In den Buchhandlungen Kairos oder bei Zeitungskioske bekommt man Raubkopien aller Art, darunter auch den Roman "Die Kinder unseres Viertels" von Nagib Machfus. Das Buch ist bei Dar al-Adab in Beirut erschienen und es darf nicht nach Ägypten eingeführt werden. Also behilft man sich mit Raubkopien. In Ägypten durfte das Buch nie erscheinen, auch nicht nach dem Machfus 1988 den Nobelpreis bekommen hat. Das sollte sich nun ändern. Der Verlag Dar al-Hilal kündigte vor einigen Wochen an, "Die Kinder unseres Viertels" in einer Reihe mit anderen verbotenen Werke des 20. Jahrhunderts herausgeben zu wollen, obwohl er die Lizenz für das Buch nicht eingeholt hatte. Machfus Anwälte intervenierten und stoppten das Vorhaben.
"Kinder unseres Viertels" ist 1959 als Fortsetzungsroman in der staatlichen Tageszeitung al-Ahram erschienen. Es erregte damals den Unmut sowohl religiöser Gelehrter als auch der politischen Machthaber.
In dem Roman wandte sich Nagib Machfus von der Thematik, die ihn in seinen früheren Werken beschäftigt haben, von der Lebenswelt des kleinen Mannes in Kairo, hin zu grundlegenden Fragen der menschlichen Existenz. Das Buch ist eine Auseinandersetzung mit der Heilsgeschichte. Man kann die Hauptfiguren des Romans als Prophetengestalten, Adam, Moses oder Muhammed interpretieren. Muhammed Shuair von der ägyptischen Literaturzeitschrift Akhbar al-Adab:
" Die Gelehrten von der al-Azhar Universität gehen mit Literatur wie mit Sachbücher um. Fiktion gibt es nicht für sie. Sie haben den Roman als ein Buch über Prophetenbiographien gelesen und meinten, dass Gott und die Frauen der Propheten darin verunglimpft werden. Unbestreitbar ist, dass Machfus sich von verschiedenen heiligen Schriften inspirieren ließ. "
Prominente Religionsgelehrte an der al-Azhar Universität verfassten interne Berichte gegen den Roman, die bis heute der höchsten religiösen Autorität in Ägypten als Grundlage dienen. Aber auch die Clique um den damaligen Staatspräsidenten Gamal Abdalnasser wetterte gegen das Werk. Sie interpretierten die Hauptfiguren nicht als Propheten, sondern als den Staatspräsidenten und als Mitglieder des Obersten Revolutionsrates.
Gamal Abdalnasser traf damals eine Vereinbarung mit Machfus. Danach darf der Roman in Ägypten nur veröffentlicht werden, wenn die al-Azhar Universität ihr Einverständnis gibt und wenn das Vorwort einer religiösen Autorität dazu erscheint. 1994 versuchte ein junger radikaler Islamist den Nobelpreisträger zu töten. Ein Grund war "Die Kinder unseres Viertels". Als eine ägyptische Oppositionszeitung als Reaktion darauf damit begann den Roman zu veröffentlichen, war Machfus dagegen. Bis heute fühlt sich der Schriftsteller an die Vereinbarung mit Gamal Abdalnasser gebunden.
Vor kurzem ist ein weiterer Akteur in dieser Sache auf der Bildfläche erschienen: Dar ash-Shuruq. Es ist eines der größten privaten Verlagshäuser in Ägypten, mit dem einflussreichen Ibrahim al-Muallim an der Spitze, der gleichzeitig Präsident des Arabischen Verlegerverbandes ist. Er hat die Rechte an Machfus Gesamtwerk gekauft. Ibrahim al-Muallim hat keine Schwierigkeiten dem religionskritischen Roman von Nagib Machfus mit dem Vorwort eines Islamisten herauszugeben und die Erlaubnis der al-Azhar Universität einzuholen. Denn er ist der Hausverlag prominenter Islamisten wie Fahmi Huwaidi oder Yusuf al-Qaradawi.
Muhammed Shuair von der Literaturzeitschrift Akhbar al-Adab glaubt, dass politische Hintergründe eine wichtige Rolle spielen:
" Die al-Azhar Universität ist ja längst ein Werkzeug der Machthaber geworden. Wenn die einflussreiche politische Klasse in Ägypten es heute wünscht, dass der Roman erscheint, dann wird al-Azhar sich dafür entscheiden. Wenn der Staatspräsident Husni Mubarak oder eine andere einflussreiche Persönlichkeit sich nicht einmischt, wird al-Azahr weiter auf seine ablehnende Haltung beharren. "
So enttäuschend das Verhalten von Nagib Machfus auch ist, an einer 40 Jahre alten Vereinbarung festzuhalten, die sich eindeutig gegen die Freiheit der Kunst richtet, ganz überraschend kommt es nicht. Seine Positionen im öffentlichen Leben haben nichts mit dem Werk zu tun. Mit den Machthabern mochte sich Machfus nie anlegen.
Muhammed Hashim, Leiter des kritischen ägyptischen Verlages Merit, fürchtet, dass sich dieser Fall auf die allgemeine kulturelle Atmosphäre in Ägypten auswirken könnte:
" Das Einverständnis des Al-Azhar zur Bedingung für eine Neuauflage des Romans zu machen, könnte ein Präzedenzfall schaffen. Fortan könnten sich religiöse Kräfte und Institutionen noch mehr einmischen und uns für die Bücher, die wir herausgeben, zur Rechenschaft ziehen. "
Die meisten ägyptischen Intellektuellen denken wie Muhammed Hashim und appellieren an Machfus und an den Verlag Dar ash-Shuruq den Roman ungeachtet der Position der al-Azhar Universität zu veröffentlichen und ohne das Vorwort eines Islamisten, auch wenn er gemäßigt sein sollte. Der Appell wird mit aller Wahrscheinlichkeit ungehört bleiben. Dar as-Shuruq kündigte an "Die Kinder unseres Viertels" in wenigen Tagen auf den Markt zu bringen. Und das Vorwort dazu erschien am Montag in der überregionalen arabischen Zeitung al-Hayat, geschrieben vom gemäßigten Islamisten Kamal Abu el-Majd. Darin zitiert er Nagib Machfus, der sich gegen die religionskritische Interpretation seines Werkes wendet.
"Kinder unseres Viertels" ist 1959 als Fortsetzungsroman in der staatlichen Tageszeitung al-Ahram erschienen. Es erregte damals den Unmut sowohl religiöser Gelehrter als auch der politischen Machthaber.
In dem Roman wandte sich Nagib Machfus von der Thematik, die ihn in seinen früheren Werken beschäftigt haben, von der Lebenswelt des kleinen Mannes in Kairo, hin zu grundlegenden Fragen der menschlichen Existenz. Das Buch ist eine Auseinandersetzung mit der Heilsgeschichte. Man kann die Hauptfiguren des Romans als Prophetengestalten, Adam, Moses oder Muhammed interpretieren. Muhammed Shuair von der ägyptischen Literaturzeitschrift Akhbar al-Adab:
" Die Gelehrten von der al-Azhar Universität gehen mit Literatur wie mit Sachbücher um. Fiktion gibt es nicht für sie. Sie haben den Roman als ein Buch über Prophetenbiographien gelesen und meinten, dass Gott und die Frauen der Propheten darin verunglimpft werden. Unbestreitbar ist, dass Machfus sich von verschiedenen heiligen Schriften inspirieren ließ. "
Prominente Religionsgelehrte an der al-Azhar Universität verfassten interne Berichte gegen den Roman, die bis heute der höchsten religiösen Autorität in Ägypten als Grundlage dienen. Aber auch die Clique um den damaligen Staatspräsidenten Gamal Abdalnasser wetterte gegen das Werk. Sie interpretierten die Hauptfiguren nicht als Propheten, sondern als den Staatspräsidenten und als Mitglieder des Obersten Revolutionsrates.
Gamal Abdalnasser traf damals eine Vereinbarung mit Machfus. Danach darf der Roman in Ägypten nur veröffentlicht werden, wenn die al-Azhar Universität ihr Einverständnis gibt und wenn das Vorwort einer religiösen Autorität dazu erscheint. 1994 versuchte ein junger radikaler Islamist den Nobelpreisträger zu töten. Ein Grund war "Die Kinder unseres Viertels". Als eine ägyptische Oppositionszeitung als Reaktion darauf damit begann den Roman zu veröffentlichen, war Machfus dagegen. Bis heute fühlt sich der Schriftsteller an die Vereinbarung mit Gamal Abdalnasser gebunden.
Vor kurzem ist ein weiterer Akteur in dieser Sache auf der Bildfläche erschienen: Dar ash-Shuruq. Es ist eines der größten privaten Verlagshäuser in Ägypten, mit dem einflussreichen Ibrahim al-Muallim an der Spitze, der gleichzeitig Präsident des Arabischen Verlegerverbandes ist. Er hat die Rechte an Machfus Gesamtwerk gekauft. Ibrahim al-Muallim hat keine Schwierigkeiten dem religionskritischen Roman von Nagib Machfus mit dem Vorwort eines Islamisten herauszugeben und die Erlaubnis der al-Azhar Universität einzuholen. Denn er ist der Hausverlag prominenter Islamisten wie Fahmi Huwaidi oder Yusuf al-Qaradawi.
Muhammed Shuair von der Literaturzeitschrift Akhbar al-Adab glaubt, dass politische Hintergründe eine wichtige Rolle spielen:
" Die al-Azhar Universität ist ja längst ein Werkzeug der Machthaber geworden. Wenn die einflussreiche politische Klasse in Ägypten es heute wünscht, dass der Roman erscheint, dann wird al-Azhar sich dafür entscheiden. Wenn der Staatspräsident Husni Mubarak oder eine andere einflussreiche Persönlichkeit sich nicht einmischt, wird al-Azahr weiter auf seine ablehnende Haltung beharren. "
So enttäuschend das Verhalten von Nagib Machfus auch ist, an einer 40 Jahre alten Vereinbarung festzuhalten, die sich eindeutig gegen die Freiheit der Kunst richtet, ganz überraschend kommt es nicht. Seine Positionen im öffentlichen Leben haben nichts mit dem Werk zu tun. Mit den Machthabern mochte sich Machfus nie anlegen.
Muhammed Hashim, Leiter des kritischen ägyptischen Verlages Merit, fürchtet, dass sich dieser Fall auf die allgemeine kulturelle Atmosphäre in Ägypten auswirken könnte:
" Das Einverständnis des Al-Azhar zur Bedingung für eine Neuauflage des Romans zu machen, könnte ein Präzedenzfall schaffen. Fortan könnten sich religiöse Kräfte und Institutionen noch mehr einmischen und uns für die Bücher, die wir herausgeben, zur Rechenschaft ziehen. "
Die meisten ägyptischen Intellektuellen denken wie Muhammed Hashim und appellieren an Machfus und an den Verlag Dar ash-Shuruq den Roman ungeachtet der Position der al-Azhar Universität zu veröffentlichen und ohne das Vorwort eines Islamisten, auch wenn er gemäßigt sein sollte. Der Appell wird mit aller Wahrscheinlichkeit ungehört bleiben. Dar as-Shuruq kündigte an "Die Kinder unseres Viertels" in wenigen Tagen auf den Markt zu bringen. Und das Vorwort dazu erschien am Montag in der überregionalen arabischen Zeitung al-Hayat, geschrieben vom gemäßigten Islamisten Kamal Abu el-Majd. Darin zitiert er Nagib Machfus, der sich gegen die religionskritische Interpretation seines Werkes wendet.