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Die ISAF-Truppen in Afghanistan

Das Bundeskabinett hat in dieser Woche beschlossen, das Mandat für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu verlängern und das deutsche Kontingent für die Internationale Schutztruppe aufzustocken. Offiziell soll der Einsatz den zivilen Aufbau des Landes absichern, doch es wird immer deutlicher: Die Aufbauarbeit in Afghanistan bedarf einer neuen Reflektion.

Von Marc Thörner | 08.10.2008
    Laut CNN ging alles ganz schnell: US-Hubschrauber setzten die Spezialeinheit in einem Dorf der pakistanischen Grenzprovinz Südwasiristan ab. Dort stürmten GIs drei Häuser, von denen aus El-Kaida- und Taliban-Aktivitäten gesteuert worden sein sollen.

    Sumarai Bashiri, Sprecher afghanisches Innenministerium: " Nicht nur den Afghanen ist es klar - die ganze internationale Gemeinschaft weiß inzwischen, wo man die Basen und sicheren Häfen der Terroristen angreifen muss. "

    Markus Kaim, Stiftung Wissenschaft und Politik: " Die pakistanische Regierung hat ja sehr lange zugelassen, dass sich eben rechts- und staatsfreie Räume an der Grenze zu Afghanistan entwickelt haben und dementsprechend die pakistanische Regierung vielleicht ungewollt, vielleicht gewollt, den Erfolg der ISAF-Mission in Afghanistan unterminiert hat. "

    Werner Hoyer, FDP im Bundestag: " Und wenn Pakistan möglicherweise hier ein Doppelspiel betreibt und längst die Taliban wieder als die zukünftigen Herrscher Afghanistans wahrnimmt, dann haben wir eine Situation, wo der militärische Kampf gegen die Taliban nach meiner Auffassung kaum zu gewinnen sein wird. "

    Was der Sprecher des afghanischen Innenministeriums, was Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik und was der FDP-Außenexperte Werner Hoyer da zum Ausdruck bringen, spiegelt sich auch in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit. Es ist eine Wahrnehmung, die sich seit Monaten in den Medien verdichtet hat und besagt: Die Ursache für die wachsende Gewalt ist weniger innerhalb Afghanistans zu finden - sondern außerhalb, in Pakistan.

    Der Umkehrschluss liegt auf der Hand: Gäbe es die Taliban-Infiltrationen aus dem Nachbarland nicht, dann wäre in Afghanistan der zivile Aufbau des Landes auf einem guten Weg.

    "80 Prozent der Afghanen sind froh über die Präsenz ausländischer Truppen in ihrem Land", "

    heißt es im 'Hamburger Abendblatt' - das anschließend Reinhard Silberberg zitiert, den Staatssekretär im Auswärtigen Amt:

    " "Mädchen gehen wieder zur Schule, es gibt eine funktionierende Infrastruktur mit Straßen und Wasserversorgung. Das Konzept der militärisch und zivil organisierten regionalen Wiederaufbauteams (PRT) mit der 'vernetzten Sicherheit' ist richtig. "

    Außenminister Steinmeier: " Mit Blick auf das, was Deutschland in Afghanistan geleistet hat, vor allem im Norden des Landes, können wir stolz sein. Gerade haben wir auf der NATO-Außenministerkonferenz darüber diskutiert, wie wir das gute Beispiel aus der zivil-militärischen Zusammenarbeit im Norden Afghanistans auch in andere Bereiche übertragen können, und ich finde das ist auch eine Auszeichnung für unser Engagement, das unsere Soldatinnen und Soldaten wie auch die vielen zivilen Helfer dort leisten. "

    "Zivilmilitärische Zusammenarbeit" - das, was Außenminister Steinmeier, wie hier im Deutschen Bundestag, ein ums andere Mal lobend hervorhebt, praktiziert die ISAF in Afghanistan seit Beginn ihrer Mission, 2002. Damals hatte ISAF von der UNO den Auftrag bekommen, den Aufbau Afghanistans zu sichern und zu geleiten. Schaltstellen von ISAF sollten dabei die sogenannten PRTs, die "Povincial Reconstruction Teams sein, zu deutsch: Die "Regionalen Wiederaufbauzentren". In jeder afghanischen Provinz koordiniert ein solches PRT die Gelder, die die jeweiligen ISAF-Staaten in die afghanische Wirtschaft und Landwirtschaft investieren wollen. Jedes PRT wird dabei von einem militärischen Kontingent geschützt.

    In Sharan, der Hauptstadt der Provinz Paktika in Ostafghanistan, betreiben die US-amerikanische und die polnische Armee das Wiederaufbauzentrum gemeinsam. Sein Sitz befindet sich innerhalb der Militärbasis. Ein Beamter des US-Landwirtschaftsministeriums unterhält dort sein Büro.

    Um die anstehenden Projekte zu besprechen, treffen sich die PRT-Mitarbeiter wöchentlich mit den Abgeordneten des Provinzrats, der etwa 500 Meter vom Stützpunkt entfernt liegt. Diese 500 Meter legen die Polen und US-Amerikaner in einem Konvoi von sechs Panzerfahrzeugen zurück. Alle, die zur Lokalratssitzung mitfahren, müssen kugelsichere Westen und Helme tragen. Ein polnischer Offizier weist sie in die Sicherheitsmaßnahmen ein.

    Etwa fünf Minuten lang rasselt der schwer gesicherte Konvoi durch ein von den MG-Schützen in den Fahrzeugen misstrauisch beäugtes offenes Gelände, ehe es den erneut schwer gesicherten Komplex des Lokalrats erreicht.

    Für die Menschen am Straßenrand sieht es nicht so aus, als führen Aufbauhelfer zu ihrem Einsatz sondern als begäben sich Soldaten in eine Schlacht. Die ISAF-Soldaten, die eigentlich die afghanische Bevölkerung vor Übergriffen der Taliban beschützen sollen, sind zusehends dabei, vor allem sich selbst zu schützen. Und auch das spiegelt sich in der Debatte wieder, die in Deutschland geführt wird: Dass nämlich die Gefahr für die eigenen Soldaten Monat für Monat zunimmt. Und dass der Preis, den Deutschland zu zahlen hat, steigt.

    " Ein Leben ist durch einen hinterhältigen Anschlag gewaltsam beendet worden. Jetzt ist die Stunde der Trauer und des Abschiednehmens. Sie haben Ihren Sohn, Sie haben Ihren Lebensgefährten, Ihren Bruder, Sie haben einen Freund verloren. Dazu spreche ich Ihnen mein tiefes Mitgefühl und die innere Anteilnahme aus. Ich verneige mich in Dankbarkeit und Anerkennung vor Hauptfeld Michael Meier. Möge er in Frieden ruhen, "

    so Verteidigungsminister Jung in einer Hörfunksendung des NDR - anlässlich der Beerdigung eines deutschen Soldaten, der beim Einsatz in Afghanistan sein Leben ließ. Im Deutschlandfunk beschreibt ein Bundeswehrsoldat die aus seiner Sicht wachsende Bedrohung:

    " Für mich ist das im Grunde Krieg, weil, wenn ich raus fahre und werde beschossen, sehe Autos, die angesprengt sind, sehe Autos, die auf Minen gefahren sind, ist das für mich im Grunde schon ein kriegerischer Akt. "

    Ebenfalls im Deutschlandfunk sagt Oberst Bernhard Geertz, der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes:

    " Weil diese Gegner uns immer mehr und immer stärker und immer öfter angreifen, befinden sich unsere Soldaten tatsächlich im Kampf. Die Taliban führen gegen uns Krieg mit dem Ziel uns zu vernichten und uns aus Afghanistan zu vertreiben und wer das nicht deutlich ausspricht, der versucht die Leute in Deutschland zu täuschen. "

    Die Sorge um die eingesetzten Soldaten scheint es zu rechtfertigen, dass der Bärenanteil internationaler Gelder für Afghanistan dem Militär zugute kommt. Sicherheitsaspekte prägen mehr und mehr das Erscheinungsbild des zivilmilitärischen Aufbaus.

    So auch vor Ort, beim Konvoi des PRT Sharan, wo polnische und US-amerikanische Soldaten den Aufbau des Landes koordinieren und schützen sollen.

    Was aber passiert mit dem Geld, das die Geberländer eigentlich für den zivilen Aufbau bereitgestellt haben? Einen Fingerzeig darauf gibt es, als der polnische Sicherheitsoffizier während der Fahrt eine Nachricht über Funk erhält: Die Gehälter, die das PRT der Provinzverwaltung für die Lehrer überweist, sind seit Monaten nicht ausgezahlt worden. Zehntausende Dollar sind spurlos verschwunden.

    Die aufgebrachten PRT-Mitarbeiter steuern deshalb zunächst das Büro des zuständigen Gouverneurs an, um nach den Ursachen für diesen Missstand zu forschen. Doch der Gouverneur ist nicht in seinem Büro. Entsprechend frostig gestaltet sich das Treffen mit dem Leiter des Lokalrats und seinem Stellvertreter.

    " Wir sind verärgert darüber, dass der Gouverneur nicht an seinem Arbeitsplatz ist. Es ist höchste Zeit, herauszufinden, was da im Schulsektor vor sich geht. Wir brauchen eine Erklärung, weshalb die Lehrer ihre Gehälter seit nunmehr drei Monaten nicht bekommen haben. Einige Schulen in der Provinz sind deshalb schon geschlossen. "

    Der Lokalratsvorsitzende und sein Stellvertreter zucken die Achseln. Einer von beiden gibt die folgende Antwort:

    " Das kann ich nicht beantworten. Wir sind nur einfache Mitglieder des Lokalrats. "

    Dann gehen die Afghanen plötzlich selber in die Offensive: 'Die afghanischen Bauern hätten dem PRT der Provinz 9000 Kilo Saat geliefert. Ohne dafür bezahlt zu werden. Das aber sei Vertragsbruch.' - 'Mit wem dieser Vertrag denn abgeschlossen worden sei?' erkundigt sich der polnische Offizier: 'Mit dem PRT selbst? Mit dem US-amerikanischen oder dem polnischen Kontingent? - Und wer als Verantwortlicher denn eigentlich unterschrieben habe?'

    Den Rest der Sitzung verbringen beide Seiten damit, vergeblich zu versuchen, die Zuständigkeiten zwischen zivilem und militärischem Bereich des Wiederaufbauzentrums; und den jeweiligen Zuständigkeiten innerhalb des polnischen und des US-amerikanischen Kontingents zu entwirren.

    Nach längerem Zuhören wird deutlich: Das Mandat, das ISAF umzusetzen hat, birgt Schwachstellen und Probleme in sich. Und das aus zwei Gründen: Erstens leiten Offiziere - aus unterschiedlichen Ländern - die Aufbauzentren. Sie verfügen in der Regel weder über die Sprachkenntnisse des Landes, noch haben sie ein fundiertes Hintergrundwissen über die Kultur und Religion der Menschen in ihrem Einsatzgebiet. Und sie neigen dazu, ein Aufbauzentrum nach technischen Kriterien zu organisieren - eben so, wie man einen Militärstützpunkt organisiert. Ein Anspruch, der sich im sublimen Geflecht afghanischer Traditionen, Loyalitäten, Höflichkeitsgesten schon bald totläuft und einige Kommandeure regelrecht verzweifeln lässt.

    Zweitens gibt es keinen Mechanismus, um der Korruption - wie im Falle der versickerten Gehälter für die Lehrer in Sharan - wirksam entgegenzuwirken. Statt einen solchen Mechanismus zu entwickeln, verweisen die Geberländer darauf, dass Afghanistan ja seine eigene Regierung und Verwaltung besitze. Doch das stellt sich als ein Argument heraus, das hinterfragt werden muss. Denn schließlich basiert die Legitimation, auf der das Mandat von ISAF fußt, darauf, einen funktionierenden Staat erst aufbauen zu helfen.

    Fazit: Die Aufbauarbeit in Afghanistan, das ISAF-Mandat, bedarf einer Reflektion. Die aber - so scheint es fast - wird durch 'ideologisch motiviertes Wunschdenken' verhindert, wie etwa der Annahme, die afghanischen Institutionen seien heute demokratisch; oder aber von der Annahme, beim zivilmilitärischen Aufbau diene das Militär dem zivilen Aufbau des Landes. Tatsächlich aber ist es genau umgekehrt: Das PRT, das Provinzwiederaufbauzentrum, ist integraler Bestandteil eines erst einmal militärischen Konzepts.

    Deutlich wird das im neuen Handbuch zur Aufstandsbekämpfung - "Counter-Insurgency" - das im Dezember 2006 veröffentlicht wurde und mit dem die US-Armee eine reformierte Militärdoktrin einleitete. Dort verweist das Autorenteam um den US-Oberkommandierenden General Petraeus in Hinblick auf die PRTs auf entsprechende Erfahrungen aus dem Vietnam-Krieg.

    " "Eines der wertvollsten und erfolgreichsten Elemente der Aufstandsbekämpfung im Vietnam-Krieg war CORDS, das Unterstützungsprogramm für zivile und landwirtschaftliche Entwicklung. CORDS wurde 1967 aufgelegt. Ziel war es, die zivile und militärische Hilfe, die die US-Regierung der südvietnamesischen Regierung zukommen ließ, miteinander zu verzahnen. CORDS arbeitete mit beträchtlichem Erfolg daran, die südvietnamesische Bevölkerung zu schützen und zu unterstützen und den Einfluss und die Attraktivität der kommunistischen Aufständischen zu unterminieren."

    CORDS - im englischen Original: "Civil Operation and Rural Development Support" - hatte allerdings, so die Meinung der Autoren des neuen US-Armeehandbuchs, einen 'Geburtsfehler':

    "Es gab zwei voneinander getrennte Kommandoketten, eine zivile und eine militärische, die es besonders der zivil betriebenen Pazifikation erschwerte, effizient zu arbeiten"

    Die Weiterentwicklung von CORDS heißt aus Sicht des US-Oberkommandierenden, General Petraeus: PRT

    "Ein Modell für zivilmilitärische Kooperation ist das der Provinzwiederaufbauteams, genannt PRTs. Erstmals im Feld erprobt wurde es 2003 in Afghanistan. PRTs wurden als ein Mittel konzipiert, die politische Reichweite der afghanischen Regierung auszudehnen und ihre Legitimität in den afghanischen Provinzen zu stärken."

    Diese "Zivilmilitärische Zusammenarbeit", die indes originär Bestandteil eines militärischen Konzepts ist, wird bis heute von deutschen Außen- und Verteidigungspolitikern positiv interpretiert. Obwohl die Verzahnung von zivilen und militärischen Bereichen und Kompetenzen ein schwerwiegendes Problem aufwirft: Denn in dem Maße, in dem die fremden Soldaten mit Defiziten, gerade auch mit Menschenrechtsverletzungen und zivilen Opfern in Verbindung gebracht werden, schwindet zwangsläufig auch die Unterstützung in der afghanischen Bevölkerung für den gesteuerten zivilen Aufbau ihres Landes. Abaceen Nasimi vom "Institute for War and Peace Reporting", einer unabhängigen Nachrichtenagentur mit Sitz in London und Kabul:

    " Ich war mehr als ein Jahr in der Provinz Helmand. Dort werden viele Operationen von US-Spezialkräften durchgeführt. In einem Fall, in einem Dorf im Garmsir-Distrikt von Helmand, landeten US-Spezialkräfte in Hubschraubern, rannten auf die Häuser des Dorfes zu, brachen die Türen auf und schossen auf Frauen und töteten auch einige Kinder, die in ihren Wiegen lagen. Einigen Zivilisten wurden mit Messern die Hälse durchgeschnitten. /../ Der Süden Afghanistans befindet sich in einer Dauerkrise. Das Militär dort ist außer Kontrolle. Sie bombardieren, sie töten Zivilisten. Natürlich kämpfen sie gegen die Terroristen. Aber das bedeutet nicht, dass alle Zivilisten, alle Paschtunen Terroristen sind. Der Eindruck der Menschen, die ich vor Ort in Helmand und Kandahar interviewt habe, ist, dass die ausländischen Truppen hier sind, um die Paschtunen zu vernichten. "

    "Die Verantwortung für die Eskalation im Afghanistan-Konflikt tragen andere" - diese These scheint sich wiederum mehr und mehr in NATO-Kreisen zu verfestigen. Kein Zufall dürfte es sein, dass Verteidigungsminister Jung bei seinem jüngsten Afghanistan-Besuch Pakistan aufforderte, die Aktivitäten von Aufständischen an seiner Grenze zu unterbinden. Und dass der kanadische ISAF-General Blanchant sich Reportern gegenüber beklagte: Es sei frustrierend für einen Soldaten, wenn der Feind sich in eine Sicherheitszone jenseits der Grenze flüchte und man ihn dorthin nicht verfolgen dürfe. Auch Markus Kaim, NATO-Experte bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, dem "think tank" des deutschen Außenministeriums, verweist auf Verbindungen zwischen Taliban und pakistanischer Armee:

    " Auf der einen Seite die aktive Unterstützung durch Teile der pakistanischen Sicherheitskräfte, wer genau dort involviert ist, wie viele das sind, wie bedeutsam die sind, ist umstritten. Wichtiger scheint mir allerdings zu sein das passive Zulassen von rechtsfreien Räumen, das Entstehen von Räumen, in denen die pakistanische Regierung nicht mehr präsent ist. "

    Tatsächlich dürfte sich der Afghanistan-Konflikt ohne die aktive Mitwirkung Pakistans und anderer regionaler Akteure kaum lösen lassen. Das aber darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Großteil der Probleme nicht im Ausland, sondern in Afghanistan selbst seine Ursache hat: In Missständen wie der Korruption und Kriminalität. Genauso aber auch in einem zivilmilitärischen Konzept, von dem es heißt, dass es den Frieden und den Aufbau sichern soll, das sich jedoch zusehends als wirkungslos erweist.

    Werden also die Politiker in Berlin, die gestern in erster Lesung über eine Verlängerung des Mandats beraten haben, das Konzept kritisch hinterfragen? Und werden sie nächste Woche darüber befinden, dass es überarbeitet werden muss?!

    Skepsis ist angebracht. Denn bislang hält sich im politischen Berlin fast parteiübergreifend die Auffassung, der Afghanistan-Einsatz sei kein Kriegseinsatz. Winfried Nachtwei, Abgeordneter der Grünen, im Deutschlandfunk:

    " Der traditionelle ISAF-Auftrag, dem Bundeswehr da folgt, ist ausdrücklich kein Kriegsführungseinsatz. Weil Krieg einmal andere Dimensionen der gewaltsamen Auseinandersetzung hat, weil es im Krieg den Parteien darum geht, den jeweiligen Gegner militärisch zu vernichten und darüber politisch zu besiegen. Die Vorgehensweise der Bundeswehr ist nicht Kriegführung, denn das bedeutet Vernichtung des Gegners. Das ist aber nicht das Ziel. Und da, was im Süden tatsächlich Krieg ist, ist es im Norden eben nicht. "

    Verteidigungsminister Jung, ebenfalls im Deutschlandfunk:

    " Hier sind wir in einer asymmetrischen Bedrohungslage und deshalb auch im Kampf gegen den Terrorismus, aber nicht im Krieg. "

    Die Folgerung liegt nahe: Es reiche möglicherweise, so deutsche Politiker, sich noch weiter von der US-geführten Operation "Enduring Freedom" abzusetzen oder aber diese Operation - wenn möglich - völlig zu verlassen.

    Unabhängige afghanische Beobachter haben da ihre Zweifel; wie der Journalist Yaqub Ibrahimi. Aus seiner Sicht, ist die Bundesrepublik auch im Norden mit ihrem zivilmilitärischen Ansatz gescheitert. Während sich Deutschland darum bemühe, keine militärischen Verluste zu haben, versänken vor allem die Provinzen, Balkh und Kundus, im Norden des Landes in Korruption und Kriminalität. Menschenrechtsverletzungen seien an der Tagesordnung.

    " Es gibt verschiedene Verbrechen. Zum Beispiel über die bei den Warlords verbreitete Praxis, Kampfhunde gegen minderjährige Mädchen einzutauschen. Einige haben eine Vorliebe für Minderjährige, andere für Kampfhunde - und so tauschen sie gelegentlich. Es werden illegale Steuern eingezogen, die so genannten Lebenssteuern. Das heißt: du lebst in diesem Dorf. Ich kontrolliere es. Also zahlst du mir monatlich eine Steuer dafür. Die Provinzfürsten können straflos morden, vergewaltigen. Das alles spielt sich unter den Augen, unter der Kontrolle der Deutschen ab. Natürlich wissen sie davon. Ich weiß nicht, warum sie den Warlords gegenüber schweigen. "