11. Dezember 2025
Die internationale Presseschau

Ein Thema in den Zeitungen ist die Verleihung des Friedensnobelpreises an die venezolanische Oppositionsführerin Machado. Vor allem geht es aber um die Beziehungen zwischen den USA und Europa.

Die Fahnen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union wehen nebeneinander
Schwierige Verhältnisse: Die Beziehungen zwischen USA und EU sind Thema in den Zeitungen. (picture alliance/dpa/Jens Kalaene)
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT betont mit Blick auf die neue Sicherheitsstrategie der USA: "Die Zeit des Schmeichelns und Schleimens scheint für Europa vorbei zu sein. Die Ukraine und die europäische Sicherheit können nur gerettet werden, wenn die Europäer ihre Illusionen über Amerika aufgeben und sich bewusst machen, was ein weiter vorrückendes Russland für ihre eigene Sicherheit bedeuten würde. Das erfordert ein kollektives Bewusstsein, das bisher kaum vorhanden ist: Europa ist zum ersten Mal seit einem Dreivierteljahrhundert ohne den Beistand der USA mit großen Fragen über Krieg und Frieden konfrontiert", unterstreicht DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die italienische Tageszeitung LA STAMPA meint: "Stellen wir sofort das Offensichtliche klar: Es sind nicht die Amerikaner, die uns sagen müssen, wer wir sind, wohin wir gehen und was wir tun. Und vor allem nicht, was wir tun sollten, um ihnen zu gefallen. Wir brauchen keine Ratschläge, und zwar aus einem sehr einfachen Grund: Europa stellt ein großes Beispiel für Demokratie dar und eben auch für Erfolg. Wenn überhaupt, sollte es Europa sein, das Lektionen an andere erteilt, statt welche zu empfangen", heißt es in LA STAMPA aus Turin.
Die britische Tageszeitung THE INDEPENDET analysiert: "Wir müssen uns dem vollen Ausmaß dessen stellen, was uns widerfährt – und was Trumps Amerika im Gegenzug für auch nur den Anschein eines Militärbündnisses und Schutzes will und erwartet. Am unmittelbarsten will Trump, dass wir die Ukraine im Stich lassen und uns mit Wladimir Putin anfreunden, als ob die Invasion und die Kriegsverbrechen nie stattgefunden hätten. Er will, dass wir mehr wie Trumps Amerika oder Viktor Orbáns Ungarn werden. Es lässt sich nicht anders verstehen: Die kollektive Stärke der EU ist ein offensichtliches Hindernis für den amerikanischen Griff nach mehr Macht. Daher will Trump sie – in einer völligen Kehrtwende zur US-amerikanischen Nachkriegspolitik – zerschlagen", warnt THE INDEPENDENT aus London.
Die IRISH TIMES aus Irland unterstreichen: "Die US-Strategie unterstützt offen sogenannte 'patriotische' Kräfte in Europa, was in Wirklichkeit Rechtsradikale meint. Die Regierung von Donald Trump will die Errungenschaften der europäischen Integration zunichtemachen und das Projekt zerstören. Europa kann sich weder im Handel noch in der Sicherheit auf die USA als stabile oder unterstützende Macht verlassen. Die transatlantischen Beziehungen sind zerbrochen", stellen die IRISH TIMES aus Dublin fest.
Die vom saudi-arabischen Königshaus in London herausgegebene Zeitung SHARQ AL-AWSST erklärt: "Wie ein geschickter Zauberer schafft es Donald Trump, das amerikanische Unvermögen zur Beilegung des Krieges in der Ukraine in ein vernichtendes Urteil über ein angebliches Fiasko Europas umzudeuten und den Kontinent zum Sündenbock für alles zu erklären. Noch mehr Sorgen bereitet allerdings der Umstand, dass Amerika sich mit Russland versöhnt und es laut seiner Nationalen Sicherheitsstrategie nicht länger als Bedrohung sieht. Letztlich bedeutet dies nichts anderes, als dass das seit dem Zweiten Weltkrieg bestehende Bündnis zwischen Europa und Amerika faktisch aufgelöst ist. Auf die Europäer hat dies gewaltige Auswirkungen: Der Kontinent erfährt sich nun als schutzlos und verwundbar. Für ihn ist das eine geradezu surreale Situation. Und tatsächlich ist seine Lage wenig beneidenswert", hält das panarabische Blatt SHARQ AL-AWSST fest.
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK nimmt in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung zwischen der EU und der Plattform X in den Blick: "Trump zeigt bei jeder Gelegenheit seine offene Unterstützung für die extreme Rechte und ist somit direkt in die europäische Politik involviert. Der Cyberspace, der früher als Konfliktlinie zwischen der freien und der autoritären Welt galt, ist zu einem Spannungsfeld innerhalb der freien Welt selbst geworden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass X-Besitzer Elon Musk vor den Wahlen in Ländern wie Frankreich, Deutschland und insbesondere im Vereinigten Königreich sein soziales Netzwerk zugunsten der extremen Rechten mobilisieren wird", mahnt YENI ŞAFAK aus Istanbul.
Die polnischen Tagezeitung GAZETA WYBORCZA vermerkt: "Das Weiße Haus unterliegt der Illusion, dass die Interessen von Trump und den europäischen Rechtsextremen übereinstimmen. US-Vizepräsident J.D. Vance und Elon Musk loben seit Monaten deutsche Radikale für ihre migrationsfeindlichen Forderungen und ihre Bereitschaft, die Beziehungen zu Russland neu zu gestalten und die Ukraine-Hilfe einzustellen. Die AfD ist jedoch keine pro-amerikanische Partei und wird es auch nie sein. Im Gegenteil, sie hält den amerikanischen Imperialismus für genauso verwerflich wie den Brüsseler. Politiker der AfD mögen Trump nur wegen seiner versöhnlichen Politik gegenüber dem Kreml, da sie selbst pro-russisch eingestellt sind. Die Amerikaner hätten von einem solchen Bündnis nichts zu gewinnen, außer natürlich Europa von innen heraus zu schwächen", folgert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Die venezolanische Oppositionsführerin María Corina Machado konnte den Friedensnobelpreis nicht persönlich entgegennehmen, ist nun aber doch nach Oslo gereist. Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN betont: "Die Überreichung des Preises erfolgt im Schatten eines möglichen Kriegs, was für zusätzliche Unruhe sorgt. Vor der Küste Venezuelas wimmelt es von US-Truppen. Washington hofft vermutlich, durch das Säbelrasseln einen Putsch herbeizuführen oder Diktator Nicolás Maduro in die Flucht zu zwingen. Gleichzeitig wächst dadurch aber auch die Gefahr eines regionalen Kriegs. Vor diesem Hintergrund bekam Machado zuletzt Kritik dafür, sich nicht ausreichend von den USA zu distanzieren. Zweifelsohne ist sie eine zutiefst konservative Politikerin, und manche ihrer Äußerungen gingen vielleicht zu weit in Richtung Trump. Aber sie war während ihres gesamten politischen Wirkens eine unermüdliche Vorkämpferin für Demokratie, in Worten und in Taten. Das gab für das Nobelkomitee den Ausschlag - und das macht sie zu einer würdigen Preisträgerin", bilanziert AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die Zeitung EL NACIONAL aus Venezuela würdigt: "Die von Machados Tochter vorgetragene Rede fasste auf bewegende Weise den Kampf Venezuelas der letzten Jahrzehnte gegen die brutale Diktatur und für Demokratie und Freiheit zusammen. Das Regime hat seine Legitimität verloren und muss daher seine Macht abtreten. Venezuela ist heute ein orientierungsloses, korruptes und gesetzloses Land und ein Ärgernis für die internationale Gemeinschaft. Künftig müssen Rechtsstaatlichkeit und Demokratie wieder oberste Priorität in Venezuela haben, und Machado ist die treibende Kraft hinter diesem Kampf, der nun international durch die Verleihung des Friedensnobelpreises umso mehr Anerkennung genießt", kommentiert EL NACIONAL aus Caracas.
Die kolumbianische Zeitung EL TIEMPO hebt hervor: "Das norwegische Nobelkomitee ehrte mit seiner Entscheidung nicht nur Machado, sondern sandte auch eine unmissverständliche Warnung an die Welt vor dem Verfall von Pluralismus und dem Aufstieg des Autoritarismus. Durch die Verleihung des Friedenspreises an Machado wächst die Hoffnung, dass das venezolanische Volk zu Demokratie und Freiheit zurückfindet. Wenn die internationale Gemeinschaft ihren Druck aufrechterhält und sich die Venezolaner weiter im Sinne der Nobelpreisträgerin organisieren, könnte dies der Beginn eines neuen Kapitels sein - eines Kapitels, in dem durch den Kampf einer mutigen Frau und eines Landes die Chance auf eine freie Zukunft in unserem Nachbarland winkt."