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Die Intransparenz der DOSB-Doping-Kommission

Der olympische Dopingfall des Freistil-Ringers Alexander Leipold aus dem Jahr 2000 ist zehn Jahre später von der, wie sie offiziell heißt, "Unabhängigen DOSB-Kommission zur Überprüfung von Trainerinnen, Trainern und Offiziellen mit Dopingvergangenheit" behandelt worden. Dies geschah besonders mit Blick auf eine Entsendung des jetzigen Ringer-Bundestrainers Leipold in das deutsche Olympia-Team für London 2012.

Von Thomas Purschke | 24.07.2011
    Die Kommission, die vom ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo Steiner geleitet wird, kam zum Ergebnis, dass Leipold -so wörtlich- "unter Berücksichtigung aller Umstände der Vorwurf eines schuldhaften Verstoßes gegen das 2000 geltende Anti-Doping-Regelwerk nicht zu machen ist." Er habe das Vertrauen, das in ihn seit seiner Berufung als Trainer beim Deutschen Ringer-Bund sportethisch gesetzt wurde, nicht enttäuscht. Die Kommission habe daher keine Bedenken, dass Leipold weiterhin als Bundestrainer beschäftigt werde und zu den Olympischen Sommerspielen 2012 entsendet werden könne. Dieser Spruch wurde bereits am 23. November 2010 gefällt, ohne dass er jemals veröffentlicht worden war.

    Auf Nachfragen des Deutschlandfunks teilte Kommissions-Chef Steiner lediglich mit, dass er nicht befugt sei, "eine Stellungnahme gegenüber dem DOSB-Präsidium an Dritte weiterzugeben". Weitere Fragen wollte Steiner, wie auch schon bei früheren Evaluierungen, nicht beantworten.

    DOSB-Jurist Holger Niese, der Beisitzer der Doping-Kommission ist, erklärte hierzu, dass diese Evaluierungsverfahren keine juristischen Verfahren in staatlicher Hoheit seien und von Seiten der Betroffenen auf freiwilliger Basis abliefen. Deshalb würden - auch im Fall Alexander Leipold - aus Gründen des Vertraulichkeitsschutzes vom DOSB nur das Ergebnis, aber keine Details der Evaluierung mitgeteilt. Soviel zur vielgepriesenen Transparenz und Unabhängigkeit dieser DOSB-Doping-Kommission.

    Leipold, der seit Herbst 2009 Bundestrainer ist, hatte 2000 in Sydney die Goldmedaille gewonnen, die ihm aber drei Tage später wegen erhöhter Nandrolonwerte aberkannt wurde. Der Ringer, der jeden Dopingmißbrauch bestritt, zog daraufhin vor den Sportgerichtshof CAS, welcher die Sperre von zwei auf nur noch ein Jahr reduzierte. Der Schweizer Sportrechtsexperte und langjährige CAS-Richter, Stephan Netzle sagte dazu auf DLF-Anfrage:

    "Ich habe diesen Fall damals beim CAS mitbearbeitet. Herr Leipold gehörte im Jahr 2000 zu den gehäuft aufgetretenen Nandrolon-Dopingfällen, die aber als minderschwer einzustufen waren, auch wegen zahlreicher, weltweit verunreinigter Nahrungsergänzungs-mittel. Heute sind jedoch im Gegensatz zu damals jedem Leistungssportler die Warnungen zu den unkalkulierbaren Risiken bei der Einnahme solcher Mittel hinlänglich bekannt. Herr Leipold hat seine einjährige Wettkampfsperre damals abgesessen und seine Olympiagoldmedaille abgeben müssen. Wenn ihn jetzt die Dopingkommission des DOSB als Ringer-Bundestrainer akzeptiert, kann ich mich dem nur anschliessen, insofern Herr Leipold sich natürlich an die gültigen Anti-Dopingregeln hält."

    Einen bemerkenswerten Standpunkt nimmt der Schweizer Sportrechtsexperte hingegen zu den ehemaligen DDR-Dopingtrainern ein. Bekanntlich hatte die Steiner-Kommission des DOSB mehrere schwer Dopingbelastete für eine Weiterbeschäftigung im Deutschen Leichtathletik-Verband und für die Entsendung zu Olympischen Spielen empfohlen, darunter den einstigen Minderjährigen-Doper und heutigen Diskus-Bundestrainer Werner Goldmann. Dazu sagt Netzle:

    "Da bin ich klar dagegen. Denn diese Trainer haben zum Teil sogar ihnen anvertraute jugendliche Sportler missbraucht und sind demzufolge mitverantwortlich für die durch die Dopingmittel entstandenen Gesundheitsschäden."