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Die kleinen Unbekannten

Biologie. - Alle Tiere, alle höheren Pflanzen und alle Menschen zusammen bilden gerade einmal 30 Prozent der irdischen Biomasse. Die anderen 70 Prozent sind Mikroorganismen: Bakterien, Mikroalgen und Urtierchen wie Amöben. Sie spielen eine wichtige Rolle in den Nahrungsnetzen und Ökosystemen und damit auch für die Artenvielfalt.

Von Monika Seynsche |
    Ein Laubmischwald voller Buchen, Eschen und Eichen. Das Blätterdach ist grün und der Boden ist bedeckt mit herab gefallenen, braunen Blättern und kleinen Ästen. Darunter beginnt die Welt, die Dirk Gansert interessiert. Die Bodentierchen, Pilze und Bakterien, die das Laub zerkleinern, es mit in den Boden hinunter nehmen, es zersetzen und die Nährstoffe herausholen, die dann wiederum den Bäumen beim Wachsen helfen. Der Ökologe von der Universität Göttingen will herausfinden, wer von ihnen welche Funktion in diesem Zusammenspiel übernimmt.

    " Die Bodenorganismen sind die treibenden Kräfte für den Prozess der Mineralisation der organischen Substanz in einem Boden. "

    Es ist eine Welt im Miniaturmaßstab, mit harmlosen Pflanzenfressern, blutrünstigen Jägern und Aasfressern. Und durch diese Nahrungskette wandert der in den Blättern und Zweigen gebundene Kohlenstoff hindurch, den die Pflanzen beim Wachstum der Atmosphäre entzogen haben.

    " Sind wenige Organismen daran beteiligt, ist auch der Weg des Kohlenstoffs vergleichsweise kurz, sind viele Organismen daran beteiligt bleibt ein großer Teil des Kohlenstoffs, der von der Pflanze in den Boden hinein abgegeben wird mit einer langen Verweildauer in den Organismen selbst erhalten. "

    Und je länger der Kohlenstoff im Boden bleibt, bevor er als Kohlendioxid wieder in die Atmosphäre gelangt, desto besser für das Klima. Auf diese Weise dienen viele Böden weltweit als große, willkommene Kohlenstoff-Senken. Ob sie diese Aufgabe weiter ausüben können, oder künftig vielleicht zu Kohlenstoffquellen werden, hängt maßgeblich von dem Zusammenspiel innerhalb der Miniaturwelt im Boden ab. Und nicht nur für den Kohlenstoff ist die biologische Vielfalt dort unten entscheidend.

    " Die Regeneration von Ökosystemen ist zwingend an eine Biodiversität im Boden an eine Lebensvielfalt im Boden gekoppelt. "
    Denn nur wenn ausreichend Arten vorhanden sind, die aus abgestorbenen Pflanzenresten die Nährstoffe wieder heraus holen, bietet der Boden genug Nahrung für neue Pflanzen. Dirk Gansert und seine Kollegen interessieren sich für die Artenvielfalt im Boden denn nur mit ihrer Hilfe lassen sich Ökosysteme nutzen ohne langfristig beeinträchtig zu werden. In einer Ecke des neuen Botanischen Gartens von Göttingen haben die Forscher ihr Experiment aufgebaut: 50 schwarze Plastikkübel sind dort aufgereiht. Die Bäumchen darin sind alle etwa einen Meter hoch.

    " In diesen Pflanzkübeln haben wir jeweils zehn Individuen verschiedener Baumarten gepflanzt, Esche, Buche, Hainbuche, Linde, Eiche und diese Bäumchen sind jetzt zwei Jahre alt, wachsen in einem definierten Bodenvolumen und wir untersuchen die CO2-Austragsraten aus diesem Boden einerseits, die Mineralisationsprozesse andererseits und aus den unterschiedlichen Artenzusammensetzungen in den jeweiligen Pflanzgefäßen können wir dann eine Korrelation herstellen zwischen den Baumarten und den CO2-Austragsraten und den Mineralisationsraten andererseits. "

    Je nachdem welche Baumarten in den einzelnen Töpfen wachsen, fühlen sich im Boden unterschiedliche Lebensgemeinschaften wohl. Und deren Zusammensetzung entscheidet darüber, wie gut der Boden den Pflanzen Nährstoffe zur Verfügung stellt und Kohlenstoff speichern kann. Die Daten könnten vielleicht irgendwann einmal helfen, Klimamodelle noch genauer zu machen. Das Forschungsprojekt hat gerade erst angefangen und mit den ersten Ergebnissen rechnen die Wissenschaftler in frühestens fünf Jahren.