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Die Kinderfeuerwehr kommt in 20 Minuten

Spitzenkräfte aus dem Ausland anziehen und eigene Spitzenkräfte halten. Das will heutzutage jedes größere Unternehmen. Deshalb versuchen die Firmen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die sie für Spitzenkräfte attraktiv machen. Sie stellen zu Beispiel eine gut organisierte Kinderbetreuung auf die Beine.

Von Ulrike Mix | 17.08.2004
    Auch die Universitäten haban inzwischen mitbekommen, dass diejenigen, die Spitzenkräfte für ihre Forschung wollen, auch was bieten müssen. Die Universität Hohenheim in Stuttgart will sich aus diesem Grund als besonders familienfreundliche Universität profilieren - und sich ihr Engagement auch zertifizieren lassen. Zum Beispiel ihr bundesweit einmaliges Programm zur Kinderbetreuung.

    Die Kinderfrau hat gerade abgesagt, die Kindertagesstätte oder der Kindergarten ist während der Sommerferien zu – und man selbst muss in einer Stunde bei der Arbeit sein. In einer solchen Situation ist die so genannte Kinderfeuerwehr der Universität Stuttgart-Hohenheim Gold wert. Denn das Programm garantiert, dass die Uni innerhalb von 20 Minuten eine Betreuerin stellt, die auf das Kind aufpasst. Vor fünf Jahren hat die Gleichstellungsbeauftragte Christiane Bode diese bundesweit einmalige Kinderfeuerwehr ins Leben gerufen. Damit Forschung und die Forschungsgelder nicht den Bach runter gehen.

    Der Anlass dafür war, dass ich eine alleinerziehende Mutter mit Zwillingen hatte. Wenn die mich morgens anrief und sagte "Judith ist krank", dann wusste ich: Die Zellkulturen sitzen hier und brauchen Pflege – und wenn nicht nach zwei Tagen jemand einspringt, sind die hin und mehrere 1000 Mark hin.

    Egal ob ein Kind krank ist oder ob eine unvorhergesehene Konferenz einberufen wurde. Egal ob die Eltern Universitäts-Angestellte oder Studierende sind: An der Uni Hohenheim stehen den ganzen Tag über drei Betreuerinnen auf Abruf. Und sie kommen bei Bedarf auch zum Kind nach Hause. Für arbeitende Mütter wie Benedetta Pippitone Detzel eine große Hilfe.

    Ich find’ es super – einfach unerwartet schön. Und ich hoffe, dass es keine einmalige Sache ist, bzw. dass es nicht nur wir hier an der Uni Hohenheim so schön haben, weil des ist wirklich sehr, sehr bewundernswert.

    Benedetta Pippitone Detzel hat ihren vierjährigen Sohn Michael selbst heute in die Kinderfeuerwehr gebracht, weil sein Kindergarten Sommerferien hat und sie keinen Urlaub nehmen kann. Alles ganz stressfrei. Doch die Kinderfeuerwehr ist nur ein Programm, mit dem die Uni Hohenheim bei Wissenschaftlern, sonstigen Angestellten und Studierenden Pluspunkte sammeln will: Wenn Kindergärten und Kindertagesstätten im Sommer geschlossen sind, gibt es außerdem die so genannten Campus-Ferien. Dabei werden die Kinder von Universitätsangehörigen und Studierenden zwei Wochen lang anspruchsvoll betreut. Kinderbildung ist angesagt – mit Vorlesungen, kleinen Exkursionen oder Versuchen. Der siebenjährige Ferdinand war in diesem Jahr dabei und ist begeistert:

    Wir haben ein Aquarium gemacht und wir haben immer Wasserschlachten gemacht und wir waren beim Bach und da haben wir Fische gesucht, aber des war nicht so leicht, weil unter den Steinen waren manchmal welche und manchmal auch keine.

    Und Ferdinand ist nicht der einzige, der Feuer gefangen hat, erzählt Christiane Bode: Die 30 Plätze für die Campus-Ferien gingen auch in diesem Jahr weg wie warme Semmeln.

    Wir haben einfach gesehen, dass der Bedarf immens ist: In dem Moment in dem wir ins Uni-interne Internet die Anmeldung für die Campus-Ferien stellen, dann sind einen Tag später die Plätze besetzt.

    Dass es diese Programme auch in Zukunft geben wird und dass sie noch ausgebaut werden sollen, das will die Uni Hohenheim jetzt vertraglich garantieren. Als eine der ersten Hochschulen in Deutschland will sie sich von der Hertie-Stiftung als "familiengerechte Hochschule" zertifizieren lassen. Dafür sollen in den kommenden Wochen Zielvereinbarungen erarbeitet werden, an denen sich die Uni dann messen lassen muss. Pressesprecher Florian Klebs:

    Das Rektorat hat sich verpflichtet, diesen Zielvereinbarungen nach zu kommen, das heißt die Angebote, die wir haben, zu verstetigen, dass sie nicht immer nur semesterweise gesichert sind, paar neue Sachen einzurichten und in der ganzen Personalpolitik den Gedanken von einer familiengerechten Hochschule zu verankern - Arbeitszeiten und so weiter - und immer wieder auf diese Belange Rücksicht zu nehmen. Das ist jetzt ein Recht, auf das man pochen kann.
    Eine wichtige Neuerung in der Personalpolitik, die die Gleichstellungsbeauftragte Christiane Bode durchsetzen will, ist, dass Forschungsgruppen Zuschüsse gewährt werden, wenn eine Frau im Mutterschutz oder ein Elternteil im Erziehungsurlaub ist. Denn dann könnten Forschungs-Projekte von einer Hilfskraft weiter geführt werden und die betroffene Forschungsgruppe hätte durch die Schwangerschaft der Kollegin keinen Nachteil. Abgesehen davon will Christiane Bode einen Babysitterpool einrichten und die erfolgreichen Campus-Ferien auf drei Wochen ausdehnen.