hat ein prominenter Politiker der aktuellen polnischen Regierung so deutlich betont, dass Deutschland sich angemessenen Reparationszahlungen entzieht und dabei auf Vereinbarungen aus einer Zeit verweist, als Polen nicht selbst entscheiden konnte. Die Vergangenheit wiegt schwer und wird es auch weiterhin tun, wenn Deutschland sein Spiel in den kommenden Jahren fortsetzt. Es geht um die Erinnerung an die polnischen Opfer des Dritten Reiches. Mehrere Kanzler und mehrere Bundestage hatten dies bereits angekündigt. Allerdings wird in Deutschland weiterhin über eine 'humanitäre Geste' für die noch wenigen älteren Opfer beraten, konkret: über eine finanzielle Unterstützung. Diese sollte eigentlich vor einem Jahr bei einem ähnlichen Regierungstreffen in Warschau angekündigt werden, als Olaf Scholz noch Bundeskanzler war. Geändert hat sich nichts, und innerhalb eines Jahres sank die Zahl der Polen, die diese 'humanitäre Geste' erhalten sollten, um 10.000 – von damals noch 60.000", schreibt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.