Die Kaiserkrönung war ein gigantisches Grillfest. Ganze Ochsen gefüllt mit Würsten, Kalb, Lamm und Geflügel wurden auf dem Römerberg, dem zentralen Platz des alten Frankfurt zwischen Rathaus und Dom, am Spieß gegart. Doppelt so viele Menschen, wie die Stadt Einwohner zählte, mussten versorgt werden. Das waren im 18. Jahrhundert bis zu 80.000 Bürger, Kleriker und der ganze Hofstaat der geistlichen und weltlichen Kurfürstentümer des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Der frisch gesalbte und gekrönte Kaiser bekam das erste Bratenstück. Der Rest des Grillfestes, ein mumifizierter Ochsenkopf mit schwarzen Fellfetzen und verbrannten Wimpern, ist in der Ausstellung "Die Kaisermacher" zu sehen. Die Metzgergesellen hatten sich den Kopf 1742 bei der Krönung Kaiser Karls VII. nach dem Gelage im traditionellen Wettstreit mit den Weinschrötern erkämpft und in ihre Zunftstube gebracht. Die Krönungen waren für die freie Reichsstadt ein gutes Geschäft. Eine große und prächtig verzierte Tresortruhe der Metzgerzunft in einem der Ausstellungsräume lässt ahnen, wie viel Bargeld hier deponiert werden musste.
Frankfurt als Bühne für das Großereignis im Alten Reich, die Krönungsfeierlichkeiten - das möchten die Ausstellungsmacher präsentieren mit allem, was an die logistischen, materiellen und rituellen Mittel des Spektakels erinnert: Essgeschirr, Gewänder, Zaumzeug, Handschriften, Dokumente, Stiche und Gemälde. Hinzu kommen die mittlerweile üblichen akustischen Informationspunkte und computersimulierten archäologischen Rekonstruktionen.
So wie das Heilige Römische Reich, das ja keine Hauptstadt hatte, das nur wenige institutionelle Strukturen besaß, also in der Alltagspraxis so gut wie unsichtbar war und nur nach dem Tod eines Kaisers durch die Neuwahl in Frankfurt öffentlich in Erscheinung trat, so versucht jetzt auch die Stadt, dieses Zeremoniell sichtbar zu machen.
Und sie tut dies mit einer klugen Aufteilung von vier Schwerpunkten auf vier verschiedene Museen: Im Institut für Stadtgeschichte wird das "Grundgesetz" des Alten Reiches vorgestellt, die Goldene Bulle, im Historischen Museum das weltliche Zeremoniell der Königs- und Kaiserwahl und -krönung und im Dommuseum das geistliche. Das Jüdische Museum in der ehemaligen Judengasse beleuchtet das wechselvolle prekäre Verhältnis der jüdischen Gemeinde zur Stadt und zum Kaiser: Eine beeindruckende und ergreifende Schau, klar inszeniert, bestens durchdacht. Als fünftes Element gibt es einen markierten Weg kreuz und quer durch Frankfurts Straßen zu den historischen Schauplätzen der Festlichkeiten.
Die Qualität der vier Museumsausstellungen ist recht unterschiedlich. Im Historischen Museum hat man mitunter den Eindruck, sich in einem Sammelsurium von Exponaten zu verirren. Ihre Notwendigkeiten und die Bezüge zueinander werden oft nicht ausreichend deutlich. Das Historische Museum als Gebäude, ein geschichtsblinder Ort einer Brutalmoderne aus Beton, der ja Gott sei Dank zum Abriss ansteht, lässt die Schau seltsam fremd erscheinen. Anders als im Dommuseum und im Jüdischen Museum, wo die Ausstellungsgegenstände im historischen Architekturkontext systematisch und übersichtlich vorgestellt werden.
Dennoch macht Frankfurt unterm Strich (auch mit einem exzellenten Kinderprogramm) starken Geschichtsunterricht. Und reiht sich damit ein in die große Zahl hervorragender Ausstellung zum Alten Reich, die derzeit in Magdeburg, Berlin, Paderborn und Halle zu sehen sind. Der Horizont deutscher Geschichte wird nach dem Zivilistionsbruch und deutscher Teilung mit der historischen Fixierung auf wenige Jahrzehnte im 20. Jahrhundert neu geöffnet. Die runden Jahreszahlen, 650 Jahre Goldene Bulle und 200 Jahre Ende des Alten Reiches, sind daher wohl nur die äußeren Anlässe.
Wie Magdeburg und Berlin geht es auch Frankfurt vor allem um eine Art Bestandsaufnahme einer Welt, die zu Recht doppelt diskreditiert war. Durch die Demokraten der 1848er Revolution und durch die Demokraten nach 1945. Der Begriff des Reiches war nach dem Dritten Reich nicht mehr zugänglich. Doch ein politisches System zu vergegenwärtigen, das das Mittelalter überdauerte, die Renaissance, die Aufklärung, und das erst durch Napoleon zu Fall kam, ist selbst ein aufklärerisches Projekt.
Denn keine Gesellschaft und auch kein Individuum trägt die historischen Gene von nur zwei oder drei Generationen in sich. Selbsterkenntnis braucht die Tiefenanalyse. Kulturelle und politische Kontinuitäten bis in die Gegenwart deuten die derzeitigen historischen Ausstellungen konsequenterweise auch an. Deutscher Föderalismus und europäische Verfassung sind die dazugehörigen Stichworte. So wird das Land der Dichter und Denker allmählich auch zum Land der Historiker, die sich auch für kaiserliche Ochsenspieße interessieren dürfen.
Der frisch gesalbte und gekrönte Kaiser bekam das erste Bratenstück. Der Rest des Grillfestes, ein mumifizierter Ochsenkopf mit schwarzen Fellfetzen und verbrannten Wimpern, ist in der Ausstellung "Die Kaisermacher" zu sehen. Die Metzgergesellen hatten sich den Kopf 1742 bei der Krönung Kaiser Karls VII. nach dem Gelage im traditionellen Wettstreit mit den Weinschrötern erkämpft und in ihre Zunftstube gebracht. Die Krönungen waren für die freie Reichsstadt ein gutes Geschäft. Eine große und prächtig verzierte Tresortruhe der Metzgerzunft in einem der Ausstellungsräume lässt ahnen, wie viel Bargeld hier deponiert werden musste.
Frankfurt als Bühne für das Großereignis im Alten Reich, die Krönungsfeierlichkeiten - das möchten die Ausstellungsmacher präsentieren mit allem, was an die logistischen, materiellen und rituellen Mittel des Spektakels erinnert: Essgeschirr, Gewänder, Zaumzeug, Handschriften, Dokumente, Stiche und Gemälde. Hinzu kommen die mittlerweile üblichen akustischen Informationspunkte und computersimulierten archäologischen Rekonstruktionen.
So wie das Heilige Römische Reich, das ja keine Hauptstadt hatte, das nur wenige institutionelle Strukturen besaß, also in der Alltagspraxis so gut wie unsichtbar war und nur nach dem Tod eines Kaisers durch die Neuwahl in Frankfurt öffentlich in Erscheinung trat, so versucht jetzt auch die Stadt, dieses Zeremoniell sichtbar zu machen.
Und sie tut dies mit einer klugen Aufteilung von vier Schwerpunkten auf vier verschiedene Museen: Im Institut für Stadtgeschichte wird das "Grundgesetz" des Alten Reiches vorgestellt, die Goldene Bulle, im Historischen Museum das weltliche Zeremoniell der Königs- und Kaiserwahl und -krönung und im Dommuseum das geistliche. Das Jüdische Museum in der ehemaligen Judengasse beleuchtet das wechselvolle prekäre Verhältnis der jüdischen Gemeinde zur Stadt und zum Kaiser: Eine beeindruckende und ergreifende Schau, klar inszeniert, bestens durchdacht. Als fünftes Element gibt es einen markierten Weg kreuz und quer durch Frankfurts Straßen zu den historischen Schauplätzen der Festlichkeiten.
Die Qualität der vier Museumsausstellungen ist recht unterschiedlich. Im Historischen Museum hat man mitunter den Eindruck, sich in einem Sammelsurium von Exponaten zu verirren. Ihre Notwendigkeiten und die Bezüge zueinander werden oft nicht ausreichend deutlich. Das Historische Museum als Gebäude, ein geschichtsblinder Ort einer Brutalmoderne aus Beton, der ja Gott sei Dank zum Abriss ansteht, lässt die Schau seltsam fremd erscheinen. Anders als im Dommuseum und im Jüdischen Museum, wo die Ausstellungsgegenstände im historischen Architekturkontext systematisch und übersichtlich vorgestellt werden.
Dennoch macht Frankfurt unterm Strich (auch mit einem exzellenten Kinderprogramm) starken Geschichtsunterricht. Und reiht sich damit ein in die große Zahl hervorragender Ausstellung zum Alten Reich, die derzeit in Magdeburg, Berlin, Paderborn und Halle zu sehen sind. Der Horizont deutscher Geschichte wird nach dem Zivilistionsbruch und deutscher Teilung mit der historischen Fixierung auf wenige Jahrzehnte im 20. Jahrhundert neu geöffnet. Die runden Jahreszahlen, 650 Jahre Goldene Bulle und 200 Jahre Ende des Alten Reiches, sind daher wohl nur die äußeren Anlässe.
Wie Magdeburg und Berlin geht es auch Frankfurt vor allem um eine Art Bestandsaufnahme einer Welt, die zu Recht doppelt diskreditiert war. Durch die Demokraten der 1848er Revolution und durch die Demokraten nach 1945. Der Begriff des Reiches war nach dem Dritten Reich nicht mehr zugänglich. Doch ein politisches System zu vergegenwärtigen, das das Mittelalter überdauerte, die Renaissance, die Aufklärung, und das erst durch Napoleon zu Fall kam, ist selbst ein aufklärerisches Projekt.
Denn keine Gesellschaft und auch kein Individuum trägt die historischen Gene von nur zwei oder drei Generationen in sich. Selbsterkenntnis braucht die Tiefenanalyse. Kulturelle und politische Kontinuitäten bis in die Gegenwart deuten die derzeitigen historischen Ausstellungen konsequenterweise auch an. Deutscher Föderalismus und europäische Verfassung sind die dazugehörigen Stichworte. So wird das Land der Dichter und Denker allmählich auch zum Land der Historiker, die sich auch für kaiserliche Ochsenspieße interessieren dürfen.