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Die Jagd auf Repliken geht weiter

1982 brachte Regisseur Ridley Scott seinen Science-Fiction-Filmklassiker "Blade Runner" ins Kino. Damals durchaus kein Kassenerfolg: "Zu düster, zu fremd" urteilten die Kritiker. Heute hat der Film mit Harrison Ford in der Hauptrolle Kultstatus erlangt. Nun erscheint in Deutschland ein in wesentlichen Teilen überarbeiteter "Final-Cut".

Von Josef Schnelle |
    Im futuristischen Ambiente jagt Deckard perfekte künstliche Hybrid-Menschen, die dem Menschen so überlegen sind, dass man sie fürchten muss, wenn sie im irdischen Alltag untertauchen. Meist werden sie nämlich auf gefährlichen fernen Welten eingesetzt. Immer mal wieder gelingt einigen von ihnen die Flucht. Dann werden "Blade Runner" eingesetzt, als clevere Kopfgeldjäger, die winzige Zeichen zu deuten wissen. Im Chefbüro der Tyrell-Corporation begegnet Deckard der schönen Rachel, die nicht weiß, dass sie eine Replikantin ist.

    Die künstlichen Menschen haben eine schematische synthetische Erinnerung und man hat ihnen eine Sicherung eingebaut. Sie leben nur kurze Zeit. "Mehr Leben" fordert denn auch deren Anführer Roy, kurz bevor er seinen Schöpfer den Ingenieur Tyrell ermordet. Deckard bringt nach und nach die vier Androiden zur Strecke und zweifelt mehr und mehr an seinem Auftrag und schließlich an sich selbst. Kann er ganz sicher sein, nicht selbst die raffinierte Variante eines Replikanten zu sein?

    Ridley Scotts Film nach dem Roman von Philip Dick "Träumen Roboter von elektrischen Schafen" ist als Kinoessay über die Vergänglich- und die Vergeblichkeit des menschlichen Lebens längst Filmgeschichte. Der Abschiedsmonolog Roys auf dem Dach eines Wolkenkratzers hat Kultstatus und ist auch schon auf einigen Grabsteinen gelandet.

    "”I watched See Beams at Tannhäuser gate. All those Moments will be lost in Time like tears in the rain.""

    Auch die Kulisse einer Megastadt mit Flugautos und Werbeballons zwischen gigantischen Wolkenkratzern hoch oben und einer verwirrenden fantastisch-superrealen Alltag mit Sprachenkauderwelsch, Garküchen und allgegenwärtigem Rotlichtmilieu in den Straßenschluchten tief unten - ist so fremd und so einzigartig, dass sie noch heute staunen lässt. Dabei stammt diese Kunstwelt aus einer Zeit, in der es noch keine digitalen Effekte gab. Der Film endete 1982 mit der Flucht von Deckard und Rachel in eine ungewisse Zukunft.

    Bald wurde bekannt, dass diese Version des Films nicht von Regisseur Ridley Scott autorisiert worden war. Die Hollywoodbosse hatten ihn in der Endphase des Schnitts vertragsgemäß aus dem Schneideraum ausgeschlossen und neben vielen kleinen Veränderungen besagtes Happy-End angehängt. Weil Scott aber nichts dergleichen gedreht hatte, benutzte man eine Fahrt durch den Wald aus Stanley Kubrick für "Shining" und kombinierte sie mit Innenaufnahmen einer gemeinsamen Autofahrt. Erst in den neunziger Jahren bekamen Fans die düster gestimmte Arbeitskopie zu sehen, die Scott noch selber geschnitten hatte.

    Inzwischen hatte der Film einen solchen Kultstatus erreicht, dass Warner-Brothers 1994 sich die Zustimmung des Regisseurs zu einem "Directors Cut" geben ließ, der ohne Happy-End von einem Mitarbeiter Scotts hergestellt, seither als Non-Plus-Ultra des Filmklassikers galt.

    15 Jahre fand Ridley Scott endlich die Zeit diesmal mit Zustimmung des Studios selbst seinem Film die endgültige Form zu geben. Es gibt im "Final Cut", der in einer aufwändigen Edition zusammen mit sämtlichen früheren Versionen und einer Dokumentation über die Herstellung des Films "Dangerous Days" präsentiert natürlich kein Happy End mehr, dafür eine Traumszene mit einem Einhorn, das für die Vermutung steht, Deckard selbst sei ein Replikant. Die meisten Veränderungen betreffen Details und den Rhythmus des Schnitts. Der Film ist nun viel rätselhafter und offener, als derjenige, den man 1982 den Zuschauern glaubte zumuten zu können. Die Bilder sind natürlich remastered und der Ton ist neu abgemischt, zum Teil mit neuer Musik von Vangelis.

    Den Filmkritikern zeigte man die neue Version in einer atemberaubenden Digital-Projektion, den normalen Kinoliebhabern wird er in Deutschland - im Unterschied zu den USA und in Frankreich, wo man ihn in ausgewählten Städten im Kino zeigt - nur auf DVD zu sehen sein. Vielleicht überlegt man sich das noch mal. Der Final-Cut von "Blade Runner" ist nämlich ein ganz außergewöhnliches Kinoerlebnis.