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Die kleinste Stadt Deutschlands

"Arnis, Ar heißt Adler, Nis heißt Nase, es ist eine kleine Nase, die in die Schlei hineingeht. Früher eine Insel gewesen, heute ist es mit dem Festland durch einen Damm verbunden. Rundherum ham wir die Ostsee, "

Von Claudia Kalusky |
    erzählt Gästeführerin Ute Höschen.

    "Bad Arnis" steht auf dem Ortsschild: der Titel "Bad" ist ein Relikt aus den späten 20er Jahren, als es hier eine kleine Badeanstalt gab. Auch heute noch hat Arnis seinen eigenen überschaubaren Badestrand. Das Schwimmen in der Schlei ist schon lange wieder erlaubt.

    Der Ort lässt sich in etwa einer halben Stunde bequem zu Fuß umrunden. Durch das Städtchen, das auch die "Perle der Schlei" genannt wird, führt eine 800 Meter lange Lindenallee. Vor den meisten Häusern, manche sind Fischerhäuser aus dem 18. Jahrhundert, sind Rosenstöcke gepflanzt. Einer dieser Rosenstöcke fällt durch seinen besonders knorrig bizarr, gewundenen Stamm auf. Über 200 Jahre ist er alt und nennt sich Methusalem. Viele Rosen haben Lavendel zum Nachbarn, der soll gut gegen Läuse sein. Einige der großzügigen Garten-Grundstücke führen zum Wasser.

    Die Schlei ist eine Förde, die unterschiedlich breit ist. Hier fließen Süß-, Salz- und Brackwasser. Aus der Schlei wird unter anderem der so genannte Schnäpel gefischt.

    "Hat viele feine Gräten, weiches Fleisch."

    Seinen Gaumen reizt er nicht, der Schnäpel, meint der sympathische Wirt eines direkt an der Förde gelegenen Restaurants, das auf Pfählen errichtet wurde:
    Hochwasser gibt es hier, je nach Jahreszeit regelmäßig.

    Der Gastronom bevorzugt andere regionale Spezialitäten, so zum Beispiel den Schleibutt oder den Schleiaal.

    "Das ist das nonplusultra. Ein Angelaal, der an die Grundangel geht sieht aus wie Marzipan. Schleibutt und Aal war echte Mangelware und dieses Jahr scheint sich alles erholt zu haben. Da rätseln die Fischer selbst. Der eine Fischer hat ein Spezialnetz für Schleibutt, in das gehen die eigenartigerweise rein, aber in das normal typische Buttnetz eigentlich nicht."

    Die meisten betreiben die Schleifischerei als Nebenerwerb.

    Die Region um Arnis nennt sich Angeln. Hier befinden sich kleine Ortschaften, teilweise mit wunderschönen Reetdachhäusern. Die Nähe zur dänischen Grenze ist unüberhörbar.

    "Riseby, Siseby, Kriseby, alles mit By, das kommt aus dem Skandinavischen und heißt Ort. Angeln ist eine Halbinsel, da ist die Flensburger Förde, die Ostsee und die Schlei sind die Grenzgewässer. Die Landschaft ist in der letzten Eiszeit entstanden, eine wunderschöne, hügelige Unordnung. Dann kommen die aus Bayern und wollen hier Rad fahren, am ersten Abend kommen sie nach Hause und sagen: Das kann doch nicht wahr sein, wir ham gedacht, wir kommen in eine Ebene."

    Manchmal, da begegnet man in dieser Region einem Schwein: Dem Angelner Sattelschwein, dessen Bestände wieder aufgefrischt werden sollen.

    "Hatte einen schönen fetten dicken Schinken. Schönes Fett für die Pfanne.
    Aber es hatte einen Nachteil, es hatte eine Rippe zu wenig, sprich zwei Koteletts."

    Hier an der Schlei in Schleswig-Holstein trägt man normalerweise nicht dick auf, die Einheimischen geben sich eher zurückhaltend.

    "Ruhig und bedacht, man redet nicht so viel, man sagt Moin und das is es dann auch schon gewesen. Moin, ja."

    Arnis ist ein eindeutig maritim geprägter Ort. Es gibt einen kleinen Segelhafen, mehrere Segelclubs, eine Segelmacherei und einen Verlag für Seekarten. Ilja Andres ist zuständig für die Erstellung elektronischer Seekarten.

    "Vorwiegend für die Sportschifffahrt, und das wird heutzutage natürlich am Computer gemacht. Man holt sich amtliche Daten und fährt selber vor Ort und vermisst dort. Neben der Ostsee ham wir die Karibik, die Bahamas, bis runter nach Grenada. Dieser Job ist unsern Chefs vorbehalten."

    Die "Perle der Schlei" hat außerdem vier Werften; das entspricht, gemessen an der Bevölkerungsdichte, der größten Werftendichte Europas.

    "Der eine baut Segelboote, der andere schlachtet alte Boote aus, die anderen reparieren Kutter und alte Dampfschiffe, hier werden die ganzen Boote, die im Sommer die Touren machen, überholt."

    In der Werft von Matthias Paulsen werden ausschließlich hochwertige Holzboote und Segelyachten für Kunden aus aller Welt gebaut, repariert oder saniert. Dazu gehört auch die komplette Innenausstattung. Ein zirka 80 Jahre alter 20 Meter-Schoner aus den USA, im Besitz eines deutschen Kunden, wird hier momentan saniert: ein zwei Jahres-Projekt.

    "Das ist praktisch ein Hobbysegler, hat eine Crew von 50 Mann, die im Wechsel
    mit ihm mitfahren, sonst könnte man so ein Schiff nicht besegeln."

    Der mächtige Corpus des Schiffes, der auf einem Gerüst thront, erinnert an einen Walfisch. Es riecht nach Holz und Leim; noch kann man sich kaum vorstellen, dass dieser Segler einmal seine nächste große Reise erneut in die USA antreten soll.
    Matthias Paulsen lebt mit und für die Nautik und kann sich einen besseren Wohn,- und Arbeitsort als Arnis kaum vorstellen.

    "Unsere Werft ist in der dritten Generation und so lebe ich hier in Arnis und fühle mich auch sehr wohl hier. Es ist natürlich sehr schön ruhig im Winter, im Sommer ist es belebter. Direkt an der Schlei, man kann sich nichts Schöneres vorstellen. Segelrevier vor der Tür, das ist natürlich optimal."

    Die Kirche im beschaulichen Arnis fällt durch ihre äußere Gestaltung auf:
    Ihre Wetterseite besteht aus gelbem Backstein, die ältere Rückseite ist im 17. Jahrhundert als Fachwerk errichtet worden. Im Innern der Schifferkirche hängen vier Votivschiffe aus Holz unter der dunklen Balkendecke.

    "Hier wird auch mit Schleiwasser getauft und etwas Besonderes ist noch diese Empore. Man kommt von der Kirche nicht auf diese Empore rauf, die heißt auch der Knechteboden, man kommt nur, im hölzern angelehnten Glockenturm da drauf, das war früher für die Fischerknechte."

    Idylle pur und Wassersportfreuden. Für manche ist die Region noch aus anderen Gründen eine Reise wert: Arnis, die Nachbarstadt Kappeln und die nahe Umgebung sind seit über 20 Jahren ständige Drehorte für die ZDF-Vorabendserie "Der Landarzt".

    "Für uns ist das toll. Die Touristen die kommen und fahren auf den Spuren des Landarztes und sind begeistert, wenn sie dann mal einen Schauspieler sehen, wir leben hier mit dem Landarzt."